Debatte um Grundsicherung:Bürgergeld: Wer es bekommt, was es kostet
Das Bürgergeld ist viel diskutiert - so auch in der aktuellen Haushaltsdebatte. Kosten, Anreize und Sanktionen stehen dabei im Fokus. Was Fachleute und Statistiken dazu sagen.
Wer einmal Bürgergeld bezieht, kommt oft nicht wieder davon weg. Welche Schwachstellen gibt es im System?
12.08.2025 | 43:38 minMenschen aus der Grundsicherung auf "eigene Füße" stellen und in den Arbeitsmarkt integrieren: Das ist laut Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) Ziel der schwarz-roten Koalition. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und sie hätten das Thema zur "Chef- und Chefinnensache gemacht", sagte Bas in der Haushaltsdebatte im Bundestag am Freitag. Ein Gesetzentwurf zu einer Reform des Bürgergelds sei über die Sommerpause erarbeitet worden.
Merz hatte noch Anfang September angekündigt, rund zehn Prozent der Kosten fürs Bürgergeld einsparen zu wollen. Neben den Kosten dreht sich die Debatte um die Grundsicherung auch immer wieder um fehlende Arbeitsanreize und mögliche Einflüsse der Höhe des Bürgergelds in Deutschland auf Zuwanderung.
Wie steht es aktuell um das Bürgergeldsystem? ZDFheute hat sich dazu sechs Aspekte angeschaut.
Wie viele Menschen bekommen Bürgergeld?
Im August 2025 bekamen 5,3 Millionen Menschen die Grundsicherung. Dazu zählen 1,4 Millionen nicht erwerbsfähige Beziehende, hauptsächlich Kinder unter 15 Jahren, sowie 3,9 Millionen Erwerbsfähige. Als erwerbsfähig gilt, wer mindestens drei Stunden pro Tag arbeiten kann.
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Wer bekommt Bürgergeld?
Auch unter den erwerbsfähigen Beziehenden sind nicht alle arbeitslos: Einige befinden sich im Studium oder in Arbeitsmaßnahmen, andere sind erwerbstätig und stocken ihren Lohn mit Bürgergeld auf.
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Dr. Kerstin Bruckmeier, Expertin vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, verweist zudem auf verschiedene Probleme, die Beziehende an der Aufnahme von Arbeit hemmen.
Viele Menschen im Bürgergeldbezug haben gesundheitliche Einschränkungen, einigen fehlt es an einer Berufsausbildung, an Deutschkenntnissen oder Kinderbetreuung. Nur eine kleine Gruppe hat keines dieser Hemmnisse für den Arbeitsmarkt.
Dr. Kerstin Bruckmeier, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Welche Teile der Bevölkerung auf Bürgergeld angewiesen sind, unterscheidet sich teils deutlich nach Region.
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Welchen Einfluss hat das Bürgergeld auf Zuwanderung?
Auch Migration ist Thema der Debatte um die Grundsicherung. Zuletzt waren unter den erwerbsfähigen Beziehenden von Bürgergeld etwa 53 Prozent Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit sowie 47 Prozent ohne deutsche Staatsangehörigkeit.
Warum ist der Anteil der Beziehenden ohne deutsche Staatsangehörigkeit vergleichsweise hoch? Dr. Yvonne Giesing, Expertin für Migration und Entwicklungsökonomik des ifo-Instituts, erklärt dazu: "Integration in den Arbeitsmarkt braucht Zeit." Insbesondere Sprachbarrieren und Anerkennung von Abschlüssen spielten hierbei eine Rolle.
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Welchen Einfluss Sozialleistungen auf Zuwanderung haben, untersuchte Giesing jüngst am Beispiel ukrainischer Geflüchteter. Dabei zeigte sich: Ein gutes Lohnniveau war den ukrainischen Befragten der Studie bei der Wahl des Ziellandes fast vier Mal so wichtig wie Sozialleistungen.
Sozialleistungen sind bei weitem nicht so wichtig wie Jobmöglichkeiten und Löhne.
Dr. Yvonne Giesing, stellvertretende Leiterin des ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik
Wie häufig wird das Bürgergeld gekürzt?
Ein weiterer Diskussionspunkt in der Debatte rund ums Bürgergeld: Sanktionen bei Pflichtverletzungen. Die Mehrheit der Beziehenden kommt mit diesen nicht in Berührung: Im Jahresdurchschnitt 2024 waren 0,7 Prozent der erwerbsfähigen Beziehenden (27.400) von einer Leistungsminderung betroffen.
Insgesamt wurden im letzten Jahr 369.200 solcher Minderungen ausgesprochen, die große Mehrheit davon wegen verpassten Terminen. Verweigerte Arbeit führte in 23.400 Fällen zu Kürzungen. Eine Statistik zum wiederholten Ablehnen von Arbeit gibt es nicht.
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Lohnt es sich, zu arbeiten?
"Wenn man arbeitet, liegt das Nettoeinkommen immer höher, als wenn man ausschließlich Bürgergeld bezieht", so Bruckmeier. Allerdings gelte dies nur, wenn bei geringem Einkommen auch ergänzende Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag bezogen würden.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat dies für verschiedene Haushalte vorgerechnet:
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In der Debatte geht es laut Arbeitsmarkt-Expertin Bruckmeier jedoch weniger darum, ob sich Arbeit überhaupt lohnt - und vielmehr darum, ob sich die Ausweitung von Arbeit rechnet. Dabei gebe es Verbesserungsbedarf:
Bei gewissen Einkommen bedeutet ein Euro brutto mehr beispielsweise nur 20 Cent netto mehr.
Dr. Kerstin Bruckmeier, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Ob sich das dann für die jeweilige Person lohne, sei fraglich.
Wie viel kostet das Bürgergeld?
Rund 51,7 Milliarden Euro aus dem Haushalt flossen 2024 in die Grundsicherung für Arbeitssuchende, darunter neben den Ausgaben für Regelsätze und Unterkunft auch Kosten für Verwaltung und Eingliederungsmaßnahmen. Zehn Jahre zuvor waren es für das Arbeitslosengeld II noch 32 Milliarden Euro.
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Doch gestiegen sind nicht nur die Kosten der Grundsicherung - auch der Haushalt als Ganzes ist gewachsen. Gemessen am Haushalt gab der Bund 2024 etwa so viel für das Bürgergeld aus wie 2014 für das Arbeitslosengeld II.
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Für 2025 ist mit rund 52 Milliarden Euro ein etwas geringerer Teil des Haushalts für die Grundsicherung vorgesehen. 2026 sollen die Ausgaben nicht nur bemessen am Haushalt sinken: Nach aktuellem Entwurf sind rund 51 Milliarden eingeplant.
Redaktion: David Metzmacher, Kathrin Wolff
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