Yasmin Fahimi: DGB-Chefin sieht Sozialstaat in Gefahr

"Zwischen enttäuscht und verwundert":DGB-Chefin Fahimi sieht Sozialstaat in Gefahr

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von Ralph Goldmann, Düsseldorf

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Yasmin Fahimi sorgt sich um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. In Krisenzeiten müsse man eine starke Wirtschaft und soziale Sicherheit zusammendenken, sagt die DGB-Chefin.

 Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), spricht bei einer Veranstaltung im Januar 2025.

Yasmin Fahimi, Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, warnt vor Ideen zum Abbau des Sozialstaates.

Quelle: dpa

Yasmin Fahimi macht sich Sorgen um den Zusammenhalt der Gesellschaft, um den Fortbestand der Demokratie und die Errungenschaften des Sozialstaates. Seit mehr als drei Jahren ist die studierte Chemikerin jetzt Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und sie verspüre inzwischen, wie immer mehr Tabus angesprochen werden.

"Wir diskutieren wöchentlich, sogar fast täglich über irgendeine neue Idee zum Abbau des Sozialstaates oder von Arbeitnehmerrechten", sagte die ehemalige SPD-Generalsekretärin auf einer Veranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV NRW) in Düsseldorf.

Fahimi: Fehlgeleitete Debatten in der Bundesregierung

Ob die Abschaffung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, eine "Karenzzeit" von einem Jahr, in der Krankenkassen keine Pflegeleistungen mehr erbringen müssen, Einschränkungen bei der Rente, Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes oder die Wiedereinführung der Praxisgebühr: über vieles werde inzwischen wie selbstverständlich diskutiert.

Wir sind irgendwo zwischen enttäuscht und verwundert über die fehlgeleiteten Debatten, die es im Moment in der Bundesregierung gibt.

Yasmin Fahimi, DGB-Chefin

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Fahimi: Gesellschaftlicher Konsens wird zur Kraftprobe

Die Gewerkschaften erlebten derzeit eine regelrechte "Raserei vor allem der Arbeitgeber und zunehmend auch der politischen Akteure, die ein ganzes Füllhorn von Arbeits- und Sozialrechten in Frage stellen". Das mache es nicht leichter, in konstruktive Gespräche zu kommen und der Kernaufgabe der Gewerkschaften nachzukommen, "nämlich die Gesellschaft zusammenzuhalten".

In Zeiten von Krisen müsse man gute Arbeit, starke Wirtschaft und soziale Sicherheit zusammendenken, so Fahimi. Es gehe nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen. Man brauche gemeinsame Lösungen anstatt Konflikte:

Wenn sich Arbeitgeber anmaßen, über den Abbau von Arbeits- und Sozialrechten zu schwadronieren, dann wird es eng mit dem gemeinsamen Konsens. Im Zweifel sind wir auch kampfbereit.

Yasmin Fahimi, DGB-Chefin

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Fahimi kritisiert "Stadtbild"-Debatte

Auch die Debatte um die "Stadtbild"-Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz habe nicht gerade dazu beigetragen, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Der DGB habe deutlich gemacht, dass die Aussage für einen Kanzler nicht angemessen gewesen sei. "Diese Debatte wird ihm lange anhängen. Es wäre gut, wenn er sich davon distanzieren würde", betonte Fahimi.

Das seien "Spaltungserzählungen" und falsche Bilder, die da immer wieder produziert würden, so die Gewerkschaftschefin.

Es ist geradezu verblendend, wenn man Frauen erzählt, sie müssten aufpassen, was ihnen auf der Straße passiert. Ich kann nur allen Frauen sagen: passt auf, was euch zu Hause passiert.

Yasmin Fahimi, DGB-Chefin

Das eigentliche Problem sei die schlechte finanzielle Lage der Kommunen, die dringend verbessert werden müsse. Dass die Bahnhöfe aussehen, wie sie aussehen, sei kein Problem der Flüchtlinge.

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Fahimi: Annäherung von Union und AfD ist problematisch

Ein großes Problem für die Gesellschaft sieht Fahimi zudem in der Annäherung der Union an die AfD und in "Angriffen von Rechtsaußen" vor allem in den Sozialen Netzwerken.

Es gebe eine von der AfD getriebene Bewegung und Aggressionen gegen die Gewerkschaften. Man dürfe da nicht "klein beigeben, stiller werden oder gar relativieren" oder sich gar annähern. Eine Studie habe gezeigt, dass eine Annäherung an Rechtsaußen durch Tolerierungen oder Koalitionen zu nichts führe.

Man muss Haltung zeigen und sich den wirklichen Themen der Leute widmen.

Yasmin Fahimi, DGB-Chefin

Ralph Goldmann ist Reporter im ZDF-Studio in Nordrhein-Westfalen.

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