ZDF frontal: Soll Frauenfußball sein eigenes Ding machen?

Trotz Boom wenig Finanzkraft:Soll Frauenfußball sein eigenes Ding machen?

von Malte Möller
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Der Frauenfußball erlebt einen Hype - und zugleich große Herausforderungen. Viele sehen die Lösung darin, sich vom Männersport abzugrenzen. ZDF frontal über mögliche neue Wege.

Nico Heymer mit Ball in der Hand am Spielfeldrand mit Silhouette einer Fußballspielerin im Hintergrund
Der zunehmende Erfolg spricht für sich: Warum der Frauenfußball dennoch aus dem Schatten der Männer treten und künftig seinen eigenen Weg gehen sollte, zeigt Nico Heymer – und nennt drei Gründe.02.07.2025 | 11:17 min
Die Frauen-EM 2025 feiert ihren Auftakt - hat aber schon vor Beginn die ersten Erfolge verzeichnet. Mehr als 600.000 Tickets waren in den Tagen vor dem Eröffnungsspiel verkauft worden. Ein neuer Rekord.

Boom im Frauenfußball mit schwacher Wirkung

Das ist ein weiteres Zeichen für den Boom, den der Frauenfußball seit Jahren erlebt. Doch trotz des Erfolgs sieht es auf dem Papier für den Frauenfußball häufig nicht gut aus.
Die deutschen Fußballerinnen beim Torjubel
Im letzten Spiel vor der EM haben die deutschen Fußballerinnen in der Nations League in Österreich mit 6:0 gewonnen.03.06.2025 | 7:22 min
Viele der Frauen-Teams können nicht kostendeckend arbeiten, sondern werden von den Männerabteilungen querfinanziert. Auch die Trainingsbedingungen sind oftmals deutlich schlechter als bei den Männern.
Es müssen also Lösungen her. Die sehen viele vor allem darin, den Frauenfußball als eigene Marke zu etablieren.
Jessica Stommel, Sportökonomin bei "Sportfive"
Sportökonomin Jessica Stommel: "Fußball neu denken."
Quelle: ZDF

Jessica Stommel ist Sportökonomin bei "Sportfive" und dort für die Vermarktung von Frauenfußball zuständig. Im Gespräch mit ZDF frontal sagt sie:

Der Frauenfußball hat die Chance und das Potenzial. Und das ist auch die unfassbar große Stärke, den Fußball neu zu denken, neu zu schreiben.

Jessica Stommel, Sportökonomin

Fußballerin Sara Däbritz
108 Länderspiele und neun Turniere mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft - Sara Däbritz ist die erfahrenste Spielerin der DFB-Auswahl für die anstehende EM in der Schweiz.24.06.2025 | 1:53 min

Wie sich Frauen- von Männerfußball abgrenzen kann

Auch die Sportjournalistin Lena Cassel sieht eine große Chance für den Frauenfußball, wenn er sich vom Männerfußball abgrenzt: "Du findest eine viel diversere Fanlandschaft. (…) Ein Gegenentwurf für ganz, ganz viele Fans, die sagen, Männerfußball in der Form spricht mich überhaupt nicht mehr an, ich gehe eher zu den Frauen, weil da ist noch etwas von diesem guten alten Fußball übrig, der eben nicht durchkommerzialisiert ist."
Aber man verspricht sich nicht nur ein authentischeres Fußballerlebnis von einer Abgrenzung vom Männerfußball - sondern man hofft auch auf höhere Einnahmen durch neue Fans. "Frauen machen die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus. Und de facto ist es aber auch so, dass diese Zielgruppe bisher mit dem Sportsponsoring nicht angesprochen wurde", sagt Jessica Stommel:

Das bietet ja eben auch das Potenzial, genau für Unternehmen diese kaufkräftige Zielgruppe mit anzusprechen.

