Gaza: Hilfsgüter-Verteilung wird politischer Spielball
Analyse
Chaos bei Lebensmittel-Verteilung:Gaza-Hilfsgüter als politischer Spielball
von Nils Metzger
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Eine umstrittene Verteilaktion von Hilfsgütern im Gazastreifen endete im Chaos. Organisationen kritisieren die von Israel und den USA unterstützte "Gaza Humanitarian Foundation".
Hungrige Palästinenser haben im Gazastreifen ein Lebensmittellager gestürmt und geplündert. Dabei gab es Verletzte und Tote. Die humanitäre Lage in der Region ist katastrophal.29.05.2025 | 0:18 min
Nach Wochen der Blockade humanitärer Hilfsgüter für den Gazastreifen durch Israel hätte am Dienstag der Wendepunkt kommen sollen. Da startete die umstrittene Lebensmittel-Verteilung einer von Israel und den USA unterstützten privaten Stiftung.
Doch statt Bildern der Hoffnung angesichts der drohenden Hungerkatastrophe gingen Berichte von chaotischen Zuständen um die Welt. Tausende Verzweifelte hatten Sicherheitsbarrieren an einer Verteilstation überwunden. Die Ausgabe von Hilfsgütern sei darum direkt wieder eingestellt worden. Nun arbeite man daran, sichere Abläufe zu gewährleisten, so die Stiftung am Mittwoch. Noch im Laufe des Tages solle an einem Standort mit der Verteilung fortgesetzt werden.
Zeitgleich ringen Unterstützer und Kritiker des israelischen Vorgehens im Netz um die Deutungshoheit rund um die Hilfsgüter.
Eine umstrittene US-Stiftung ohne Expertise mit angeblicher Zweigstelle in der Schweiz verteilt offenbar Hilfsgüter in Gaza. Doch in der Schweiz existiert die Stiftung gar nicht mehr…28.05.2025 | 1:58 min
Was ist am Dienstag bei der Verteilaktion passiert?
An zwei von vier geplanten Standorten hatten Verteilzentren der "Gaza Humanitarian Foundation" (GHF) am Dienstag ihre Arbeit aufgenommen. Sie sind durch Zäune und bewaffnete Wachleute gesichert. In der Stadt Rafah drangen dabei viele Zivilisten auf eines der Gelände vor. Helikopter kreisten daraufhin über dem Gebiet, Sicherheitskräfte sollen in die Luft geschossen haben.
Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
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Nach palästinensischen Angaben gab es mehrere Tote. Die Vereinten Nationen sprachen am Mittwoch von einem Toten und 47 Verletzten, auch durch Schüsse. Israels Premier Benjamin Netanjahu sprach am Dienstag von einem "zwischenzeitlichen Kontrollverlust". Die Armee wies zurück, dass man auf Menschen geschossen habe. Auch die Stiftung wies am Mittwoch zurück, dass es Tote gegeben habe.
Seit März blockierte das israelische Militär die Lieferung von humanitären Gütern in den Gazastreifen, um nach eigenen Angaben damit den Druck auf die Hamas zu erhöhen. International war das immer deutlicher auf Kritik gestoßen; nach dem humanitären Völkerrecht müssen Konfliktparteien Zivilisten den Zugang zu Hilfe ermöglichen.
UN und EU-Kommission verlangen, dass die Hilfslieferungen im Gazastreifen erhöht werden – es droht eine Hungersnot. Israel hat seine Militäroperation auf zivile Ziele ausgeweitet.27.05.2025 | 1:42 min
Wie bewerten Hilfsorganisationen die neuen Verteilstationen?
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen kritisiert gegenüber ZDFheute die neuen Strukturen zur Verteilung von Hilfsgütern:
Ärzte ohne Grenzen ist zutiefst besorgt über dieses neue Verteilsystem. Das hat wenig mit humanitärer Hilfe zu tun.
