Bundestagswahl: Kleine Parteien wählen? Ein Pro und Contra
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Freie Wähler, Volt und Co.:Kleine Parteien wählen: Pro und Contra
von Sophia Diesler
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Die Bundestagswahl rückt näher und damit für einige auch die Frage: Soll ich eine kleine Partei wählen? Was dafür spricht und was dagegen.
Wie Grundmandatsklausel und Fünf-Prozent-Hürde funktionieren. Ein grafischer Überblick.09.01.2025 | 1:03 min
Kleine Parteien wie Volt, Freie Wähler oder die Tierschutzpartei schaffen es meist nicht, in den Bundestag einzuziehen. Denn eine Partei benötigt dafür entweder mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen oder mindestens drei Direktmandate mithilfe der Erststimmen.
Oft verschwinden solche Parteien deshalb auch in der öffentlichen Berichterstattung rund um die Bundestagswahl im Balken "Sonstige". Ist eine Stimme für eine kleine Partei damit verschenkt?
Nicht unbedingt. Bekommen kleine Parteien vermehrt Wählerstimmen, kann das Signalwirkung haben und politischen Druck erzeugen. Etablierte Parteien greifen dann gegebenenfalls die Themen der kleinen auf, so der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.
Man kann davon ausgehen, dass große Parteien versuchen, viele Interessen aufzunehmen und Themen zu integrieren, um ihre Wählerschaft nicht nur zu stabilisieren, sondern sie vielleicht auch auszuweiten.
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Karl-Rudolf Korte, Professor an der Universität Duisburg-Essen
So schaffte es beispielsweise die Piratenpartei, zwischen 2011 und 2012 in mehrere deutsche Landtage einzuziehen und die Themen Digitalisierung und Datenschutz auf die politische Tagesordnung zu setzen. Auch die Grünen starteten in den 1980er-Jahren als kleine Protestpartei und brachten die Ökologiefrage in die politische Debatte ein.
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Jede Wählerstimme bringt Geld
Ein weiteres Argument, seine Stimme einer kleinen Partei zu geben, ist die staatliche Parteienfinanzierung. Erreicht eine Partei 0,5 Prozent der Wählerstimmen bei einer Bundestagswahl oder Europawahl beziehungsweise ein Prozent bei einer Landtagswahl, erhält sie Geld vom Staat.
Für die ersten vier Millionen Stimmen gibt es pro Stimme einen Euro, danach 83 Cent. Das soll den Vorteil bereits etablierter Parteien ausgleichen.
Staatliche Parteienfinanzierung
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Stimmen für eine kleine Partei können zudem die öffentliche Aufmerksamkeit für diese Partei erhöhen und sie bekannter machen. Das wiederum kann zu neuen Mitgliedern und Spenden führen - und damit zum Wachstum der Partei beitragen.
Kleine Parteien sind sehr wichtig für die Demokratie, weil sie die Vielfalt der Bevölkerung widerspiegeln. Durch ihre unterschiedliche Orientierung und Themensetzung tragen sie auch zur politischen Willensbildung bei.
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Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler
Kein Einfluss auf bundespolitische Entscheidungen
Allerdings haben die meisten kleinen Parteien kaum eine Chance, die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken, um den Einzug in den Bundestag zu schaffen.
Rund 35 Prozent der Wählerinnen und Wähler sind noch unschlüssig. Der Wahl-O-Mat könnte ihnen bei der Entscheidungsfindung helfen. Bei der letzten Wahl setzten mehr als 21 Millionen Menschen auf ihn.06.02.2025 | 1:39 min
Das bedeutet, sie können dort auch nicht über die Bundespolitik mitentscheiden. Stimmen für diese Parteien haben somit keinen Einfluss auf die parlamentarische Arbeit.
Diese Stimmen spielen dann formal keine Rolle. Es wirkt so, als hätte man eine Chance vertan. Denn die Übersetzung der eigenen Stimme in einen politischen Willen hat nicht funktioniert.
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Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler
Zieht eine Partei nicht in den Bundestag ein, werden also auch ihre Wählerinnen und Wähler und deren Interessen dort nicht repräsentiert. Diese Erfahrung kann ein "Gefühl von Ohnmacht, von Nichtbeteiligung auslösen", sagt der Politikexperte.
Regierungsstabilität versus Repräsentation
Viele andere EU-Länder haben niedrigere Sperrklauseln. In Griechenland und Italien liegt die Hürde beispielsweise bei drei Prozent, in Österreich bei vier und in den Niederlanden brauchen Parteien für den Einzug ins Parlament lediglich 0,67 Prozent der Stimmen.
2,3 Millionen junge Menschen können bei der kommenden Bundestagswahl erstmals ihre Stimme abgeben. Wie groß ist ihr Interesse an Politik und welche Themen sind ihnen wichtig?07.02.2025 | 1:42 min
In Deutschland werden durch die Fünf-Prozent-Hürde viele Parteien und damit auch Interessen ausgeschlossen. Korte bezeichnet dies als Zielkonflikt: "Will ich die Vielfalt der Gesellschaft möglichst genau widerspiegeln oder will ich am Ende Mehrheiten bilden können im Bundestag und arbeitsfähig sein?"
Je mehr Fraktionen im Bundestag vertreten sind, desto eher kommt es zu einer Zersplitterung des Parlaments und desto schwieriger wird das Regieren. Denn "Mehrheiten sind leichter herbeizuführen, wenn eine überschaubare Anzahl an Fraktionen im Deutschen Bundestag sitzen", betont Korte.
An den Bundestagswahlen teilnehmende und im Bundestag vertretene Parteien
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Zusammen mit den Stimmen für die anderen kleinen Parteien könnten etwa 15 bis 20 Prozent der Wählerstimmen nicht im Bundestag abgebildet sein. Fehlende Repräsentation kann für eine Demokratie zum Problem werden.
Es kann die Legitimation dieser Wahl infrage stellen, ebenso wie die Legitimation der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die dann nur einen eingeschränkten Überblick geben über das eigentlich vorhandene Angebot.
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Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler
Man muss deshalb abwägen, ob man die Partei wählt, die die eigene Position am besten repräsentiert, aber wahrscheinlich nicht in den Bundestag einzieht - oder ob man eine größere Partei wählt, die für ähnliche Interessen eintritt und tatsächlich im Parlament etwas bewirken kann.