Jessica Stommel, Sportökonomin

Torhüterin Ann-Katrin Berger
Ann-Katrin Berger hält professionell Bälle - derzeit bei Gotham FC. Bei der EM steht sie im DFB-Tor. Die 34-Jährige hat zwei Mal den Krebs besiegt und genießt ihr Leben in den USA.17.06.2025 | 2:41 min

Mehr Fans, mehr Einnahmen

Für das große wirtschaftliche Potenzial einer eigenen "Marke" Frauenfußball spricht auch eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey. Die kommt darin zu dem Schluss, dass sich "erfolgreiche Ligen und Organisationen im Frauenfußball [...] bewusst als eigenständige Marke" positionieren, "um sich klar vom Männerfußball abzuheben".

Nach dem tragischen Tod des portugiesischen Nationalspielers Diogo Jota wird es bei vier Spielen der Frauen-EM in der Schweiz eine Gedenkminute geben. Damit wird Jota auch vor dem Auftaktspiel der DFB-Frauen am Freitag (21.00 Uhr/ARD) in St. Gallen gegen Polen gedacht.

Das gilt auch für die Spiele Belgien - Italien, Spanien - Portugal (beide Donnerstag) und Dänemark - Schweden (Freitag). Jota ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Der Stürmer des FC Liverpool wurde nur 28 Jahre alt und hinterlässt seine Ehefrau Rute Cardoso, die er erst vor anderthalb Wochen geheiratet hatte, und drei Kinder. Bei dem Unfall starb auch sein Bruder André Silva (25).

Dies sei "der Schlüssel, um neue Fangruppen zu erreichen, bestehende Fans zu binden und gesellschaftlich an Relevanz zu gewinnen". Mehr Fans heißt auch mehr Einnahmen.
Lena Cassel bei "Markus Lanz" am 19.06.2024
Sportjournalistin Lena Cassel sieht große Chancen für den Frauenfußball, wenn er sich vom Männerfußball abgrenzt.
Quelle: ZDF | Cornelia Lehmann

Damit könnte sich der Frauenfußball weiter professionalisieren. Sportökonomin Jessica Stommel sagt: "Man muss im Hinterkopf behalten, dass lange nicht alle Spielerinnen professionelle Verträge haben. In der aktuellen Saison verdienen 62 Prozent aller Bundesligisten, die Spielerinnen, weniger als 3.000 Euro brutto monatlich. Die müssen die Woche nebenbei arbeiten."

Das ist eine unfassbar hohe Belastung, und wir müssen einfach den Spielerinnen bessere Bedingungen bieten.

Jessica Stommel, Sportökonomin

Für bessere Bedingungen kämpft der Frauenfußball seit Langem. Zwischenzeitlich stand sogar eine Abspaltung vom DFB zur Debatte. Die ist mittlerweile vom Tisch. Zusammen mit dem DFB wollen die Vereine eine Strategie entwickeln, wie der Frauenfußball besser vermarktet werden kann.
Bayern Münchens Linda Sembrant, Jovana Damnjanovi, Maria Luisa Grohs und Giulia Gwinn jubeln nach der Partie.
Die Klubs der Frauen-Bundesliga wollen weg vom DFB und sich selbst vermarkten. Nach ZDF-Informationen haben die Klubs schon eine Agentur beauftragt.20.09.2024 | 3:36 min
Gegenüber ZDF frontal spricht der DFB von einem breit aufgestellten Wachstumsplan: "Von den sportbezogenen Rahmenbedingungen für Spielerinnen über eine strukturierte Nachwuchsförderung und Stadioninfrastruktur bis zu Maßnahmen rund um das Medienprodukt und gezielte Marketingaktivitäten."
Die Rekordverkäufe der Tickets für die Frauen-EM 2025 sprechen dafür, dass der Hype um den Frauenfußball weitergeht. Ob dieser die gute Stimmung der Fans auch für sich nutzen kann, wird sich zeigen.

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