Umfrage in Hotspots:Nach Merz’ Aussagen zum Stadtbild - ein Stimmungsbild
von Britta Hilpert
Bundeskanzler Merz hat seine "Stadtbild"-Äußerung nach längerer Debatte präzisiert. ZDFheute hat sich in Hamburg, Erfurt und Neumünster umgehört, was die Menschen denken.
Merz` Stadtbild-Äußerungen sorgen für reichlich Diskussionsstoff in Deutschland: Haben verwahrloste Innenstädte mit Migration zu tun? Wir schauen uns Innenstädte an und hören uns um.
25.10.2025 | 6:00 minBahnhofsviertel von Neumünster: Dies ist der Hotspot der Stadt in Schleswig-Holstein, hier gehen manche Bürger ungern, und nachts gar nicht mehr hin - zu viel Kriminalität.
An einem Nachmittag tanzen dort eher ältere Damen und Herren im Freizeitlook auf der Straße Straße Discofox zu "Armed and Dangerous", einem Hit der 1980er. Der Titel ist Zufall, aber er passt. Karl-Peter Weiland lädt zum Tanznachmittag, um den Problemen etwas entgegenzusetzen:
Ich will damit den bösen Jungs signalisieren: Ich habe euch im Auge. Und den Anwohnern zeigen: Ihr werdet nicht allein gelassen.
Karl-Peter Weiland
In den letzten Tagen protestierten Tausende gegen Kanzler Merz' "Stadtbild"-Aussage. Das aktuelle ZDF-Politbarometer zeigt, wie die Bevölkerung zu seiner Äußerung steht.
24.10.2025 | 2:01 minStadtbild-Debatte: Schlechtes Verhalten "hat nichts mit der Herkunft zu tun"
Messerstechereien, Schlägereien, sogar ein Mord erlebte das Viertel. Die Polizei griff stärker durch, die Kriminalität ist inzwischen rückläufig. Doch es bleibt ein Flecken auf dem Stadtbild, es bleibt eine Problemzone - ist hier das "Problem im Stadtbild", von dem Friedrich Merz Anfang der Woche sprach?
Friedrich Merz hat mit seinen Aussagen zum Stadtbild in deutschen Innenstädten für Empörung gesorgt. War das ein unüberlegter Ausrutscher oder bewusst gesetzte Worte?
23.10.2025 | 51:29 min"Es gibt natürlich Leute, die sich nicht gut verhalten", sagt Laura Wegner, eine blonde Mittzwanzigerin. "Aber das hat nichts mit der Herkunft zu tun." Birgit Jürgs, zwei Generationen älter, erzählt von der großen Erstaufnahme in Neumünster: "Natürlich verändert das das Stadtbild. Mich stört das aber nicht, solange ich in Frieden gelassen werde."
Andere, wie Jan Christian Ramm, betonen, dass Integration längst gelingt: "Hier leben viele Migranten, die voll integriert sind. Aber auch sie haben Angst, nachts spazierenzugehen."
Im Bahnhofsviertel leben einige Menschen mit Migrationshintergrund, wie auch Javidan Gasimow, die genau das bestätigen. Er bringt mit seinen Freunden Pizza, Pommes und Nuggets zu den Tanzenden. Denn er hofft auch, dass sich der Ruf des Viertels bessert: "Ich finde es schön, wenn Leute keine Angst haben, dass es sicher ist", sagt er und lacht.
In der Bevölkerung wird die Merz "Stadtbild"-Aussage zur Migrationspolitik kontrovers diskutiert. In Köln und Schwerin haben wir bei den Menschen nachgefragt.
21.10.2025 | 1:49 minErfurter Anger: Kameras sollen für Sicherheit sorgen
Erfurt hat auch einen Hotspot: der Anger, zentraler Platz der Landeshauptstadt. Dort passieren bis zu 2.100 Straftaten jährlich, vor allem Diebstähle und Gewaltdelikte. Seit Kurzem wachen hier Kameras.
Straßenumfrage am Anger in Erfurt.
Quelle: Imago"Ich fühle mich dadurch sicherer, wenn ich nachts nach dem Club nach Hause gehe", sagt Veronika Weber. Renate Thalacker erinnert sich an andere Zeiten: "Überwiegend haben die Frauen Angst vor den Asylanten. Wir kannten das früher nicht. Früher gehörte der Anger uns." Evelyn Reichenbächer sieht es gelassener: "Ich habe mich hier noch nie bedroht gefühlt."
Polizeisprecher Denny Schlee spricht von einer "Gemengelage verschiedener Gruppen". Herkunft oder soziale Hintergründe der Täter nennt er nicht. "Wir wollen zeigen: Wir sehen euch und ahnden Straftaten", begründet er die Kameras. Innenminister Georg Maier betont:
Natürlich haben wir Sicherheitsthemen, die teilweise auch Migranten betreffen. Aber Menschen mit einem bestimmten Aussehen pauschal zu verdächtigen, das geht nicht.
Georg Maier, Thüringens Innenminister
Nach Kritik an seiner Äußerung zu Problemen im "Stadtbild" hat Bundeskanzler Friedrich Merz erstmals genauer erläutert, was er damit meint. "Der Druck war zu groß geworden", so ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Ines Trams.
23.10.2025 | 2:12 minMerz' Präzisierung: "Das hätte er auch direkt so erklären können"
In Hamburg fragten sich Jeremy Debuc und Youssef Ahmed tagelang, ob der Kanzler sie meinte, als er über ein Problem im Stadtbild sprach. Sie sind enttäuscht, dass seine Präzisierung erst Tage später kam. "Das hätte er auch direkt so erklären können. Und nicht erst nach fünf Tagen, wo wirklich jeder im Internet seine Meinung dazu schon abgegeben hat."
Friedrich Merz ist in der Debatte um die "Stadtbild-Aussage" jetzt "sehr präzise geworden". In den vergangenen Tagen riss der Sturm der Empörung nicht ab, so Diana Zimmermann.
22.10.2025 | 2:49 minIm Netz finden sie Kommentare wie: "Wenn ich am Bahnhof stehe, fühle ich mich wie in Kabul" - und Tausende Likes. "Das schockiert mich", sagt Youssef. "Dass so viele hinter solchen Aussagen stehen."
Doch beide sehen auch Posts der Unterstützung - und erst recht privat: "Ich habe eine deutsche Freundin", erzählt Jeremy. "Sie fühlt sich sicher bei mir."
Migrationshintergrund gehört einfach zu Deutschland. Wir sind Deutschland.
Jeremy Debuc
Am Hamburger Jungfernstieg, wo wir uns treffen, kommt es nachts zu Straftaten, Jugendbanden geraten aneinander, Messer werden eingesetzt. "Natürlich benehmen sich manche daneben", sagt Youssef. "Aber ich persönlich versuche, das Bild zu ändern. Wenn ich einer älteren Frau begegne, lächle ich sie an - damit sie sich sicher fühlt."
Die beiden meinen, ein Kanzler habe auch die Aufgabe, ein so diverses Land zusammenzuführen. In der letzten Woche sei das nicht gut gelungen. Sie setzen dem eine Botschaft entgegen: "Wir sind das Stadtbild", sagen sie in unsere Kamera "und nicht das Feindbild."
In einer früheren Version des Artikels wurde die Stadt Neumünster in Niedersachsen verortet. Wir haben den Fehler korrigiert.
Britta Hilpert ist Studioleiterin des Landesstudios Hamburg.
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