"Stadtbild"-Aussage: Politologin kritisiert Merz' Wortwahl

Interview

"Spielt vor allem der AfD in die Hände":"Stadtbild"-Aussage: Politologin kritisiert Merz' Wortwahl

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Mit der "Stadtbild"-Aussage habe Merz weder den Gemeinden noch der Inneren Sicherheit oder der Migrationspolitik geholfen, meint Politologin Jasmin Riedl bei ZDFheute live.

Bundeskanzler Friedrich Merz, im HIntergund ein Bild einer Demonstration

Dass Kanzler Merz seine umstrittene "Stadtbild"-Aussage am Montag bekräftigte, hat die Debatte weiter angeheizt. Bei ZDFheute live diskutiert ein Junge-Union-Mitglied mit einer Merz-Kritikerin.

21.10.2025 | 27:29 min

Nach der umstrittenen "Stadtbild"-Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) heizt sich die Diskussion weiter auf. Auch aus der eigenen Partei kommt Kritik, etwa von Dennis Radtke, dem Vorsitzenden des CDU-Sozialflügels. Im ZDF-Mittagsmagazin erklärte er, es gebe zwar Probleme im Stadtbild, doch viele davon ließen sich nicht allein auf Migration zurückführen. Merz wies Kritik an seiner Aussage zurück. "Ich habe gar nichts zurückzunehmen", sagte er.

Vor der Parteizentrale der CDU in Berlin haben am Dienstagabend erneut Tausende Menschen protestiert. Mehrere Redner kritisierten Merz für seine "Stadtbild"-Aussagen und warfen ihm eine mangelnde Abgrenzung zur AfD vor. Darüber sprach ZDFheute live mit Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin an der Universität der Bundeswehr in München.

“Zahlreiche Demonstranten versammeln sich auf dem Pariser Platz.

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Sehen Sie das Gespräch oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl zu …

… Rassismusvorwürfen und der Abgrenzung zur AfD

Nach der zweitägigen Klausursitzung seiner Partei hat Friedrich Merz seine Abgrenzung zur AfD erneut betont. Die AfD sei "Hauptgegner" der CDU, erklärte er. Seine umstrittene Aussage zum "Stadtbild" wollte er jedoch nicht zurücknehmen.

Damit versuche er, Menschen anzusprechen, die in Fragen der Migrationspolitik und Inneren Sicherheit der AfD zugeneigt seien, sagt Riedl. Merz wolle zeigen, dass auch die Unionsparteien und die Regierung in der Lage seien, diese Themen aufzugreifen und Lösungen anzubieten. Das sei für Merz jedoch eine Gratwanderung.

Mit der Begrifflichkeit des Stadtbildes hat er für jeden etwas individuell Anknüpfbares aufgegriffen. Man weiß nicht genau, was damit gemeint ist, aber anekdotisch hat jeder eine Idee, was damit gemeint sein kann.

Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin

Unweigerlich denke man an eine schicke Einkaufsstraße oder an eine Ecke in der Stadt, die Unsicherheit und Unbehagen auslöst.

Er verbindet dieses Gefühl mit Menschen mit Migrationsgeschichte und migrantischer Kriminalität. Das ist das Problem.

Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin

Das sei auch der Grund, warum Emotionen nun hochkochen und die Debatte so emotional geführt werde, meint Riedl.

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… Konsequenzen seiner Aussagen zu öffentlicher Sicherheit und Migration

Die Forschung sei an dieser Stelle "ganz klar und eindeutig", sagt Riedl.

Immer dann, wenn Narrative von Rechtsaußen - in Deutschland von der AfD - übernommen werden, wenn diese Normalisierung stattfindet, nutzt das immer dem Original.

Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin

Natürlich suchten auch CDU und CSU nach Antworten auf Fragen zu Innerer Sicherheit und Migration, meint Riedl. Merz' Wortwahl lenke jedoch vom Wesentlichen ab und sorge dafür, dass es nicht mehr um die Fakten gehe. In Städten und Gemeinden gebe es Orte, an denen sich Menschen sicher oder unsicher fühlen, Orte mit mehr und weniger Kriminalität.

Aber mit der Entsachlichung des Diskurses, die aktuell stattfindet, hat Merz weder den Kommunen noch Fragen der Inneren Sicherheit noch Fragen der Migrationspolitik einen Gefallen getan, sondern vor allem der AfD in die Hände gespielt.

Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin

dennis-radtke

Das Interview mit Dennis Radtke (Chef des CDU-Sozialflügels) in voller Länge.

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… besserer politischer Kommunikation

Merz winde sich jetzt heraus und lasse absichtlich vieles im Unklaren, sagt Riedl. So vermeide er klare Aussagen, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Das führe laut Riedl dazu, dass sowohl Kritiker seines Kurses und seiner Sprache als auch Befürworter einer harten und migrationsabweisenden Position - einschließlich AfD-naher Wähler - den Eindruck bekämen, die CDU folge den Vorgaben der AfD.

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Merz hätte stattdessen "klarer auf der Sachebene kommunizieren müssen", worum es geht und sich an die Fakten halten sollen, meint Riedl. Natürlich müsse man ein Unsicherheitsgefühl bei den Menschen ernst nehmen, aber zugleich klar benennen, welche konkreten politischen Maßnahmen geplant seien.

Bei einem Sicherheitsgefühl in der Stadt geht es nicht immer nur um Menschen. Es geht auch um Helligkeit, Lichtkonzepte und Begrünung. Das alles spielt eine Rolle für das Sicherheitsempfinden in einer Stadt.

Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin

Laut Riedl unterscheide sich diese Diskussion allerdings grundlegend von der Debatte um Innere Sicherheit und Migrationspolitik.

Das Interview führte Alica Jung. Zusammengefasst hat es Finia Dienst.

Quelle: ZDF, dpa

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