Lanz-Talk: "Herbst der Reformen" - Angriff auf Sozialstaat?

Sozialreform-Talk bei "Lanz":"Herbst der Reformen": Angriff auf Sozialstaat?

von Bernd Bachran
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Der "Herbst der Reformen" sorgt für Spannungen in der Koalition. Der Bundesvorsitzende der JU, Johannes Winkel, will die Rente mit 63 abschaffen. Er warnt: 2029 droht der Kollaps.

Johannes Winkel

Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 04. September in voller Länge.

04.09.2025 | 76:08 min

"Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar", sagte Bundeskanzler Friedrich Merz auf dem CDU-Landesparteitag Ende August in Osnabrück.

Merz kündigte den mittlerweile viel zitierten "Herbst der Reformen" an. Dabei geht es unter anderem um Reformen beim Bürgergeld, der Rente und der Krankenversicherung. Konkretes fehlt noch, doch schon jetzt sorgt das für Spannungen in der schwarz-roten Koalition. Viele sehen einen Angriff auf den Sozialstaat.

Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, wurde am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" deutlicher. Er sagte, bevor über eine Rente mit 70 gesprochen werde, solle man erst einmal über die Rente mit 67 oder das Arbeiten bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter reden.

Markus Söder, Friedrich Merz, Bärbel Bas und Lars Klingbeil

Im Anschluss an den Koalitionsausschuss haben sich Union und SPD einig gezeigt. Neben einem Autogipfel zur Stärkung der Wirtschaft wurden Sozialstaat-Reformen angekündigt.

04.09.2025 | 0:25 min

Winkel: Rente mit 63 abschaffen

"Das ist schon ein riesengroßes Problem in Deutschland, dass der Staat in einem demografischen Wandel noch Frühverrentungsprogramme subventioniert. […] Wir müssen die Rente mit 63 entweder abschaffen oder auf diejenigen beschränken, die ein ärztliches Attest haben."

Winkel warnte, das Rentensystem habe ein klares Ablaufdatum: Spätestens ab 2029 drohe der Kollaps. Das lasse sich berechnen und sei keine Frage politischer Meinungen, sondern eine Frage der Mathematik. Ab dann gingen die Staatsfinanzen "bergab" - Lösungen müssten daher in den kommenden dreieinhalb Jahren gefunden werden.

"Wir müssen in diesen Kommissionen Ergebnisse liefern. Ansonsten werden die Einschnitte so brutal […], dass es dann wirklich zu einem Problem kommt. Wir müssen aufpassen, dass das demografische Problem nicht irgendwann zum demokratischen Problem wird."

ines-schwerdtner

Die Linken-Co-Vorsitzende Ines Schwerdtner hält nichts von Einsparungen und Sanktionen beim Bürgergeld und beklagt öffentliche "Mythen" bei diesem Thema. "Die Leute zu sanktionieren und weiter nach unten zu drücken, funktioniert nicht", so Schwerdtner.

03.09.2025 | 5:55 min

Bröcker: SPD und CDU nach nur 120 Tagen vor allem mit Vertragsreiterei beschäftigt

Der Chefredakteur von "Table.Media" Michael Bröcker kritisierte, dass SPD und CDU nach nur 120 Tagen Regierungszeit vor allem damit beschäftigt seien, sich gegenseitig die Einhaltung des Koalitionsvertrags zu versichern. Schon jetzt würden beide Seiten bei nahezu jedem Gespräch betonen, was darin nicht vereinbart sei.

Dann kommen diese großen Reformen, die wir brauchen, wirklich nicht. Und 2029 ist quasi übermorgen.

Michael Bröcker, Chefredakteur von "Table.Media"

Winkel fordert Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers

Winkel hat in diesem Zusammenhang eine ganz klare Forderung an Bundeskanzler Merz: "Wenn die SPD dazu nicht bereit ist, dann muss man eventuell auch mal eine Entscheidung per Richtlinienkompetenz treffen."

Berlin: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wartet vor der Aufzeichnung des ProSieben/Sat.1-Sommerinterviews im Studio am Pariser Platz.

Die Diskussion um die Reform des Sozialstaats geht weiter - auch in der Bevölkerung. Die Sorgen sind groß, wie sich in der Kleinstadt Lüdenscheid in Nordrhein-Westfalen zeigt.

02.09.2025 | 2:35 min

Haßelmann: Betriebsklima bei Schwarz-Rot erinnert an Ampel

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Britta Haßelmann meinte, das derzeitige Betriebsklima zwischen Union und SPD erinnere sie an das Ende der Ampel. Nach 120 Tagen mit Merz an der Spitze zeige die Regierung bereits die Probleme, die der Ampel erst nach dreieinhalb Jahren attestiert worden seien.

Haßelmann erinnerte daran, Merz habe im Wahlkampf angekündigt, zweistellige Milliardenbeträge beim Bürgergeld einsparen zu wollen. Inzwischen spreche er nur noch von zehn Prozent. Angesichts eines Bürgergeld-Etats von rund 50 Milliarden Euro wären das fünf Milliarden - aber auch das sei eine Summe, die aus ihrer Sicht niemals eingespart werde.

Niemals wird diese Regierung und die sie tragende Koalition fünf Milliarden Euro im Bürgergeld einsparen. Ich sage das heute, und ich weiß, dass es so wird.

Britta Haßelmann, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion

Die Grünen-Politikerin erwarte von der Regierung, "dass man nicht mit markigen Sprüchen operiert, sondern dass man sich der Sache einfach mal annimmt und überlegt: "Wie können wir angesichts von drei Millionen Arbeitslosen, diese Menschen vielleicht qualifizieren, weiterbilden, in Arbeit bringen."

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