US-Sicherheitsstrategie: "USA verabschieden sich" von Europa

Interview

Neue US-Strategie erhöht Druck:Forscher warnt: "USA verabschieden sich" von Europa

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Mit ihrer neuen Sicherheitsstrategie erhöhen die USA den Druck auf Europa. Migrationsforscher Gerald Knaus sieht darin eine Gefahr für die Stabilität der Demokratien.

Gerald Knaus | Vorsitzender Denkfabrik „Europäische Stabilitätsinitiative“

"Amerika hat mehr Respekt vor Autokratie", bewertet Gerald Knaus von der Denkfabrik "Europäische Stabilitätsinitiative" die Lage. Doch die aktuelle Strategie Europas ziele darauf ab, Trump "nicht zu provozieren".

08.12.2025 | 6:09 min

Die neue Sicherheitsstrategie der USA sorgt in Europa für Verunsicherung. Für Migrationsforscher Gerald Knaus ist das Papier "schockierend".

Denn es stamme von einer amerikanischen Regierung ab, die "Widerstand in europäischen Demokratien fördern" wolle - im Grunde genommen im Namen einer "identitären Ideologie", sagte der Leiter der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative im ZDF-Morgenmagazin.

Donald Trump

In ihrer neuen "Sicherheitsstrategie" üben die USA viel Kritik an Europa, vor allem bezüglich Migration, Identität und Meinungsfreiheit. Was bedeutet das? Und wie soll Europa damit umgehen?

08.12.2025 | 2:30 min

Forscher: US-Strategie stärkt Autokratien und gefährdet EU-Demokratien

Knaus kritisierte, die Strategie übernehme den Mythos, europäische Staaten stünden kurz davor, ihre kulturelle Identität durch Einwanderung zu verlieren. Solche Ideen seien bislang vor allem von US-Präsident Donald Trump und dessen Unterstützern vertreten worden.

Aber dass sich Amerika jetzt herausnimmt und uns warnt, dass sie sich einmischen wollen, dass Parteien, die so denken wie Donald Trump in dieser Frage, an die Regierung kommen, weil sonst Europas Zivilisation zerstört wird, das ist in dieser Brutalität schon bemerkenswert.

Gerald Knaus, Migrationsforscher

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe richtig erkannt, "wie ernst die Lage ist", doch viele Politikerinnen und Politiker in Europa verhielten sich zu vorsichtig, um Trump nicht zu provozieren. Laut Knaus stoßen diese Bemühungen jetzt an ihre Grenzen:

Offensichtlich hat Amerika mehr Respekt vor autokratischen Regierungen, da redet man nicht über Einmischung, als vor seinen bislang europäischen Partnern.

Gerald Knaus, Migrationsforscher

EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas spricht beim Doha-Forum

Beim Doha Forum ruft EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas trotz der neuen US-"Sicherheitsstrategie" zum Zusammenhalt zwischen Europa und den USA auf.

06.12.2025 | 0:31 min

Handlungsfähigkeit Europas: Strategische Antwort auf US-Druck

Angesichts wachsender Spannungen zwischen EU und USA warnt Knaus vor einem strategischen Bruch: "Wenn Vizeminister sagen, Europa müsse sich zwischen Nato und EU entscheiden, erreicht das eine neue Qualität."

Auch die Reaktion der EU hält Knaus für zu zurückhaltend. Zwar betone Außenbeauftragte Kaja Kallas weiterhin die Verbundenheit mit Washington, doch für Knaus verdeckt das nur den Ernst der Lage.

Wir bräuchten sie, aber die USA verabschieden sich.

Gerald Knaus, Migrationsforscher

Europa müsse nun schnell eigene sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit beweisen. Besonders für kleine Länder wie Estland sei das entscheidend: "Ein Europa ohne Europäische Union wäre gerade für die kleinen Länder, aber auch für Deutschland, eine Katastrophe."

