Fragebogen statt Wehrpflicht:Neuer Wehrdienst beschlossen: Das ist geplant
Das Bundeskabinett hat die Weichen für einen neuen Wehrdienst gestellt. Was Verteidigungsminister Boris Pistorius mit der Bundeswehr vorhat - eine Übersicht.
Die Bundeswehr braucht viel Nachwuchs. Deutschland versucht es jetzt zunächst mit Freiwilligen - und mehr Geld. Klappt das nicht, könnte die Wehrpflicht zurückkehren.
27.08.2025 | 1:43 minZu seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause hat das Bundeskabinett ausnahmsweise im Verteidigungsministerium getagt. Beschlossen wurden unter anderem die Pläne für den neuen Wehrdienst, mit dem Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) pro Jahr Zehntausende neue Rekruten zur Bundeswehr bringen will - bis auf Weiteres auf freiwilliger Basis. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht ist allerdings ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
Was sehen die Pläne vor?
Ab dem kommenden Jahr soll an alle jungen Männer und Frauen ein Fragebogen versandt werden. Männer müssen ihn ausfüllen, für Frauen ist das freiwillig. Dabei soll das Interesse am Dienst in der Bundeswehr abgefragt werden. Geeignete Kandidaten und Kandidatinnen werden dann zur Musterung eingeladen.
Debatte über Wehrpflicht - Pro und Kontra:
Neben dem neuen Wehrdienstgesetz gibt es künftig einen nationalen Sicherheitsrat. Der soll "eine Sicherheitspolitik aus einem Guss" schaffen, sagt ZDF-Korrespondentin Ines Trams.
27.08.2025 | 1:35 minIst alles im neuen Wehrdienst freiwillig?
Nein. Ab dem 1. Juli 2027 wird die Musterung, also die ärztliche Untersuchung auf Wehrdiensttauglichkeit, für alle Männer ab Jahrgang 2008 wieder verpflichtend - - auch wenn sie sich nicht für den freiwilligen Wehrdienst entscheiden.
Ziel ist es nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium, ein "Lagebild" über die gesundheitliche Eignung deutscher Männer im wehrfähigen Alter zu erstellen.
Das Kabinett hat ein neues Wehrdienst-Gesetz beschlossen. Laut ZDF-Politbarometer spricht sich die Mehrheit der 18- bis 34-Jährigen aber klar gegen eine Pflicht aus.
27.08.2025 | 1:35 minDenn im Spannungs- oder Verteidigungsfall würde die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht nach aktueller Rechtslage ohnehin automatisch wieder in Kraft treten. Damit könnten alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren eingezogen werden, sofern sie den Kriegsdienst nicht verweigert haben.
Auf der Straße zeigen junge Menschen, wie unterschiedlich sie zum Wehrdienst und Pistorius’ Plänen stehen. Der Bundesjugendring kritisiert fehlende Mitsprache.
27.08.2025 | 1:33 minWer den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern möchte, muss den Antrag dafür bei einem der bundesweit 15 Karrierecenter der Bundeswehr stellen, die für zivile und militärische Laufbahnen beim Militär zuständig sind. Wenn noch keine "Musterung" stattgefunden hat, wird der Antragsteller zunächst zu einem Gesundheitscheck eingeladen, um die Eignung für einen Wehrdienst zu prüfen. Falls die Person nicht geeignet ist, erübrigt sich der Antrag zur Kriegsdienstverweigerung.
Das Karrierecenter leitet die Unterlagen an das zuständige Bundesamt (BAFzA) in Köln weiter. Eine Bearbeitung dauerte zuletzt zwei Monate bis zu einem halben Jahr, so Sabine Müller-Langsdorf vom Zentrum Ökumene in Frankfurt, das Verweigerer berät. Ein Antrag besteht aus einem Anschreiben, das sich auf Art. 4 Abs. 3 GG berufen muss, einem Lebenslauf und einer ausführlichen, persönlichen Begründung, warum der Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen nicht beziehungsweise nicht mehr möglich ist. Frauen können sich auf das Verweigerungsrecht nur berufen, falls sie aktuell oder in der Vergangenheit Soldatin sind oder waren.
Eine Kriegsdienstverweigerung kann durch den Bürger nachträglich widerrufen werden, sollte man sich doch zum Dienst an der Waffe bereiterklären. Ein solcher Widerruf ist ebenfalls an das BAFzA zu richten.
Wie lange soll der Grundwehrdienst dauern?
