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Pager-Explosionen:Steckt Israel hinter Vorfällen im Libanon?
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Sind die Pager-Explosionen im Libanon ein Machtbeweis? Der pro-iranischen Hisbollah-Miliz ist ein schwerer Schlag zugefügt worden. Experten vermuten Israel hinter den Vorfällen.
Ein Mann steht an einem Gemüse-Stand in Beirut. Dann explodiert plötzlich etwas in seiner Hosentasche. Der Mann sackt in sich zusammen. Umstehende Menschen beim Einkauf flüchten. Zeitgleich ereignen sich solche Explosionen am Dienstag an vielen Orten im Libanon. Videos davon überschwemmen die Sozialen Netzwerke.
Was bekannt ist: Hunderte tragbare Kommunikationsgeräte, sogenannte Pager, sind mutmaßlich koordiniert explodiert. Mehr als 2.750 Menschen wurden verletzt, darunter auch der iranische Botschafter in Beirut. Neun Menschen wurden getötet.
Die kleinen Geräte waren so etwas wie ein Vorläufer des Handys. Die Grundidee: Wenn man mit jemandem sprechen will, pingt man den Pager der Person an. Diese sieht die Telefonnummer - oder eine kurze Nachricht - und kann zurückrufen oder entsprechend der Nachricht handeln.
Pager wurden vor allem seit den 80er Jahren breit eingesetzt, unter anderem bei Rettungsdiensten. Die permanente Erreichbarkeit dank der allgegenwärtigen Handys machte sie jedoch weitgehend überflüssig. Unter anderem die Feuerwehr nutzt sie aber teils weiterhin. Inzwischen gibt es auch Modelle, auf denen man eine Nachricht zurückschicken kann.
Dass eine Miliz wie die Hisbollah in großem Stil Pager verwendet, hat wohl einen einfachen Grund: Anders als bei Handys oder Smartphones kann ihr Aufenthaltsort nicht ermittelt werden. Denn ein gewöhnlicher Pager ist nur ein Empfänger, der nicht in ein Netz eingeloggt ist. Alle Pager in einem Gebiet gleichzeitig zu aktivieren, ist unterdessen kein Problem. (Quelle: dpa)
Pager wurden vor allem seit den 80er Jahren breit eingesetzt, unter anderem bei Rettungsdiensten. Die permanente Erreichbarkeit dank der allgegenwärtigen Handys machte sie jedoch weitgehend überflüssig. Unter anderem die Feuerwehr nutzt sie aber teils weiterhin. Inzwischen gibt es auch Modelle, auf denen man eine Nachricht zurückschicken kann.
Dass eine Miliz wie die Hisbollah in großem Stil Pager verwendet, hat wohl einen einfachen Grund: Anders als bei Handys oder Smartphones kann ihr Aufenthaltsort nicht ermittelt werden. Denn ein gewöhnlicher Pager ist nur ein Empfänger, der nicht in ein Netz eingeloggt ist. Alle Pager in einem Gebiet gleichzeitig zu aktivieren, ist unterdessen kein Problem. (Quelle: dpa)
Wer steckt hinter dem Vorfall?
Die Hisbollah nutzt aus Sicherheitsgründen Pager, weil diese ihre eigene Funkfrequenz haben. Dadurch vermeiden sie die Risiken, dass ihre Kommunikation zurückverfolgt, abgehört oder blockiert wird, wie es bei Handys der Fall sein könnte.
Expert*innen sehen in dem beispiellosen Vorfall einen Coup des israelischen Geheimdienstes gegen die schiitische Miliz und ihre Unterstützer in Teheran. Israel habe die Pager bereits vor der Lieferung an Hisbollah-Mitglieder manipuliert, um sie alle am gleichen Tag zu einer bestimmten Uhrzeit zur Explosion zu bringen.
Aus dem Umfeld der Hisbollah erfuhr die Nachrichtenagentur AFP, dass die explodierten Pager erst kürzlich importiert wurden. Die Hisbollah hatte demnach tausend dieser Geräte erhalten, die "an der Quelle sabotiert" worden seien. Wie die Agentur Reuters unter Berufung auf Insider berichtet, soll der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad die Geräte schon Monate vor der Auslieferung an die Hisbollah mit Sprengstoff präpariert haben. In 5.000 Pagern sei bereits bei der Produktion eine kleine Menge Sprengstoff versteckt worden. Ähnliche Berichte finden sich in der "New York Times" und dem "Wall Street Journal".
Der ehemalige CIA-Analyst Michael P. DiMino von der US-Denkfabrik Defense Priorities macht im Gespräch mit ZDFheute klar, dass es sich "eindeutig um eine Operation des Mossad", also des israelischen Geheimdienstes handele. Diese ziele darauf ab, Chaos unter den Hisbollah-Mitgliedern im Libanon zu säen.