Schaltgespräch Siever und Thevessen

Die USA kritisieren Europa in ihrer neuen Sicherheitsstrategie und mischen sich zugunsten rechter Parteien in die EU-Politik ein, so analysiert ZDF-Korrespondent Theveßen.

05.12.2025 | 3:28 min

Röttgen spricht von "zweiter Zeitenwende"

Auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte, dass US-Präsident Trump mit seiner neuen Sicherheitsstrategie die Existenz der EU bedrohe. Der Unionsfraktionsvize sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland:

Die neue außenpolitische Positionierung der USA ist eine zweite Zeitenwende.

Norbert Röttgen, CDU-Außenpolitiker

Die "erste Zeitenwende" hatte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ausgerufen und eine massive Aufrüstung der Bundeswehr angekündigt.

Nach Ansicht von Grünen-Chefin Brantner darf Europa keine Zeit verlieren. Der Kontinent müsse jetzt entschlossen in seine eigene Souveränität investieren, sagte sie.

Wolodymr Selenskyj ist zu sehen.

Der ukrainische Präsident Selenskyj berät in London mit europäischen Partnern über Frieden für sein Land. Es nehmen u.a. der britische Premier Starmer und Bundeskanzler Merz teil.

08.12.2025 | 0:24 min

Experte benennt drei Gefahren für Europa

Knaus betonte im Interview, dass es jetzt drei Gefahren gebe, die zusammenarbeiten: Den internen Angriff auf die EU, die Propaganda Moskaus und den Kurs Washingtons, der demokratische Standards angreife. Besonders besorgniserregend sei, dass diese Kräfte sich mit einflussreichen Technologieunternehmern verbündeten, die ihre Plattformen für politische Kampagnen nutzten.

Das ist die größte Krise für Europas Demokratien seit 1948, die gefährlichste Situation.

Gerald Knaus, Migrationsforscher

Europa müsse geschlossen reagieren, eigene Verteidigungsfähigkeiten aufbauen und seine demokratischen Institutionen stärken. "Jetzt müssen andere Europäer in die Bresche steigen, sehr sehr schnell", forderte der Forscher. So könne der Kontinent verhindern, dass er zwischen autoritären Kräften von außen und populistischen Bewegungen im Innern aufgerieben werde.

Wolf-Christian Ulrich | ZDF-Korrespondent in London

Laut den USA hätten die Europäer "unrealistische Erwartungen" bezüglich des Ukraine-Kriegs. Es gehe nun darum, "die Sicherheit der Ukraine und der EU zu wahren", berichtet ZDF-Korrespondent Wolf-Christian Ulrich.

08.12.2025 | 5:47 min

USA verschärfen Kurs gegenüber Europa

Mit ihrer neuen Sicherheitsstrategie hatte die US-Regierung zuletzt ihren Kurs gegenüber Europa verschärft und den Druck auf ihre Verbündeten erhöht. Frühere Strategien hätten die nationalen Kerninteressen der USA nicht berücksichtigt und die Verteidigung anderer Länder auf die Schultern der US-Bevölkerung abgeladen, heißt es in dem Dokument, in dem die USA ihre außen- und sicherheitspolitischen Leitlinien festlegen. Nun gelte "America First" - die USA zuerst.

Was diese neue Linie der USA für deren Partner bedeutet, machte Pentagon-Chef Pete Hegseth am Samstag mit Blick auf die nationalen Verteidigungsausgaben deutlich. "Vorbildliche Verbündete, die aufstocken, wie Israel, Südkorea, Polen, zunehmend Deutschland, die baltischen Staaten und andere werden unsere besondere Gunst erhalten", betonte er beim Reagan National Defense Forum im US-Bundesstaat Kalifornien.

Jene, die immer noch nicht ihren Teil zur kollektiven Verteidigung beitrügen, müssten mit Konsequenzen rechnen, sagte der US-Verteidigungsminister, der sich inzwischen Kriegsminister nennt.

Quelle: ZDF
Über dieses Thema berichtete das ZDF-Morgenmagazin am 08.12.2025 ab 05:30 Uhr.   

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