Die Mindestverpflichtungsdauer wird auf sechs Monate festgelegt, kann jedoch freiwillig verlängert werden.. Nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium sollen die Rekruten zu "Sicherungs- und Wachsoldaten" ausgebildet werden, was sie auch für einen "erweiterten Heimatschutz" befähige. Angeboten werden sollen aber auch weitere Qualifikationen in den verschiedenen Teilstreitkräften. Pistorius zufolge soll ein Ausbildungsteil auch Nutzung und Abwehr von Drohnen sein.
Wie viel Sold sollen die Freiwilligen bekommen?
Alle befristet dienenden Soldatinnen und Soldaten werden künftig in das einheitliche Dienstverhältnis "eines Soldaten / einer Soldatin auf Zeit" (SaZ) berufen. Die finanzielle Vergütung wird verbessert. Der Sold liegt anfangs bei rund 2.200 Euro.
Über den beschlossenen Wehrdienst und den Konflikt zwischen SPD und Union um Freiwilligkeit und Pflicht berichtet ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann aus Berlin.
27.08.2025 | 1:22 minWarum wird der neue Wehrdienst eingeführt?
Ziel der Pläne ist es letztlich, vor dem Hintergrund der Bedrohung durch Russland neue Vorgaben der Nato für den Konfliktfall zu erfüllen. Diese sehen einen Bedarf von etwa 460.000 deutschen Soldatinnen und Soldaten vor. Derzeit gibt es nur knapp 183.000 Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr.
Hinzu kamen 2024 gut 49.000 sogenannte beorderte Reservisten, die regelmäßig Dienst leisten. Pistorius strebt nun mindestens 260.000 Soldatinnen und Soldaten an sowie eine Gesamtzahl von 200.000 einsatzbereiten Reservisten.
Das Bundeskabinett hat ein Beschaffungsbeschleunigungsgesetz beschlossen. Damit soll die Bundeswehr schneller an neue Ausrüstung und Rüstungsgüter kommen.
23.07.2025 | 1:41 minMit wie vielen Rekruten rechnet Pistorius?
Nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium werden im laufenden Jahr 15.000 Soldatinnen und Soldaten den bisherigen freiwilligen Wehrdienst leisten. Mit der Einführung des neuen Wehrdienstes ab 2026 solle ihre Zahl "im Schnitt um 3.000 bis 5.000" pro Jahr erhöht werden, um dann ab 2031 bis zu 40.000 pro Jahr zu erreichen.
Die Hoffnung ist, dass sich ein Teil dann für einen längeren Dienst bei der Bundeswehr entscheidet. Zudem stehen durch den Wehrdienst künftig mehr Reservisten zur Verfügung.
Wie will die Bundeswehr die Freiwilligen zur längeren Verpflichtung bringen?
Es soll aktiv mit Anreizen im Dienst bei der Truppe geworben werden. Als Beispiele genannt werden im Verteidigungsministerium dabei unter anderem "hohes Grundgehalt, unentgeltliche Unterkunft, freie Heilfürsorge, kostengünstige Verpflegung, kostenloses Bahnfahren". Zudem sollen "Verpflichtungsprämien" junge Menschen länger an die Bundeswehr binden.
Auch ein Zuschuss zum Pkw-Führerschein der Klasse B (bis zu 3.500 Euro) soll den Dienst attraktiver machen.
Verteidigungsminister Pistorius will einen neuen Wehrdienst. Kernelement: Die Einberufung von Wehrpflichtigen soll wieder möglich sein. Die Analyse dazu bei ZDFheute live.
08.07.2025 | 30:59 minIst auch ein Umschwenken auf eine Wehrpflicht möglich?
Ja. Das ist im Gesetzentwurf vorgesehen, wenn die Rekrutierungsziele nicht erreicht werden oder die Sicherheitslage höhere Zahlen nötig macht. Für diesen Fall werde im Gesetz "eine verpflichtende Heranziehung ermöglicht", hieß es aus dem Verteidigungsministerium Ende Juli. Es gebe aber "keinen Automatismus, keine festgelegte Zahl und keinen festgelegten Zeitpunkt für eine Aktivierung der Wehrpflicht". Nötig ist auch die Zustimmung des Bundestags.
Warum gibt es in der Union Kritik?
Dort gibt es massive Zweifel, ob das Freiwilligenmodell zum Ziel führt. Deshalb wird teilweise ein Automatismus verlangt, um auf die Wehrpflicht umzuschwenken. Mit der Debatte um einen möglichen Bundeswehr-Einsatz in der Ukraine könnte der Druck hier nochmals steigen. Denn das würde die personelle Belastung der Truppe weiter erhöhen.
Russland bedroht den Frieden in Europa. Die Bundeswehr ist wieder gefordert. Jahrelang wurde abgerüstet, jetzt heißt es "Kommando zurück": Aber wie gut ist die Bundeswehr darauf vorbereitet?
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