Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bas:Bürgergeld-Reform: Wenig Einsparungen, aber viel Druck
von Lars Bohnsack
Im Wahlkampf hatte CDU-Chef Merz durch eine Bürgergeld-Reform Einsparungen in Milliardenhöhe versprochen. Nun liegt ein Gesetzentwurf vor. Der dürfte der Union nicht gefallen.
Soll reformiert werden: das Bürgergeld. (Symbolbild)
Quelle: ImagoDie Bundesregierung will das Bürgergeld abschaffen und durch eine neue Grundsicherung ersetzen. Jetzt liegt der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas vor und zeigt: Die vor allem von der Union erhofften Einsparungen bleiben aus. Trotz teils deutlich verschärfter Sanktionen rechnet das Ministerium mit kaum nennenswerten Effekten.
Laut dem Gesetzentwurf, der dem ZDF vorliegt, bringt die Reform im kommenden Jahr gerade mal 86 Millionen Euro Einsparungen. Bei Gesamtausgaben von wahrscheinlich 52 Milliarden Euro für das Bürgergeld, oder die Grundsicherung, wie sie ab nächstem Jahr heißen soll.
Mit dem Bürgergeld wollte die SPD einst ihr Hartz-IV-Trauma überwinden. Nun räumen es die Sozialdemokraten wieder ab und beschließen harte Sanktionen. Die SPD-Linke ist entsetzt.
12.10.2025 | 4:14 min2027 sinkt der Effekt weiter, da sollen es nur noch 69 Millionen Euro sein, und ab 2028 rechnet die Arbeitsministerin sogar mit Mehrkosten. Damit macht Bas noch einmal deutlich: Durch härtere Sanktionen kommen kaum mehr Menschen in Arbeit. Bereits nach dem Koalitionsausschuss letzte Woche hatte die Arbeitsministerin vorgerechnet, dass der Spareffekt sehr klein sein werde, weniger als 0,2 Prozent der bisherigen Ausgaben.
Bürgergeld: Merz versprach zehn Milliarden Euro Einsparung
Die Union dürfte damit nicht glücklich sein, hatte sie doch versprochen, durch einen härteren Durchgriff beim Bürgergeld Milliarden zu sparen. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte im Wahlkampf zehn Milliarden Euro versprochen, nach der Wahl noch fünf Milliarden und sein Generalsekretär sagte noch in der vorletzten Sendung berlin direkt: "Es sind sehr viele Milliarden, da bin ich mir ganz sicher." Unsicher ist jetzt allerdings, wie die Union auf die Zahlen reagieren wird.
Laut SPD-Chefiin Bärbel Bas sind 800.000 Empfänger des Bürgergelds arbeitsfähig. Pro 100.000 Menschen, die in Arbeit kämen, könnte eine Milliarde Euro eingespart werden, so Bas.
12.10.2025 | 5:51 minEins stellt der Gesetzentwurf klar: "Voraussetzung für echte Einsparungen ist eine konjunkturelle Belebung". Dazu kommt allerdings: Zwei Drittel der Menschen im Bürgergeldbezug haben keine Ausbildung oder andere Vermittlungshemmnisse. Sanktionen allein dürften da nicht weiterhelfen.
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Schwarz-Rot setzt auf "fördern und fordern"
Ein Kernelement der Reform, die wieder mehr in Richtung "fördern und fordern" geht, sind deutlich verschärfte Sanktionen. Wer einen Termin unentschuldigt verpasst, dem kann künftig sofort 30 Prozent der Grundsicherung gestrichen werden.
Wer regelmäßig Termine verpasst oder sich wiederholt weigert, mit dem Jobcenter zu kooperieren oder sich gar nicht mehr meldet, der soll künftig gar keine Leistungen mehr bekommen, auch nicht für die Miete. Bis er wieder kooperiert.
Kranke und insbesondere psychisch Kranke allerdings sollen von vollständigen Streichungen ausgenommen werden.
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Yasmin Fahimi, Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sagt, der Fokus auf die Grundsicherung sei verschoben. Es sei nicht wahr, dass es "massenhaften" Missbrauch beim Bürgergeld gebe.
10.10.2025 | 4:05 minUnion und SPD hatten sich darauf geeinigt, dass wie bei Hartz IV wieder der Vermittlungsvorrang gelten soll, das heißt, dass die Jobcenter wieder vorrangig in Jobs vermitteln. Der Gesetzentwurf sieht jetzt einen Mittelweg zwischen Hartz IV und Bürgergeld vor: Die Jobcenter sollen selber entscheiden, ob eine schnelle Vermittlung oder eine Qualifizierung langfristig sinnvoller ist.
Karenzzeit für Wohnkosten bleibt
Gespart wird auch beim Schonvermögen (Vermögen einer Person, das nicht aufgebraucht werden muss, um Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, Anm. d. Red.). Künftig soll es zwar Freibeträge geben, aber gestaffelt nach dem Alter und deutlich reduziert - für unter 21-Jährige bis zu 5.000 Euro, bis zu 15.000 Euro für über 50-Jährige. Die einjährige Karenzzeit für die Wohnkosten bleibt. Danach aber darf die Miete das anderthalbfache der örtlichen Angemessenheitsgrenze nicht überschreiten.
Schon Hartz IV habe gezeigt, dass Sanktionen nichts bringen, sagt Juso-Chef Philipp Türmer. Die neue Grundsicherung sei so auch nicht verfassungsgemäß. "Karlsruhe reibt sich da schon die Hände."
10.10.2025 | 3:58 minDen Kommunen soll es ermöglicht werden, eine "Quadratmeterhöchstgrenze" festzulegen, um Mietwucher in Form von überteuerten Kleinstwohnungen, den sogenannten Schrottimmobilien, zu verhindern. Schwarzarbeit soll künftig sofort vom Zoll direkt an die Jobcenter gemeldet werden.
Unklar, ob Reform mehr Menschen in Arbeit bringt
Wie zufrieden die Union mit dem Entwurf der Arbeitsministerin sein wird und welche Veränderungen noch im Gesetzgebungsverfahren vorgenommen werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Denn die Grundsicherung bringt deutlich mehr Druck auf die Leistungsbezieher, aber kaum finanzielle Entlastung für den Staat.
Die Reform setzt auf einen Mix aus Sanktionen, Eigenverantwortung und Förderung. Ob sie tatsächlich mehr Menschen in Arbeit bringt, hängt aber vor allem von der konjunkturellen Situation und damit von der Lage am Arbeitsmarkt ab.
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