Frauen-EM: Impuls für den Frauenfußball in der Schweiz

Frauen-EM in der Schweiz:Impuls für das Land

von Frank Hellmann, Zürich
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Der Frauenfußball in der Schweiz war lange amateurhaft organisiert. Der Gastgeber muss das Viertelfinale erreichen, wenn von dieser EM ein nachhaltiger Effekt bleiben soll.

Die schweizerische Nationalspielerin Lia Wälti beim EM-Spiel gegen Norwegen.
Lia Wälti zählt zu den bekanntesten Fußballerinnen in der Schweiz. Der Schweizerische Fußballverband will mehr Frauen und Mädchen für den Sport begeistern.
Quelle: dpa

Pia Sundhage hat als Nationaltrainerin schon eine Menge erlebt. In den USA genoss die schwedische Weltenbummlerin bei den Olympischen Spielen 2008 und 2012 die gesellschaftliche Akzeptanz von Stars wie Megan Rapinoe, in ihrer Heimat strahlte sie bei der EM 2013 über die Vorbildrolle von Lotta Schelin und in Brasilien bekam sie vor der WM 2023 zu spüren, was Marta den Menschen bedeutet.
Doch nie hätte sie gedacht, das in der Schweiz bei der EM 2025 ein Fernsehkommentator mal schreien würde:

Jaaaaa! Reuteler erlöst eine ganze Nation!

Calvin Settler, SRF-Kommentatorin

Calvin Settler hat am SRF-Mikrofon beim EM-Sieg gegen Island (2:0) nicht nur die Torschützin Géraldine Reuteler abgefeiert, sondern gleich mit untergebracht, dass "10.000 Ketchup-Flaschen" aufgegangen wären.
Ganz so schlimm war es im Stadion Wankdorf zwar nicht, aber bei vielen explodierten die Gefühle. „Ich habe nicht geglaubt, dass die Schweizer Bevölkerung eine solche Atmosphäre schaffen kann“, stellte die 65-jährige Sundhage ergriffen fest.
Torschützin Geraldine Reuteler jubelt nach ihrem Tor zum 1:0 gegen Island.
Die Schweiz hat bei der Fußball-EM Island verdient mit 2:0 geschlagen. Den Eidgenossinnen reicht nun im dritten Gruppenspiel ein Unentschieden gegen Finnland zum Weiterkommen.06.07.2025 | 7:55 min

Zu wenig Geld in der Liga

Eidgenössische Zurückhaltung war gestern. Der Befreiungsschlag von Bern soll Blaupause fürs letzte EM-Gruppenspiel gegen Finnland in Genf sein (Donnerstag, 21 Uhr live im ZDF). Ein Remis reicht zum Weiterkommen. Das Land drückt die Daumen.
Vor einigen Jahren völlig undenkbar. Erst mit dem Zuschlag für dieses Turnier machten sich alle Beteiligten mal wirklich Gedanken, wie das Mauerblümchendasein denn beendet werden kann.
Sundhage war bei Amtsantritt fast überrascht, dass die meisten Spielerinnen in der höchsten Liga des Landes nicht vom Fußball leben konnten. Mit 1000, auch 2000 Franken Nebenverdienst kommt niemand bei den Lebenshaltungskosten über die Runde.

Die Liga muss professioneller werden. Dazu braucht es Geld.

Pia Sundhage, Nationaltrainerin Schweiz

"Aber es lohnt sich: Denn Frauenfußball ist eine Goldmine", argumentierte Entwicklungshelferin Sundhage.

