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Analyse
EU-Gipfel:Merz - der neue Sheriff in Brüssel?
von Paul Schubert und Ulf Röller, Brüssel
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Der Bundeskanzler will sich als Kraftfeld auf dem Gipfel inszenieren, um Deutschlands Führungsrolle zu unterstreichen. Merz machte deshalb Ansagen, ungewiss, ob sie wirken.
Der öffentliche Auftritt von Bundeskanzler Friedrich Merz auf seinem ersten EU-Gipfel dauerte genau eine Minute und sechs Sekunden. So lang war sein Statement vor den wartenden Journalisten.
Merz nimmt an EU-Hardliner-Treffen teil
Zuvor hatte der Bundeskanzler aber noch eine Premiere hingelegt, die viele aufhorchen ließ: Die Teilnahme an einem Gipfel vor dem richtigen Gipfel. Er ging zum Frühstück der Hardliner in den Reihen der Mitgliedstaaten, die eine härtere Migrationspolitik fordern.
Die Idee hatte die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni. Ihr war es nie gelungen, Merz Vorgänger, Olaf Scholz, einzuladen. Dass Merz nun kam, ist ein Triumph für sie und ihre Politik, die auf härtere Kontrollen an den Außengrenzen und auf schnellere Abschiebungen drängt.
Der Bundeskanzler muss bei diesem Thema liefern. Er hat den Wählern versprochen, die Zahl der illegal Einreisenden noch weiter zu reduzieren. Dauerhafte Binnengrenzkontrollen stellen keine Lösung dar, weil sie der Idee eines Europas der offenen Grenzen widersprechen.
Abgrenzung von Scholz
Ein wenig wirkte Merz' erster Gipfel, als wolle er sich als neuer Sheriff inszenieren: Bloß nicht unentschlossen wirken, maximale Abgrenzung von Olaf Scholz. In seiner Amtszeit sprachen viele in der EU vom "German vote", der die Unfähigkeit der Ampel, verlässliche Entscheidungen zu treffen, beschrieb.
Merz verspricht, dass es unter ihm anders laufen wird. Jedem Anfang wohnt bekanntlich ein Zauber inne. Es bleibt abzuwarten, wie lange der Zauber für Merz anhält.
Merz macht Druck bei EU-Zollgesprächen mit den USA
Jedenfalls trat Merz sehr selbstbewusst auf dem Gipfel auf. Er machte in Richtung der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Ansage, da die Verhandlungen der EU mit Amerika über ein Handelsabkommen nicht vielversprechend laufen.
Merz macht dafür von der Leyen und ihre Verhandlungsstrategie verantwortlich. Er bevorzugt schnelle Lösungen mit Amerika, weil die deutsche Wirtschaft sonst zunehmend leidet. Die Kommission hingegen will den großen Wurf und am liebsten die Zölle auf beiden Seiten abschaffen.
Von der Leyen wird in dieser Frage von Frankreich unterstützt - es bahnt sich ein Streit mit Deutschland an. So viel hat der Gipfel gezeigt.
Uneinigkeit bei neuen Russland-Sanktionen
Auch bei einem anderen Thema kam der Gipfel nicht richtig weiter. Die EU-Regierungschefs wollten ein weitreichendes 18. Sanktionspaket gegen Russland verabschieden.
Es soll sich vor allem gegen Russlands Energieexporte richten, mit denen der Kreml seine Kriegskasse füllt. Die EU will Russlands Möglichkeit, Öl oder Gas zu verkaufen, dramatisch einschränken. Sanktionen müssen allerdings einstimmig beschlossen werden.
Doch die Slowaken blockieren, denn sie hängen stark vom russischen Gas ab. Auf dem Gipfel gab es kein Einlenken. Keine guten Nachrichten für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dessen Land zuletzt aufgrund der Kriege in Nahost in den Hintergrund gerückt ist. Er hätte dringend eine positive Nachricht gebraucht.
Aufrüstung der Nato: Merz gegen Eurobonds
Es ist der erste Gipfel des Bundeskanzlers gewesen. Alle Augen haben sich auf ihn gerichtet. Die Erwartungen an Deutschlands neuen Kanzler sind riesig. Am Vortag des Gipfels hatte die Nato in Den Haag ein gigantisches Aufrüstungsprogramm beschlossen.
Auf dem Gipfel geht es nun um die Frage: Woher kommt das Geld? Viele in Europa schauen da auf Deutschland. Die Mitgliedstaaten wollen Schulden machen dürfen, die dann alle in Europa gemeinsam abzahlen - Eurobonds nennt man das.
Da die Deutschen der größte Beitragszahler in Europa sind, würden sie zur Kasse gebeten. Merz machte auf dem Gipfel deutlich, dass es mit ihm keine Eurobonds geben wird. Zumindest in dieser Frage bleibt er seinem Vorgänger Olaf Scholz treu.
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