Analyse zum 1:4 gegen Schweden:Die Lektion vom Letzigrund für die DFB-Frauen
von Frank Hellmann, Zürich
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Nach der höchsten Niederlage der EM-Geschichte herrscht Alarmstufe Rot bei den deutschen Fußballerinnen. Bundestrainer Christian Wück muss seinen riskanten Ansatz überdenken.
Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft hat das letzte Spiel in Gruppe C verloren. Gegen Schweden kosteten vor allem Abwehrfehler in der ersten Halbzeit die Chance auf den Sieg.
12.07.2025 | 7:07 min
Es hat die deutschen Fans wirklich geehrt, die durch das Stadion Letzigrund schwappende La Ola nicht brechen zu wollen. Als die unter lautem Gejohle in der schwedischen Kurve angestoßene Welle ihre Runden machte, hoben auch jene Anhänger hinter den sorgsam gespannten Bannern mit der Aufschrift Winterlingen, Hotzenwald, Hebeldorf oder Harzburg brav die Hände.
"Wir liegen jetzt am Boden, wir werden aber auch wieder aufstehen", sagte Bundestrainer Christian Wück, dem sein Matchplan krachend um die Ohren geflogen war. Der achtfache Europameister kassierte nicht nur die höchste Niederlage der EM-Geschichte, sondern auch die erste Rote Karte bei einem solchen Turnier.
Carlotta Wamsers Hinausstellung (31.) erklärte jedoch die Anfälligkeit für Gegenstöße. Ein Kardinalproblem seit der Amtsübernahme des früheren Nachwuchstrainers, dass Ballverluste wie ein Bumerang im australischen Busch auf deutsche Fußballerinnen zurückfliegen.
"Es gab eine Aneinanderreihung von Verhaltensweisen, die nicht gut waren - daran müssen wir arbeiten", sagte Wück und schob schmallippig nach:
Das Ziel war nicht, vier Tore zu bekommen.
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Bundestrainer Christian Wück
Beim Ansatz des 52-Jährige spielt (zu) viel Risiko mit. Erstmals formulierten auch Führungsspielerinnen klare Kritik.
Der Gegner hat den besseren Plan
"Schweden macht natürlich auch seine Hausaufgaben. Wir haben uns manchmal zu sehr rausziehen lassen", erklärte die verunsichert wirkende Torhüterin Ann-Katrin Berger. "Wir müssen einfach geduldiger sein - und wenn wir ausrücken, kompakt zustellen. Das sind Fehler, die uns im Viertelfinale nicht passieren dürfen."
Auch Ersatzkapitänin Janina Minge sprach von vermeidbaren Genickschlägen. "Die Gegentore haben uns gekillt. Die Schwedinnen haben es clever gemacht, haben die Seite überladen - und wir wussten nicht so recht, wie wir es machen sollten. Jeder weiß mittlerweile, dass wir hinten sehr riskant spielen", erläuterte die Abwehrchefin, die mit ihrer missglückten Ballannahme das 1:1 von Stina Blackstenius (12.) eingeleitet hatte.
Rebecca Knaak mit dem Tempo überfordert
Ihre Klubkollegin Sarai Linder vom VfL Wolfsburg verschuldete mit ihrer unglücklichen Rettungsaktion das 1:2 von Smilla Holmberg (25.). Und dann wollte Aushilfsverteidigerin Carlotta Wamser mit einem Handspiel auf der Linie ausbügeln, was bei den Auflösungserscheinungen nicht mehr zu retten war. Fridolina Rölfö schob den Strafstoß locker ein (34.).
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Als Lina Hurtig später mühelos auf 4:1 erhöhte (80.), war die mit dem Tempo schlicht überforderte Innenverteidigerin Rebecca Knaak bereits erlöst worden, weil Wück mit Kathrin Hendrich eine Dreierkette bastelte. Nichts illustrierte die Abwehrprobleme besser als dieses Provisorium. Der Bundestrainer mahnte zwar an, jetzt bitte nicht "einzelne Mannschaftsteile zu beschuldigen", aber es braucht dringend personelle und taktische Anpassungen für eine bessere Absicherung bereits im Mittelfeld.
Verzicht auf eine Spielmacherin ist eine Option
Der Verzicht auf eine Spielmacherin - Laura Freigang blieb bis auf die Einleitung des 1:0 von Jule Brand (7.) unsichtbar und zur Pause in der Kabine - wäre eine Option, weil Linda Dallmann zuvor auch nicht überzeugte. Wück weigerte sich auf ZDF-Nachfrage in der Pressekonferenz, jetzt alles fürs Viertelfinale in Basel (Samstag 21 Uhr/live ZDF) über den Haufen zu werfen.
Wir wollen nicht nur reagieren, nur zerstören oder uns hinten reinstellen und die Null halten. Dafür haben wir die falschen Spielerinnen.
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Bundestrainer Christian Wück
Er möchte den langen Vorlauf bis zum ersten K.o.-Duell dazu nutzen, dass nach einer Regenerationseinheit am Sonntag die Spielerinnen mit einem freien Tag am Montag die Köpfe freibekommen. Sein Motto: "Wir werden uns schütteln und werden dann freudig und mit vollem Mut in dieses Viertelfinale gehen. Egal gegen wen." Die meisten deutschen Fans gingen nach dieser ernüchternden Nacht lieber ins Bett. Die Langstrasse als Partymeile von Zürich gehörte fast allein der Anhängerschaft aus Skandinavien.