"Brandmauer" zur AfD: Wirtschaftsverbände diskutieren Verhältnis

Kritiker warnen vor Normalisierung:Wirtschaftsverbände diskutieren Verhältnis zur AfD

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Zwischen Annäherung und Ablehnung: Wirtschaftsverbände ringen um ihren Kurs zur AfD. Der Familienunternehmerverband öffnet sich erstmals für Gespräche – das stößt auch auf Kritik.

Berlin: Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Wirtschaftsverbands Die Familienunternehmer, spricht bei einer Veranstaltung des Verbands Familienunternehmer.

Das "Kontaktverbot" zur AfD wurde aufgehoben, sagte Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Familienunternehmerverbands, dem "Handelsblatt".

Quelle: dpa

Erste Wirtschaftsverbände in Deutschland überdenken ihren Umgang mit der AfD. Der Verband der Familienunternehmer bestätigte gegenüber dem "Handelsblatt" vom Montag, er habe seine bisherige Brandmauer-Strategie aufgegeben und AfD-Bundestagsabgeordnete zu einer Veranstaltung eingeladen.

Eine Diskussion über die Frage gibt es auch im Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW). Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) will seinerseits weiter zur AfD auf Distanz bleiben.

Familienunternehmerverband hebt "Kontaktverbot" auf

Im Oktober hatte der Verband der Familienunternehmer zu seinem Parlamentarischen Abend in Berlin erstmals AfD-Vertreter eingeladen. Dafür habe der Verband ein bis dahin auf Bundesebene geltendes "Kontaktverbot" aufgehoben, sagte Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann dem "Handelsblatt".

Im Kern geht es um die Interpretation, was die Brandmauer zur AfD überhaupt ist beziehungsweise was sie bezwecken soll.

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Familienunternehmerverbands

"Für uns war die Brandmauer eine totale Isolation der AfD", die so weit ging, "dass wir AfD-Bundestagsabgeordnete prinzipiell nicht einluden", erläuterte Ostermann den Kurswechsel weiter. In den Landesbereichen habe es hingegen schon bisher "diese Art der Brandmauer noch nie gegeben".

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Die Stimmen der AfD seien beim Votum über das EU-Lieferkettengesetz "irrelevant" gewesen, so der Fraktionsvorsitzende der EVP, Manfred Weber. Er übt Kritik an den Sozialdemokraten.

14.11.2025 | 4:15 min

Verband will AfD inhaltlich stellen

Es sei notwendig, die Partei auf inhaltlicher Ebene zu stellen. Die Sehnsucht nach ihr könnte demnach verfliegen, wenn deutlich gemacht werde, dass AfD-Politiker unterhalb "toller Überschriften" oft "inhaltlich blank oder widersprüchlich" seien. Das zeige sich aber nur im direkten Austausch.

Ähnlich hatte sich Verbandshauptgeschäftsführer Albrecht von der Hagen vor ein paar Tagen bei "The Pioneer" geäußert, die Brandmauer habe nichts gebracht.

In den Fachaustausch gehen wir jetzt mit ihnen, um ihnen aufzuzeigen: Mit der Wirtschaftspolitik, die sie bisher in ihrem Programm haben, würden wir alle einen phänomenalen Schiffbruch erleiden.

Albrecht von der Hagen, Verbandshauptgeschäftsführer

AfD begrüßt das Vorgehen des Verbands

Der Begriff "Brandmauer" wurde bisher insbesondere für den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU zur AfD verwendet. Er lehnt "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften Partei ab.

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20.10.2025 | 2:52 min

Der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Leif-Erik Holm, begrüßte das Vorgehen des Verbands. Dem "Handelsblatt" sagte er:

Die strukturellen Probleme unseres Landes sind einfach zu groß, als dass man sich mit unsinnigen Brandmauern aufhalten könnte.

Leif-Erik Holm, AfD-Bundestagsabgeordneter

Kritik von der SPD an Entscheidung

Scharfe Kritik kam aus der SPD: Eine Partei, die als "gesichert rechtsextrem" eingestuft sei, könne kein normaler Gesprächspartner sein, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Roloff, dem "Handelsblatt".

Nur weil gerade viele Menschen, auch aus Frust gegenüber anderen Parteien, der AfD ihre Stimme geben, ist das kein Grund für eine Normalisierung.

Sebastian Roloff, SPD-Bundestagsabgeordneter

BDI hat Einschätzung zur AfD nicht geändert

Die Entscheidung zur Einladung von AfD-Bundestagsabgeordneten führte für den Verband laut "Handelsblatt" bereits zu Konsequenzen. Die Deutsche Bank kündigte demnach für die Parlamentarische Versammlung angemietete Räumlichkeiten in ihrer Berliner Repräsentanz. Dort hatte auch das diesjährige Treffen im Oktober stattgefunden.

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Die AfD sei eine Art Fieberthermometer der Gesellschaft, sagt Manuel Hagel, Parteichef der CDU in Baden-Württemberg. Man müsse die Probleme angehen, die die AfD stark machten.

20.10.2025 | 6:42 min

Die Einschätzung des Industrieverbands BDI zur AfD und dem Umgang mit der Partei habe sich "in den vergangenen Monaten nicht geändert", erklärte ein Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP.

Der BDI hat sich wiederholt kritisch zu den Positionen der AfD und anderer radikaler Parteien geäußert. Wir suchen nicht proaktiv den Austausch mit Vertretern von radikalen Parteien wie der AfD.

Industrieverband BDI

Der Erfolg der deutschen Industrie basiere "auf stabilen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen", betonte der BDI-Sprecher. Diese versuche die AfD "mit ihren populistischen Positionen zu erschüttern".

BVMW-Verband will eigene Position erarbeiten

Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) verwies gegenüber dem "Handelsblatt" auf die hohen Umfrage- und Wahlergebnisse für die AfD.

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Diese "sprechen derzeit nicht dafür, dass die Strategie der Brandmauer erfolgreich funktioniert hat", sagte Bundesgeschäftsführer Christoph Ahlhaus. Er berichtet von einer "lebhaften" Debatte in der mittelständischen Wirtschaft über die AfD.

Sein Verband werde sich dazu "nicht wegducken und in seinen Gremien zeitnah eine Position erarbeiten", sagte Ahlhaus. Auf regionaler Ebene hätten in der Vergangenheit AfD-Vertreter "vereinzelt an Veranstaltungen des BVMW teilgenommen".

Quelle: dpa, AFP
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