„
Lara Dovifat, Ärzte ohne Grenzen
Humanitäre Hilfe müsse unabhängig und neutral stattfinden, so Lara Dovifat von Ärzte ohne Grenzen. "Was wir dort jetzt beobachten, sind hoch militarisierte Akteure, die vorgeben, humanitär zu handeln, es aber nicht tun. Humanitäre Hilfe im Gazastreifen wird politisch instrumentalisiert. Das ist abzulehnen und zu verurteilen. Auch durch die Bundesregierung."
Die Kämpfe der israelischen Armee im Gazastreifen dauern weiter an. Trotz vieler Opfer und internationaler Kritik lässt Israel nicht von seiner Großoffensive ab.26.05.2025 | 1:32 min
Die gestrigen Szenen von der Verteilstation in Rafah seien "schrecklich und unmenschlich". "Es ist eine künstliche Verknappung der Hilfsgüter. Dabei gibt es genug Akteure, die mehr Hilfe leisten könnten, darunter auch Ärzte ohne Grenzen. Wenn man uns nicht aufhalten würde, wenn man uns nicht bombardieren würde", sagt Dovifat. Ihre Sorge sei, dass diese neue Art der Verteilung durch private Akteure dazu beitragen könne, dass Zivilisten weiter aus dem Norden in den Süden des Gazastreifens vertrieben würden. Im Norden finde weiter keine Verteilung von Hilfsgütern statt.
Orte im Gazastreifen
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Hamas setzt Bevölkerung unter Druck, keine Hilfe anzunehmen
Der Zugang zu Hilfsgütern wird so zum Werkzeug, um Kontrolle über die Bevölkerung des Gazastreifens auszuüben. Auch die Hamas ist sich dieser Dynamik bewusst und droht dem neuen Verteilsystem und indirekt damit auch jenen Bewohnern Gazas, die darauf zurückgreifen.
Auf der Plattform X bezeichnete das Innenministerium von Gaza die GHF-Zentren als eine "Geheimdienstoperation" Israels. Wer mit der Besatzung kooperiere, werde "einen Preis zahlen".
Unterstützer des umstrittenen israelischen Vorgehens sehen darin einen Beleg, dass die Taktik, die bisherigen Hilfsorganisationen und UN-Organisationen von der Verteilung auszuschließen, den Zugriff der Hamas auf Hilfsgüter erfolgreich beschränke. Und so einen Keil zwischen die Terrororganisation und die Zivilbevölkerung treibe.
Das Völkerrecht gebiete auch in einer Kriegssituation, humanitäre Hilfe zu leisten. Dagegen habe Israel verstoßen, so der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Röwekamp (CDU).26.05.2025 | 4:16 min
Kampf um die Bilder im Netz
Entsprechend hat in den sozialen Medien auch ein Ringen um die Deutungshoheit begonnen - welches Bild von den neuen Verteilzentren soll hängen bleiben. Unterstützer der israelischen Regierung verbreiten etwa Aufnahmen palästinensischer Familien, die die Hilfspakete annehmen oder kaum lückenlos zu verifizierende Gerüchte über Händler im Gazastreifen, die mit früheren Hilfslieferungen anderer Organisationen Wuchergeschäfte betrieben hätten.
Post des israelischen Außenministeriums
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Medial flankiert wird das von israelischen Behörden - "Hilfe für Zivilisten, nicht für Hamas", schreibt etwa das israelische Außenministerium. Und die "Gaza Humanitarian Foundation" beklagt in einer Stellungnahme am Mittwoch:
Leider gibt es viele Beteiligte, die GHF scheitern sehen möchten.
„
Stellungnahme der "Gaza Humanitarian Foundation"
Berichte, wonach das Verteilungszentrum in Rafah zerstört worden sei, seien falsch, so die Organisation in einer Stellungnahme. Die Organisation habe bislang rund 14.500 Nahrungspakete an zwei Standorten verteilt. Verglichen mit den tatsächlich benötigten Mengen für Hunderttausende Hungernde ist das nur ein Bruchteil.
Umgekehrt nutzen propalästinensische Aktivisten die Bilder von wartenden Menschen an den neuen Verteilstationen für Vergleiche mit Konzentrationslagern, um die neue Initiative zu diskreditieren.
Mit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert. Noch immer sind nicht alle Geiseln frei - Israel fliegt weiter Angriffe auf Gaza.