Auch Guido Steinberg, Nah- und Mittelostexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), erklärt im ZDF-Morgenmagazin:
Ich bin fest davon überzeugt, dass Israel hier der Urheber ist.
Guido Steinberg, Stiftung Wissenschaft und Politik
Kein anderer Akteur in der Region verfüge über die Mittel für eine solche Aktion oder habe ein Interesse daran, sagt der SWP-Experte.
Bislang gibt es keine Gewissheit, wer hinter diesen koordinierten Angriffen steckt. Israels Armee äußerte sich bislang nicht zu den Vorfällen.
Was ist die Explosionsursache?
Ein "sehr kleiner Sprengsatz" in den Pagern und nicht das Überhitzen der Batterie sei die wahrscheinlichste Explosionsursache, stellt DiMino fest. Bei den Pagern handele es sich um handelsübliche Geräte, die von israelischen Geheimdiensten so modifiziert wurden, dass sie eine kleine Sprengladung und einen Auslöseschalter enthalten, um eine Fernzündung zu ermöglichen. Die Lieferkette sei unterbrochen worden.
Das war ein klassischer Sabotage-Einsatz.
Michael P. DiMino, Ex-CIA-Analyst
Und dessen Vorbereitung habe wahrscheinlich "Monate, wenn nicht Jahre" gedauert, so DiMino. Die Israelis seien in der Lage gewesen, diese Sprengsätze in die Hände zu bekommen, bevor sie zur Hisbollah gelangten, "und haben sie manipuliert, ohne dass die Gruppe darauf aufmerksam wurde".
Darüber hinaus könnte auch ein externer Cyberangriff die Pager zur Überhitzung gebracht haben. Im Gespräch mit ZDFheute halten die Experten aber die Sprengsätze für wahrscheinlicher. Dennoch: "Für beide Szenarien, Cyber-Aktion wie Sprengladung, hätte man genug Präzedenzfälle von Seiten der Israelis", sagt Nahost-Experte Fabian Hinz vom International Institute for Strategic Studies (IISS).
Wussten die USA Bescheid?
"Ich kann Ihnen sagen, dass die USA nicht daran beteiligt waren", sagt der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. "Die USA waren sich dieses Vorfalls nicht im Voraus bewusst. Und zum jetzigen Zeitpunkt sammeln wir Informationen."
Sind so viele zeitgleiche Explosionen überhaupt technisch möglich?
Es ist möglich, zeitgleich eine Vielzahl von Batterien zu beschädigen, daran bestehe kein Zweifel, macht Justin Cappos, Professor für Cybersicherheit an der New York University (NYU), gegenüber ZDFheute klar.
Die plausibelste Theorie ist, dass die Geräte entweder während der Herstellung oder während des Transports manipuliert wurden, um etwas wie Sprengstoff einzubauen.
Justin Cappos, Professor für Cybersicherheit an der NYU
Unwahrscheinlich wiederum sei es, dass normale Geräte auf diese Weise beeinflusst werden konnten, auch wenn Lithium-Ionen-Batterien in einigen seltenen Fällen Brände verursachen können.
Wie geht es weiter?
Die UN-Sonderkoordinatorin für den Libanon spricht in einem Statement davon, dass die Pager-Explosionen eine "äußerst besorgniserregende Eskalation in einem ohnehin schon unannehmbar instabilen Umfeld" darstellen. Zivilist*innen seien kein Ziel und müssten jederzeit geschützt werden.
X-Post des Büros der UN-Sonderkoordinatorin
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Jedes zivile Opfer sei eines zu viel, sagt Jeanine Hennis-Plasschaert und fordert alle betroffenen Akteure auf, "von weiteren Aktionen oder kriegerischer Rhetorik Abstand zu nehmen, die einen größeren Flächenbrand auslösen könnten, den sich niemand leisten kann."
- Die wichtigsten Begriffe im Nahost-Konflikt
Die Hisbollah werde sich wie auch schon in den vergangenen Monaten überlegen, wie sie überhaupt reagieren kann, erklärt SWP-Experte Steinberg. Die Miliz habe große Probleme, "geeignete Reaktionsweisen zu finden". Sie werden versuchen, Israel "militärisch wehzutun", andererseits werden sie wie bisher versuchen, einen großen Krieg zu vermeiden. Die Hisbollah sei in einer "misslichen Situation".
Die große Frage sei nun, was nach den Pager-Explosionen kommt, stellt der ehemalige CIA-Analyst Michael P. DiMino fest. "Es ist selten, dass Geheimdienstoperationen dieses Ausmaßes ohne Verbindung zu anderen nationalen Zielen durchgeführt werden."
"Ist dieser Angriff ein Versuch, die Hisbollah vor einem israelischen Bodenangriff auf den Südlibanon zu vernichten? Ich denke, das könnte der Fall sein", so DiMino.
Katharina Schuster ist ZDF-Redakteurin im Studio Washington D.C.
Quelle: dpa
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Quelle: mit Material von AFP und Reuters
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