Nach Niederlage gegen England:Dicke Luft im Team der Niederlande
von Sebastian Ungermanns
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Nach der deftigen Niederlage gegen England muss die Niederlande im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich gewinnen. Doch im Team gibt es Ärger.
In der Frauen-Nationalmannschaft der Niederlande gibt es nach der Rekordniederlage gegen England Krach. Das Tischtuch zwischen Team und Trainer scheint zerschnitten zu sein.
Quelle: AFP
Mit leeren Blicken standen die Spielerinnen der Niederlande auf dem Rasen von Zürich. 0:4 hatten sie gerade ihr zweites Gruppenspiel bei dieser EM nicht nur verloren, ihre Gegnerinnen aus England waren ihnen in allen Belangen turmhoch überlegen. Ganz nebenbei war es die höchste Niederlange der niederländischen Frauen in der EM-Geschichte.
Trainer Andries Jonker versuchte seine Spielerinnen kurz danach mit einer Ansprache nochmal aufzurütteln. Die Risse, die in diesem Team offenbar schon entstanden sind, wurden in den Interviews danach erst richtig deutlich.
Der Auslöser war ein Interview von Danielle van de Donk kurz nach dem Spiel beim niederländischen TV-Sender "NOS". Die Spielmacherin, für das Angriffsspiel von Oranje eigentlich unverzichtbar, war erst in der 66. Minute für Vivianne Miedema eingewechselt worden. Der Grund für ihren Bankplatz: sie war vor dem Spiel wohl angeschlagen gewesen.
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Doch dem widersprach van de Donk: "Ich hatte nach dem Spiel gegen Wales leichte Schmerzen in der Leiste", sagte die 33-Jährige:
Heute ging es mir gut genug, um von Anfang an zu spielen. Aber die Entscheidung war schon gestern getroffen worden.
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Danielle van de Donk
"Lame Duck" Andries Jonker
Das widerum irritierte Jonker, der auf der Pressekonfernez seine Sichtweise darlegte: "Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Wir hatten vorher mit dem Arzt und ihr besprochen: Sie könnte maximal 20 bis 25 Minuten spielen." Wer auch immer Recht hat - erste Zerwürfnisse im Team wurden sichtbar.
Die Situation rund um Andries Jonker ist sowieso eine besondere. Anfang des Jahres hatte ihm der niederländische Fußballverband mitgeteilt, dass er nach dem Turnier nicht mehr weitermachen dürfe. Sein Nachfolger wird der aktuelle englische Frauen-Co-Trainer Arjan Veurink.
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Jonker selbst beschrieb die Situation als "unangenehm", dachte sogar zwischenzeitlich vorzeitig ans Aufhören. Er machte dennoch weiter, vor dem Turnier bezeichneten ihn niederländische Medien deshalb als "Lame Duck", als "lahme Ente". Förderlich für die Teamatmosphäre war all das sicherlich nicht.
Kritik auch von Bundesliga-Star Beerensteyn
Auch Lineth Beerensteyn, immerhin Bundesliga-Torschützenkönigin vom VfL Wolfsburg und ebenfalls erst später eingewechselt, zeigte sich nach der krachenden Niederlage zumindest irritiert über ihren Bankplatz.
Auf die Nachfrage, ob sie von Beginn an hätte spielen können, reagierte die 28-Jährige lediglich mit einer vielsagenden hochgezogenen Augenbraue und einem kurzen "Ja". Auch hier habe die Entscheidung beim Trainer gelegen - Verständnis sieht anders aus.
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Der Trainer schießt zurück
Doch das war noch lange nicht das Ende der Fehde, denn auch der Trainer legte nach und zwar deutlich: "Wir wollten mit viel Ballbesitz spielen und Druck auf England ausüben. Aber die Spielerinnen müssen diesen taktischen Plan natürlich auch ausführen", sagte Jonker auf der Pressekonferenz nach dem Spiel in Richtung seines Teams.
Eine Kritik an seine Akteurinnen, die vor allem in dieser Deutlichkeit und Klarheit höchst selten und überraschend im Profifußball ist.
Sieg gegen Frankreich ist Pflicht
Die Kluft scheint also groß zwischen Spielerinnen und Trainer. Vor dem letzten Spiel gegen Frankreich ist in "Todesgruppe D" noch alles möglich - dafür ist ein Sieg der Niederlande gegen die noch ungeschlagenen Französinnen allerdings Pflicht - und dafür bräuchte es eigentlich auch eine gewisse Harmonie im Team.
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Der Wiedereinzug der Harmonie wird die große Aufgabe vor dem alles entscheidenden Spiel sein für den scheidenden Trainer von Oranje. Das weiß auch Jonker selbst: "Wir müssen an unsere Chance glauben", sagte er mit Blick auf die Partie in Basel. Sonst sei es besser "nicht anzutreten".