Brandmauer-Debatte: Soll man mit der AfD diskutieren oder nicht?

Brandmauer-Debatte in der Wirtschaft:Dialog mit der AfD: Soll man oder soll man nicht?

ZDF Börse mit Frank Bethmann

von Frank Bethmann

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Die Debatte um die Abgrenzung zur AfD schlägt in der Wirtschaft weiterhin hohe Wellen. Unternehmensverbände, Gewerkschaften und ein Wirtschaftsethiker melden sich zu Wort.

Symbolbild: AfD-Parteilogo

Wie umgehen mit der AfD? Die Diskussion darüber hat nun auch Wirtschaftsverbände erreicht. (Symbolbild)

Quelle: dpa

Soll man oder soll man nicht - mit der AfD reden? Diese Frage spaltet die Wirtschafts- und Unternehmensverbände. Losgetreten hat sie Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes "Die Familienunternehmer". Mit AfD-Politikern zu diskutieren, insbesondere über Wirtschaftsthemen, ist für Ostermann kein Tabu mehr.

Mit einem Andersdenkenden zu diskutieren, heißt nicht, seine Position zu akzeptieren.

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin Verband "Die Familienunternehmer"

"Reden heißt nicht, zusammenarbeiten", rechtfertigte Ostermann zuletzt ihren umstrittenen Vorstoß.

Börse Wehrmann mit Haller

Aufgrund der neuen Haltung zur AfD dürften Rossmann und Vorwerk aus dem Verband Die Familienunternehmer austreten. "Weitere Austritte könnten folgen", so Valerie Haller.

26.11.2025 | 1:51 min

Mit der AfD reden - ein Denkfehler?

Doch Kritiker sehen darin bereits einen Denkfehler. Wirtschaftsethiker Markus Scholz von der TU Dresden hält diesen Ansatz in diesem Fall für falsch. Vor allem deswegen, weil eine in Teilen rechtsextreme Partei wie die AfD, die "grundsätzlich die Idee von Wahrheit infrage stellt", sich nicht über inhaltliche Debatten enttarnen lasse.

Eine Einschätzung, die auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger teilt. "Wir bei der BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) sind fest entschlossen, die Lösungen für Verbesserungen dieses Landes in unserer Wirtschaft mit den demokratischen Parteien der Mitte zu suchen", sagt Dulger.

Parteien, die pro Russland, anti-europäisch, anti-Nato, anti-Euro sind, mit denen werden wir diese Lösungen nicht finden.

Rainer Dulger, Präsident BDA

Presseschau

"Sie will mit der AfD ins Gespräch gehen und die Brandmauer kippen", sagt Maria Fiedler, Der Spiegel, zur Annäherung des Verbands der Familienunternehmer an die AfD.

25.11.2025 | 3:57 min

Familienunternehmerverband: Scheuen keine inhaltliche Auseinandersetzung mit AfD

Wer die freiheitlich demokratische Grundordnung, die europäische Einigung und den Freihandel in Frage stellt, ist auch für Lutz Kordges vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (Der Mittelstand. BVMW) außen vor:

Wir reißen keine Brandmauer ein. Wir normalisieren keine extremistischen Positionen.

Lutz Kordges, Der Mittelstand. BVMW

Ostermann, so formulierte sie es zuletzt, widerspricht in Sachen Wertekanon nicht, die AfD aber würde trotz Brandmauer kräftig wachsen, daher will ihr Verband künftig anders agieren. "Das Weltbild der AfD passt nicht zu unserer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Grundüberzeugung, weshalb wir Familienunternehmer die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD nicht scheuen." Und: "Demokratie lebt vom Streit um die besten Inhalte, nicht vom Schweigen."

Karl-Theodor zu Guttenberg bei Markus Lanz

Karl-Theodor zu Guttenberg spricht bei Markus Lanz über den politischen Umgang mit der AfD. Durch einen Boykott könne keine "Entzauberung" vollzogen werden.

07.11.2025 | 1:28 min

Wirtschaftsethiker warnt vor Herrschaftstechniken der AfD

Eine gefährliche Argumentation, findet Wirtschaftsethiker Scholz. Die Bedrohung durch populistische Parteien wie der AfD liege nicht nur in ihrem wirtschaftspolitischen Programm, wie dem Dexit oder der Abgrenzung von Fachkräften, sondern vor allem in ihren Herrschaftstechniken, so Scholz. "Damit meine ich zum Beispiel den Abbau von Rechtsstaatlichkeit oder die Einschränkung der Medienfreiheit." Solche Zustände zerstören die Planbarkeit und Stabilität, auf die Unternehmen angewiesen sind.

