Bürgergeld-"Aufstocker":Wenn der Lohn allein nicht zum Leben reicht
von Stefan Hanf
Mehr als 800.000 Menschen in Deutschland gehen arbeiten und erhalten zusätzlich Bürgergeld vom Staat. Würde es sich für sie lohnen, mehr zu arbeiten?
Arbeitnehmer, deren Einkommen unter dem gesetzlichen Existenzminimum liegt, können mit Bürgergeld aufstocken. Lohnt sich für sie die Mehrarbeit?
03.11.2025 | 3:50 minKateryna Alieksieienko floh vor drei Jahren gemeinsam mit ihrem damals zehnjährigen Sohn vor dem Krieg aus der Ukraine nach Deutschland. In ihrer Heimatstadt Saporischschja war es wegen der russischen Angriffe zu gefährlich geworden.
Flucht vor dem Krieg nach Deutschland
Seither lebt Alieksieienko in Köln-Chorweiler und erhält Bürgergeld vom Jobcenter. Nach Sprach- und Integrationskursen machte sie sich selbstständig auf die Suche nach einem Job - in ihren erlernten Beruf als Führerin von großen Portal- und Auslegerkranen, wie sie etwa in Häfen zum Einsatz kommen, konnte sie vom Jobcenter nicht vermittelt werden, weil es im Großraum Köln keine freien Stellen gab.
Seit Anfang 2025 hat sie nun zum ersten Mal einen festen Job: Alieksieienko arbeitet 25 Stunden pro Woche bei einem Pharmagroßhändler, kommissioniert und verpackt Medikamentenlieferungen für Apotheken. "Ich bin sehr froh, endlich diesen Job zu haben. Das macht mir viel Spaß", sagt sie.
Und außerdem arbeiten dort viele Ukrainerinnen. Mit denen verstehe ich mich gut und kann mich unterhalten.
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12.10.2025 | 4:14 minBürgergeld ergänzt den Lohn
Trotz ihrer Teilzeitarbeit - ganz aus dem Bürgergeldbezug raus sind die 43-Jährige und ihr Sohn noch nicht. 1.700 Euro brutto erhält Alieksieienko von ihrem Arbeitgeber, als Nettolohn bleiben ihr nach Abzug der Sozialabgaben etwa 1.350 Euro netto. Und damit hat sie Anspruch auf Bürgergeld in Höhe von aktuell 668 Euro je Monat.
Die Höhe solcher Ergänzungsleistungen wird individuell für jede Bedarfsgemeinschaft errechnet und kann je nach Wohnort variieren. In Köln wird der Bedarf recht hoch angesetzt - wegen der teuren Mieten.
ZDFheute Infografik
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21.10.2025 | 0:25 minIn Vollzeit raus aus dem Bürgergeld?
Zwei- bis drei Mal im Jahr hat Kateryna Alieksieienko einen Termin im Jobcenter Köln-Chorweiler. Hier werden regelmäßig die Optionen besprochen, die die "Aufstockerin" für die Zukunft hat, Vollzeit arbeiten etwa. Noch gehe das nicht, meint die Ukrainerin:
"Aktuell arbeite ich nur Teilzeit, weil ich alleinerziehende Mutter bin, mein Mann ist in der Ukraine. Ich muss meinem Sohn helfen, ihn unterstützen. Wir sind halt aus einem anderen Land, das ist auch für ihn sehr schwer."
Deshalb brauche ich auch Zeit, die ich mit meinem Kind verbringe - um beim Lernen zu helfen. Und natürlich auch fürs Einkaufen, Putzen und Kochen.
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05.08.2025 | 1:08 minWürde Kateryna Alieksieienko in ihrem jetzigen Job in Vollzeitarbeit wechseln, käme sie auf etwa 2.600 Euro brutto im Monat. Netto blieben ihr nach Steuern und Sozialabgaben rund 1.930 Euro. Und damit hätte sie zwar keinen Anspruch mehr auf Bürgergeld, dafür aber auf Wohngeld, geschätzt 334 Euro. Unterm Strich blieben ihr 2.264 Euro, gerade mal etwa 250 Euro mehr als jetzt mit einer 25-Stunden-Woche.
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Nicht viel für eine Mehrarbeit von 15 Stunden pro Woche. Um die Differenz zwischen Aufstockung durch Bürgergeld und reinem Arbeitseinkommen zu erhöhen, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder Löhne hoch oder staatliche Leistung runter. Und zwar völlig egal, ob sie wie aktuell "Bürgergeld" oder wie demnächst "Neue Grundsicherung" heißt.
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