Experte zu Bundeswehr-Plänen: Wehrdienst-Debatte muss sich ändern
Interview
Pistorius' Bundeswehr-Pläne:Experte: Wehrdienst-Debatte muss sich ändern
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Die Pläne von Bundesverteidigungsminister Pistorius zum neuen Wehrdienst seien "die richtigen Schritte", erklärt Militärexperte Thomas Wiegold. Die Debatte müsse sich aber ändern.
Um die Bundeswehr attraktiver zu machen, müsse sie in der Bevölkerung präsent sein, so Sicherheitsexperte Wiegold. Zudem müsse mehr Geld für die Truppe ausgegeben werden.08.07.2025 | 12:30 min
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will den Wehrdienst reformieren. Sein Gesetzentwurf sieht laut einem Medienbericht auch eine verpflichtende Einziehung vor. Falls nicht genügend Freiwillige den Wehrdienst ableisteten, solle die Bundesregierung "mit Zustimmung des Deutschen Bundestages die verpflichtende Heranziehung von Wehrpflichtigen" veranlassen können, zitierte der "Spiegel" am Montag aus dem Entwurf.
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine rückt die Wehrpflicht-Debatte in Deutschland immer mehr in den Fokus. Die Pläne des Verteidigungsministers seien "die richtigen Schritte in eine Richtung, die offensichtlich dringend nötig ist", sagt Militär- und SicherheitsexperteThomas Wiegold. Die Debatte müsse sich aber ändern.
Sehen Sie das ganze Interview mit Thomas Wiegold bei ZDFheute live oben im Video und lesen Sie es hier in Auszügen.
Das sagt der Sicherheitsexperte ...
... über die Pläne des Verteidigungsministers
Es sei problematisch, dass sich Pistorius "erstmal gar nicht mit der Frage der Wehrpflicht befassen muss, sondern mit den ganzen Voraussetzungen". Denn vor 14 Jahren ist nicht nur die Wehrpflicht ausgesetzt worden, sondern der ganze Apparat der dafür nötig war ist abgeschafft worden.
Selbst wenn der Bundestag morgen die Wehrpflicht wieder einführen würde - was er ja könnte - dann wüsste die Bundeswehr gar nicht, wen sie einberufen kann und soll.
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Thomas Wiegold, Sicherheitsexperte
... ist Militärexperte und arbeitet als Journalist mit den Schwerpunkten internationale Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Militär und Bundeswehr. Auf seinem Blog "Augen geradeaus!" berichtet er regelmäßig über die Bundeswehr.
Der Wehrdienst müsse über Jahre aufgebaut werden, betont Wiegold. "Dafür möchte der Minister vor allem in dem Gesetz die ersten Schritte tun." Nach Pistorius' Plänen sollen künftige Wehrdienstleistende Zeitsoldaten-Sold bekommen. "Das ist der Unterschied zur alten Wehrpflicht. Da wurden nämlich die Wehrpflichtigen sehr mager abgespeist", so der Sicherheitsexperte.
Das wird ziemlich teuer werden. Ich bin gespannt, wie das in diesem Gesetz ausformuliert wird.
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Thomas Wiegold, Sicherheitsexperte
Der Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Pistorius zum neuen Wehrdienst soll für mehr deutsche Soldaten sorgen.08.07.2025 | 1:43 min
... zur Wahrnehmung der Truppe in der Gesellschaft
Um die Bundeswehr attraktiver zu machen, müsse sie in der Bevölkerung präsent sein, erklärt Wiegold. "In vielen deutschen Städten sieht man gar keine Soldaten." Das sei auch ein Unterschied zu Zeiten der Wehrpflicht, als man Soldaten etwa am Wochenende auf der Heimfahrt sah. Darüber hinaus sei die Empfindung der Bedrohung in Deutschland anders als etwa im Baltikum oder Polen, meint der Sicherheitsexperte. "Die fühlen sich von Russland direkt bedroht."
Wer sein ganzes Leben in einem friedlichen Zustand oder friedlichen politischen Lage verbracht hat, der sieht das anders als die Leute im Baltikum.
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Thomas Wiegold, Sicherheitsexperte
Zudem sei es nötig, die Debatte zu öffnen, so Wiegold. Man solle nicht nur darüber reden, "dass die jungen Leute sich jetzt melden und eingezogen werden sollen". Es müsse auch über die Rolle der älteren Generationen gesprochen werden, die nicht direkt von einer Wehrpflicht betroffen wären.
Ex-CDU-Abgeordneter Sensburg fordert die Rückkehr zur Wehrpflicht. Warum er Pistorius‘ Pläne für ungenügend hält - und die Bundeswehr bereit für Hunderttausende neue Soldaten sei.09.07.2025 | 3:46 min
... über notwendige Reformen bei der Bundeswehr
Vor allem im Personalbereich seien Reformen nötig, betont der Experte. So seien ausgeschiedene Soldatinnen und Soldaten in der Vergangenheit nicht gefragt worden, ob sie etwa als Reservist Teil der Truppe bleiben möchten.
All diese Dinge sind nicht passiert. Das ist ein Versäumnis, was sich jetzt bitter rächt.
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Thomas Wiegold, Sicherheitsexperte
Denn die Bundeswehr wolle nicht nur aktiv größer werden, "sie will auch eine Reserve aufbauen, sie will über die nächsten Jahre mindestens hunderttausend Soldaten und Soldatinnen als Reservisten haben".
Denn wenn es zu einem Krieg kommen sollte, dann wird die Bundeswehr noch viel stärker wachsen müssen.
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Thomas Wiegold, Sicherheitsexperte
Auch die Reservistin Kerry Hoppe mahnt im Interview mit ZDFheute live eine Reform der Personalstruktur an. "Wir haben einen großen, großen Wasserkopf an Soldatinnen und Soldaten, die eben nicht an der unmittelbaren Auftragserfüllung eingesetzt sind, sondern in Behörden, in Stäben sitzen", sagt das FDP-Mitglied.
Erst nach der Beseitigung dieses riesigen bürokratischen Überhangs könne man über eine Wehrpflicht nachdenken.
Die Bundeswehr sei zu lange aus dem öffentlichen Raum verbannt worden. Kerry Hoppe, Leutnant der Reserve, fordert eine grundlegende Reform der Personalstruktur und Reserve.08.07.2025 | 13:29 min