... vertritt rund 6.500 Familienunternehmer, darunter Gründerfamilien von Weltkonzernen genauso wie die Chefs kleiner Betriebe. Sie müssen mindestens zehn Mitarbeitende haben und einen Jahresumsatz von einer Million Euro.

Bis vor Kurzem gehörte der Familienunternehmerverband zu den schärfsten Kritikern der AfD. Im April 2024 veröffentlichte der Verband ein Papier über "die wirtschaftsfeindliche Politik der AfD". Die Politik der Partei "sei gegen die Interessen der mittelständischen Familienunternehmen" gerichtet und gefährde den Wohlstand.

Allerdings waren von der Verbandschefin Marie-Christine Ostermann bereits da auch andere Töne zu vernehmen. Beispielsweise in einem Gastkommentar im "Handelsblatt": "Seit die Wähler in Scharen mit der AfD liebäugeln, nehmen alle Parteien die Probleme von Otto Normalbürger wenigstens ernst." Und: Eine "Volksfront aller Parteien gegen die AfD" löse "kein einziges Problem".


Gewerkschaften mahnen und erinnern an die Geschichte

Von einem gefährlichen Tabubruch spricht auch die IG Metall. "Wer die Brandmauer zur AfD einreißt, normalisiert eine Partei, die unsere Demokratie und die Rechte von Beschäftigten angreift", heißt es in einer Stellungnahme. Die AfD stehe für Spaltung statt Solidarität, für autoritäre Politik statt Mitbestimmung. "Wenn Wirtschaftsverbände ihr eine Bühne geben, untergraben sie die Sozialpartnerschaft, die unser Land stark gemacht hat."

Das ist nicht nur ein politisches Risiko, sondern auch ein Angriff auf die Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolgs.

Stellungnahme IG-Metall

Pressekonferenz anlässlich der Sitzung des Parteivorstands der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands in Berlin

Wie hast Du's mit der AfD? Schadet die Brandmauer der extremen Rechten oder nützt sie ihr? Auch die Union streitet darüber. Kanzler Merz zumindest findet klare Worte.

20.10.2025 | 2:52 min

Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), geht noch einen Schritt weiter. Die deutschen Gewerkschaften hätten unter der nationalsozialistischen Diktatur schmerzlich erfahren, was geschieht, wenn demokratische Institutionen zerschlagen werden, sagt sie.

In unserer Geschichte begründet sich unsere kompromisslose Haltung gegen jeden Rechtsextremismus und damit gegen die AfD.

Anja Piel, Vorstand DGB

"Wir verteidigen unsere Werte: Solidarität, Menschenwürde, Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Vielfalt", so Piel.

SGS-Hagel-Sievers

Man müsse die Probleme angehen, die die AfD stark machten, sagt Manuel Hagel, Parteichef der CDU in Baden-Württemberg.

20.10.2025 | 6:42 min

Gewerkschaftsbund: Unternehmen haben "besondere historische Verantwortung"

Das Signal des Familienunternehmerverbandes, die Brandmauer einzureißen, hält Piel für einen großen Fehler. "Wie wir alle in Deutschland tragen auch die Unternehmensverbände und Unternehmen eine besondere historische Verantwortung", sagt sie. Die Verbände seien jetzt gefragt, sich klar und unmissverständlich zu einer wehrhaften Demokratie zu bekennen, statt ins Risiko zu gehen, demokratische Prinzipien aufzuweichen.

Die Meinung teilt auch Wirtschaftsethiker und Buchautor Scholz, der von den Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, dort wo es noch nicht passiert ist, nun eine klare Positionierung zur liberalen Demokratie einfordert. Nämlich, "was die liberale Demokratie eigentlich ist und warum wir diese Gesellschaftsform in Verbindung mit der sozialen Marktwirtschaft haben." Sie ist, so Scholz weiter, "ein Resultat der Aufklärung, des Liberalismus und ein Bollwerk gegen jede Form von Totalitarismus."

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