Ukraine-Verhandlungen in Genf: Was sie für die Nato bedeuten

Interview

Politikwissenschaftler Masala:US-Plan für Ukraine: Experte fürchtet Schwächung der Nato

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Die Verhandlungen in Genf sollen den Weg zu einem Frieden in der Ukraine ebnen. Politikwissenschaftler Carlo Masala mahnt: Die Nato könnte dabei Schaden nehmen.

Prof. Carlo Masala | Politikwissenschaftler

Sehen Sie das gesamte Interview mit Politikwissenschaftler Carlo Masala hier im Video.

24.11.2025 | 5:46 min

Internationale Delegationen haben in Genf nach einem Weg zum Frieden in der Ukraine gesucht. Der 28-Punkte-Plan, der wohl zum starken Nachteil der Ukraine gewesen wäre, ist in seiner ursprünglichen Form offenbar vom Tisch. Die Ukraine habe sich mit den USA auf einen neuen Entwurf des "Friedensplans" einigen können, hieß es am Montagmorgen.

Details aus den Gesprächen in der Schweiz sind bislang nicht öffentlich bekannt. Europa ringt derweil um Einfluss. Und es bleibt unklar, ob Russland einem veränderten Friedensplan überhaupt zustimmen würde. Im ZDF-Morgenmagazin sprach der Politikwissenschaftler Carlo Masala über neue Optionen und über mögliche Auswirkungen der Genfer Verhandlungen.

Claudia Bates | ZDF-Korrespondentin in Washington

"Die USA hatten die Kontrolle über das Narrativ verloren. Der Plan trug eine russische Handschrift", berichtet ZDF-Korrespondentin Claudia Bates zur Rolle der USA beim Ukraine-Friedensplan.

24.11.2025 | 2:53 min

Sehen Sie das gesamte Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagte Masala zu...

... möglichen Folgen für die Nato durch das Vorpreschen der USA

Mit dem ursprünglichen 28-Punkte-Plan für die Ukraine hätten die USA sich als eine Macht geriert, "die sich sozusagen gar nicht mehr als Teil der Nato ansieht, sondern eine Vermittlerrolle einnimmt zwischen zwei Konfliktparteien." Und zwar eine Vermittlerrolle zum Nachteil des Verteidigungsbündnisses. Denn die Nato hätte dem Plan nach eine Erklärung abgeben müssen, die Ukraine letztlich nicht als Bündnispartner aufzunehmen.

Und das ist dann ein direkter russischer Einfluss auf einen Nato-internen Entscheidungsprozess.

Carlo Masala, Politikwissenschaftler

Eine solche Einflussnahme habe es während des gesamten Kalten Krieges nicht gegeben - und auch danach bisher nie, betonte Masala. Die Nato sei eine souveräne Organisation ihrer Mitgliedstaaten, die ihre Entscheidungen selbst treffe und sich diese "nicht von außen diktieren lässt".

Würde die Nato der Ukraine tatsächlich endgültig eine Mitgliedschaft absagen, wäre daher "eine Schwächung der Nato zu konstatieren", so der Experte. Gleiches gelte, wenn die USA über mögliche (Nicht-)Stationierungen europäischer Flugzeuge in Polen über die Köpfe der anderen Nato-Staaten hinweg entscheiden würde.

Alica Jung | ZDF-Reporterin in Kiew

"Russland schreibt auf der einen Seite an einer Art Friedensplan mit den Amerikanern, aber greift die Ukraine jede Nacht an", berichtet ZDF-Reporterin Alica Jung zur ukrainischen Perspektive.

24.11.2025 | 3:31 min

... dem europäischen Weg zu möglichem Frieden in der Ukraine

Die deutsche Bundesregierung habe eine "sehr klare Linie" in der Frage nach Friedensverhandlungen zur Ukraine, so Masala. "Und die lautet zuvorderst, dass es sofort einen Waffenstillstand geben muss, dann über die Modalitäten des Waffenstillstandes verhandelt wird und alle Territorialfragen erst danach verhandelt werden." Das sei eine "vernünftige Position", weil zunächst die Waffen schweigen müssten.

Die Frage ist allerdings, inwieweit sie in die ukrainisch-amerikanischen Verhandlungen überhaupt einfließen kann.

Carlo Masala, Politikwissenschaftler

Armin Laschet  CDU | Vorsitzender Auswärtiger Ausschuss

"Wir haben nie einen eigenen Plan vorgelegt. Wir reagieren immer nur auf die USA", so Armin Laschet, CDU, Vorsitzender Auswärtiger Ausschuss, zum Ukraine-"Friedensplan".

24.11.2025 | 5:54 min

Am Wochenende hatten die europäischen Staaten mit eigenen Forderungen auf den 28-Punkte-Plan der USA reagiert. Darin unter anderem enthalten: Die Zusage, die Streitkräfte der Ukraine in Friedenszeiten auf 800.000 Soldaten zu limitieren (statt 600.000 wie im US-Vorschlag vorgesehen).

"Im europäischen Vorschlag steht auch nichts drin über eine Limitierung, was die zukünftigen Waffensysteme angeht", so der Politikwissenschaftler.

Und 'keine permanente Stationierung von Nato-Truppen auf ukrainischem Territorium' schließt ja die Idee nicht aus, dass möglicherweise eine europäische Abschreckungsstreitmacht in der Ukraine stationiert werden kann auf rotierender Basis.

Carlo Masala, Politikwissenschaftler

All dies seien "Dinge, über die man verhandeln kann und die relativ sinnvoll sind, um die Sicherheit der zukünftigen Ukraine zu erhöhen". Allerdings bleibe die Frage, ob Russland überhaupt zu solchen neuen Verhandlungen bereit wäre.

Armin Coerper | ZDF-Korrespondent in Moskau

"Entweder die Ukraine stimmt den Forderungen zu oder, wenn nicht, wird Trump vermutlich Selenskyj für ein Scheitern verantwortlich", berichtet ZDF-Korrespondent Armin Coerper zum Friedensplan.

24.11.2025 | 2:45 min

... dem Druck, der auf den Verhandlungen liegt

Die Möglichkeit für Verhandlungen gebe es nicht erst in diesen Tagen, sondern schon lange. "Die Ukraine war bereits im Februar bereit, über Territorialfragen zu verhandeln", so Masala. Doch Russland habe seine Maximalforderungen nie abgeschwächt und die Ukraine wolle keine Gebiete aufgeben, die Russland noch nicht besetzt hat. Nun sei die Ukraine aber zusätzlich in einer schwierigen Situation, der Korruptionsskandal in der Regierung schwäche Wolodymyr Selenskyjs Position.

Das alles nutzen die USA und Russland jetzt aus, um den Druck maximal zu erhöhen.

Carlo Masala, Politikwissenschaftler

Dieser Druck, zu einem "belastbaren Abkommen" zu kommen, liege jedoch auf allen Beteiligten. Das "Hauptinteresse" von US-Präsident Donald Trump sei, so stehe es in dem Plan, Russland wieder komplett in die Weltwirtschaft zu integrieren.

Trump will diese Ukraine-Frage vom Tisch bekommen, um seine Beziehungen, die amerikanischen Beziehungen, zu Russland zu normalisieren.

Carlo Masala, Politikwissenschaftler

Das Interview im ZDF-Morgenmagazin führte Mitri Sirin.

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Quelle: ZDF

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