Mehrsprachigkeit und Migration:Experte: Sprachförderung von Kindern stärkt Wirtschaft
von Jenifer Girke
Viele Kinder wachsen mehrsprachig auf. Darauf ist das Bildungssystem nicht genügend ausgerichtet, zeigt der Malteser Migrationsbericht. Das hat Folgen, auch für den Arbeitsmarkt.
In Nordrhein-Westfalen gibt es an einigen Schulen einen hohen Migrationsanteil. Kinder mit Migrationshintergrund rücken bei der Diskussion um den Leistungsabfall in den Fokus. Welche Maßnahmen könnten helfen?
16.10.2025 | 1:59 minMehr als ein Drittel der Schülerinnen und Schüler in Deutschland hat eine Einwanderungsgeschichte, zeigt der aktuelle Malteser Migrationsbericht. An der Regenbogenschule in Duisburg sind es etwa 95 Prozent. Darunter sind Kinder, die hierzulande geboren sind und mit Deutsch aufwachsen. Andere lernen Deutsch als zweite Sprache. Schuldirektor Haris Kondza sagt:
Viele Kinder, wenn die bei uns in die Schule kommen, sprechen teilweise gar kein Deutsch oder nur sehr wenig.
Haris Kondza, Schuldirektor der Regenbogenschule Duisburg Marxloh
Sein Ansatz: Den Kindern Zeit geben. Anstatt sitzenzubleiben und Stoff doppelt lernen zu müssen, können die Schüler in ihrem Tempo lernen: "Viele Kinder verbleiben bei uns auch fünf Jahre. Wenn man nicht nur die Kernkompetenzen vermittelt, sondern auch Sprache, dann dauert das eben lange."
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Was Kondza macht, ist die Ausnahme. Lars Feld, Wirtschaftswissenschaftler und Mitautor des Malteser Migrationsberichts, beobachtet nach wie vor große strukturelle Unterschiede. Chancengleichheit könne so nicht bestehen.
"Dieses Problem der fehlenden Sprachkenntnis zieht sich durch die schulische Ausbildung allein schon dadurch, dass Kinder mit Migrationshintergrund, die die deutsche Sprache weniger gut sprechen, ein Problem haben, auf weiterführende Schulen zu gehen", sagt Feld im ZDFheute-Interview. Sie seien weniger stark präsent an den Gymnasien.
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Die Folge: Viele erlernen nicht den Job, der ihren Fähigkeiten entspricht. So gehe wichtiges Potenzial verloren, was sich Deutschland auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht leisten könne, so Feld.
"Das drückt insgesamt das Wachstumspotenzial, also das Ausmaß, in dem die Wirtschaft wachsen kann", so Feld. Man stehe im Hinblick auf den Arbeitsmarkt vor einem großen demografischen Übergang: "Wir haben mittelfristig nur noch ein Wachstumspotenzial von 0,2 Prozent pro Jahr. Das ist so gut wie Stagnation."
Was man deutlich sagen kann: Wir benötigen Migration, um die demografischen Effekte abzumildern. Ganz eindeutig.
Lars Feld, Wirtschaftswissenschaftler
... hat seit 2010 den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg inne und ist Direktor des Walter-Eucken-Instituts. Seine Forschungsschwerpunkte sind Wirtschaftspolitik, Finanzwissenschaft, Neue Politische Ökonomie und Ökonomische Analyse des Rechts.
Seit 2003 ist Lars P. Feld Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen. Von 2011 bis 2021 war er Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Rat der Wirtschaftsweisen") und war zuletzt von März 2020 bis Februar 2021 dessen Vorsitzender.
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Für bessere Deutschkenntnisse unter Schülern mit Migrationshintergrund müsse man die ganze Familie miteinbinden, sagt NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU), besonders solche mit Fluchterfahrung: "Deswegen ist es uns wichtig, dass wir in Schulen auch Angebote für Eltern machen. Da gibt es Elterncafés, in denen Eltern in der Sprache unterrichtet werden oder wo ihnen Hinweise gegeben werden, was können wir als Eltern zu Hause tun, damit unsere Kinder in der Sprache besser werden."
Davon gebe es aber noch zu wenig, kritisiert Bildungswissenschaftlerin Karima Benbrahim. Außerdem brauche es auch mehr außerschulische Angebote, die das abfangen, was Schulen nicht leisten können. Die Wichtigkeit, die deutsche Sprache zu beherrschen, sei indiskutabel. Gleichzeitig appelliert Benbrahim, es brauche besonders in der Öffentlichkeit eine neue Perspektive auf das Thema Mehrsprachigkeit.
Mehrsprachigkeit ist eine Ressource, die aber als Problem diskutiert wird. Und wir müssen weg von diesem Problem, hin zur Lösung.
Karima Benbrahim, Bildungswissenschaftlerin
... ist Erziehungswissenschaftlerin und Konflikt-Mediatorin. Sie leitet die landesweite Fachstelle Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW (IDA-NRW). Sie ist Mitglied des Unabhängigen Expert_innenkreises Muslimfeindlichkeit des Innenministeriums (UEM) und berät die nordrhein-westfälische Landesregierung. Benbrahim lehrte an der Universität Bielefeld und der Hochschule Koblenz zum Thema rassismuskritische und diversitätsbewusste Bildungsarbeit.
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Jenifer Girke ist Reporterin und Redakteurin im ZDF-Studio Nordrhein-Westfalen.
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