Bürgergeld-Reform: Empfänger kritisiert geplante Grundsicherung

"Wir sind keine Schmarotzer":Bürgergeld-Empfänger: Regierung unchristlich und unanständig

von Cengiz Ünal

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Sozialverbände warnen davor, dass die Politik mit der Neuen Grundsicherung die Ärmsten bestraft. Einer, der das hautnah erlebt, ist Thomas Wasilewski aus Mönchengladbach.

Eine Hand hält Stempel mit Aufschrift "Grundsicherung" vor einigen Geldscheinen.

Durch strengere Regeln und Sanktionen sollen durch die Grundsicherung Milliarden eingespart werden. (Symbolbild)

Quelle: action press

Er ist 62 Jahre alt und Bürgergeld-Empfänger. Früher hat Thomas Wasilewski selbst Langzeit-Arbeitslosen eine Ausbildung vermittelt, dann wurde er krank. Das Bild vom faulen Nichtstuer ist für Wasilewski ein Schlag ins Gesicht.

"Bürgergeld-Empfänger als Faulpelze, Schmarotzer zu bezeichnen, entmenschlicht eine ganz große Personengruppe. Das ist sehr unchristlich und auch unanständig von der aktuellen Regierung", kritisiert der dreifache Familienvater aus Mönchengladbach.

Neue Grundsicherung mit alten Problemen

Im kommenden Jahr soll das Bürgergeld überarbeitet werden - laut Bundesregierung, um Anreize zu stärken. Grundsicherung heißt es dann. Wer Termine beim Jobcenter nicht wahrnimmt oder Pflichten verletzt, dem drohen künftig schnellere und härtere Sanktionen. Wasilewski sieht darin eine gefährliche Entwicklung: "Man sollte sich mal auf die konzentrieren, die Hilfe brauchen und nicht immer nur auf die schauen, die irgendetwas falsch machen, weil sie irgendein Problem in ihrer Biografie haben."

Pressekonferenz der Regierung

Wer sich weigert, eine Arbeit aufzunehmen, oder nicht zu Terminen im Jobcenter erscheint, soll künftig härter sanktioniert werden. Was steckt hinter der geplanten Grundsicherung?

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Auch Wohlfahrtsverbände und Sozialforscher warnen: Die Reform könnte das Gegenteil dessen bewirken, was sie verspricht. Statt Menschen zu motivieren, bringe sie viele in noch größere Not.

Butterwegge: System begünstigt Reichtum und verfestigt Armut

Rund ein Sechstel der Bevölkerung (15,5 Prozent) war im vergangenen Jahr von Armut gefährdet. Sie haben weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland. Für eine Einzelperson sind das durchschnittlich weniger als 1.378 Euro im Monat. Für eine Familie mit zwei Kindern weniger als 2.893 Euro.

 Ein Mensch bittet um finanzielle Hilfe «für Essen» in der weihnachtlich dekorierten Mönckebergstraße.

In Deutschland gelten laut dem Armutsbericht des paritätischen Wohlfahrtverbandes wieder mehr Menschen als arm. Gefährdet sind junge Erwachsene, Rentner sowie Alleinerziehende.

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Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit sozialer Ungleichheit. Für ihn ist die geplante Reform ein Rückschritt: "Wir haben ein System, das Reichtum begünstigt und Armut verfestigt", sagt Butterwegge. "Wenn man bei den Schwächsten kürzt, spart man am falschen Ende." Er kritisiert, dass die Bundesregierung vor allem auf Kontrolle und Sanktionen setzt, statt auf Bildung, faire Löhne und bezahlbaren Wohnraum.

Die Ursache für Armut sieht Butterwegge in politischen Entscheidungen: Der Niedriglohnsektor sei das Haupteinfallstor für Armut in Deutschland. Dann gebe es heimliche Leistungskürzungen im Sozialbereich: "Ich denke daran, dass das Bürgergeld weder in diesem noch im nächsten Jahr erhöht wird, das heißt wenn die Menschen im Transferleistungsbezug merken, dass die Preise im Supermarkt steigen, sie aber nicht mehr Geld im Portmonee haben, dann heißt das auch Armut."

Mann mit schwarzem Hoodie sitzt vor einem Gebäude mit "jobcenter"-Schriftzug

Jobcenter vermitteln kaum noch in Arbeit. Wer einmal Bürgergeld bezieht, kommt oft nicht wieder davon weg. Die Dokumentation zeigt die Schwachstellen im System und den Sozialstaat am Limit.

12.08.2025 | 43:38 min

Nationale Armutskonferenz will gerechtere Grundsicherung

Auch die Nationale Armutskonferenz (6. bis 8. November) will in Berlin Forderungen an die Politik übergeben. Im Mittelpunkt: eine gerechtere Grundsicherung, die den Namen verdient, und ein Ende der pauschalen Stigmatisierung.

Für Wasilewski sind solche Konferenzen ein wichtiges Signal. Er nimmt daran teil, möchte mit Bundestagsabgeordneten und Wohlfahrtsverbänden über seine Situation sprechen. Der 62-Jährige hofft, dass sich der Blick auf Menschen wie ihn verändert. Am Ende geht es nicht nur ums Geld, sondern um Würde.

Cengiz Ünal ist berichtet aus dem ZDF-Studio in Düsseldorf.

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