Vor der EM in der Schweiz
:Frauenfußball: "Weltweite Fangemeinde" wächst

Ein weiterer Boom oder wenigstens ein Boost für den Frauenfußball? Drei Jahre nach der EM in England erhoffen sich alle Beteiligten genau das vom Turnier in der Schweiz.
Archiv: Frauen Fussball Bundesliga, 1. FC Köln - Eintracht Frankfurt am 23.04.2023
mit Video

Young Boys Bern geht voran

Der FC Basel, das Zugpferd bei den Männern, will seine Frauenabteilung professioneller aufstellen. Young Boys Bern ist da schon weiter. Die YB-Fußballerinnen bestreiten als Meisterinnen ihre Heimspiele im Wankdorf-Stadion.
Der Verein eifert dem Vorbild der deutschen Lizenzvereine nach, wo die Abteilungen Medien, Sponsoring und Marketing sich gleichermaßen um Frauen und Männer kümmern.
Nia Künzer (r), Sportdirektorin Frauenfußball des DFB, schaut zu Bernd Neuendorf, DFB-Präsident.
Die Konkurrenz enteilt der Frauenfußball-Bundesliga immer weiter. Um dem entgegenzuwirken muss das deutsche Fußball-Oberhaus professioneller werden.09.07.2025 | 2:07 min
Das sei aber eine Ausnahme, erzählt Marisa Wunderlin als Trainerin vom FC St. Gallen. "Es fehlt in der Schweiz noch an vielem, zum Beispiel an besserer Unterstützung, am totalen Glauben der Klubs an uns oder an Akzeptanz."

Die EM kann jetzt eine Startrampe sein.

Marisa Wunderlin, Trainerin FC St. Gallen

Hohe Ziele vom Schweizerischen Fußballverband

Bis 2027 will der Schweizerische Fußballverband (SFV) die Zahl der aktiven Frauen und Mädchen auf 80.000 nahezu verdoppeln. 2015 gab es erst 23.700 Spielerinnen, aktuell sind es 41.000. Ziel ist, dass Fußball die Sportart Nummer eins bei den Mädchen wird. Tanzen, Turnen und Schwimmen sind bislang beliebter.
Fußball-EM Frauen: Schweiz - Norwegen
Die EM-Gastgeberinnen haben zum Auftakt trotz Führung eine Niederlage kassiert. Die Schweizerinnen unterlagen Norwegen. Pechvogel beim 1:2 war Julia Stierli mit einem Eigentor.02.07.2025 | 7:24 min
Es brauche auch "mehr Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Frauen in Entscheidungspositionen der Schweizer Fußballlandschaft", schreibt der SFV. "Es endet nicht mit dem Turnier. Danach geht es erst richtig los."

Kritik von Kim Kulig

Die deutsche Ex-Nationalspielerin Kim Kulig trainiert seit 2023 den Vizemeister Basel. "Insgesamt ist uns die deutsche Liga unter professionellen Gesichtspunkten weit voraus", sagte die 35-Jährige der FAZ. Aus ihrer Sicht sollte sich die Schweizer Super League bei Frauen wie Männern anders aufstellen.
"Hier wird ausgebildet, um dann alle Spieler und Spielerinnen in die große weite Fußballwelt zu schicken. Ich glaube aber, wir haben in der Frauenliga das Potential, dass wir uns nicht darauf reduzieren müssen. Denn dies wäre nicht förderlich für die weitere Professionalisierung."
Lauren James feiert ihren Treffer zum 3:0.
Mit einem deutlichen Erfolg gegen die Niederlande haben die Titelverteidigerinnen aus England ein frühes Aus abgewendet. Beim 4:0 markierte Lauren James einen Doppelpack.09.07.2025 | 8:02 min
Genau das passiert noch. Nationalspielerin Noemi Ivelj, eines der Toptalente, wechselt jetzt von Grashoppers Club Zürich zu Eintracht Frankfurt. Die 18-Jährige folgt ihrer Teamgefährtin Reuteler, die bereits seit sieben Jahren in Frankfurt spielt.
Weil die 26-Jährige nun schon zweimal bei der EM zur "Spielerin des Spiels" gekürt wurde, haben internationale Topklubs ein Auge auf die neue Nationalheldin geworfen.

+++ Fußball-EM 2025 +++
:Fishlock erzielt historisches Tor

Jess Fishlock hat ein historisches Tor erzielt. Die Waliserin traf gegen Frankreich zum 1:1. Es war der erste Treffer ihres Landes bei einer EM.
Jessica Fishlock (Wales) jubelt nach ihrem Treffer zum 1:1.
Update

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