Kriegsende "in der Hand Russlands":Wie soll der Ukraine-Frieden aussehen, Herr Merz?
Nach dem US-Vorstoß für einen "Friedensplan" sieht Kanzler Friedrich Merz Bewegung im festgefahrenen Ukraine-Verhandlungen - und hofft auf erste Schritte zu einem Waffenstillstand.
Er hoffe, dass bei den Verhandlungen um den 28-Punkte-Plan in Genf Vorschläge entstehen „auf die sich die russische Regierung einfinden kann“, so Bundeskanzler Merz.
23.11.2025 | 8:00 minBundeskanzler Friedrich Merz hat im ZDF von einer neuen Dynamik in den diplomatischen Bemühungen um eine Friedenslösung für die Ukraine gesprochen, zugleich aber vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Am Rande des G20-Gipfels in Johannesburg erläuterte er im heute-journal-Interview, wie er die Verhandlungen bewertet und was die europäische Seite den Unterhändlern in Genf mitgegeben hat.
Merz erklärte, er habe "unterhalb" des 28-Punkte-Plans der USA einen zusätzlichen Vorschlag eingebracht. Dieser solle ermöglichen, "wenigstens einen ersten Schritt" zu tun, falls die Zeit zu knapp sei, um bis kommenden Donnerstag alle Punkte des US-Friedensplans zu klären. Diese seien komplex, und die Ukraine habe die Forderungen in der vorliegenden Form abgelehnt.
Das ganze Interview sehen Sie oben im Video.
In Genf beraten derzeit Vertreter der Ukraine, der USA und Europas über einen gemeinsamen Ansatz. Merz habe am Freitag mit US-Präsident Donald Trump telefoniert:
Ich habe ihm [Trump] gesagt, dass da Punkte darin sind, denen wir zustimmen können. Andere, die nicht zustimmungsfähig sind, auch für die Ukraine nicht.
Friedrich Merz, Bundeskanzler
Genau darüber werde jetzt in Genf gesprochen, so der Kanzler.
Warum Genf?
Der Verhandlungsort Genf weckt die Vermutung, dass auch Russland an den Verhandlungen teilnehmen könnte: Merz erklärt dazu, die Schweiz sei "logistisch gut und schnell erreichbar" und habe eine "gute Tradition als Standort für solche Verhandlungen".
Ob die Wahl Genfs darauf hindeute, dass Russland bereits auf irgendeine Weise eingebunden sei, wollte er nicht bewerten: Das sei "im Augenblick zu früh, um darüber etwas öffentlich sagen zu können".
Beim G20-Gipfel geht es trotz Trumps Abwesenheit um seinen "Friedensplan" für die Ukraine. Die Europäer üben deutliche Kritik und drängen auf Nachbesserungen.
22.11.2025 | 2:39 minVorsichtige Hoffnung auf Fortschritte
Mit Blick auf das mögliche Ergebnis dieser Woche sagte Merz, er hoffe, "dass es jetzt eine Verhandlungsposition gibt, auf die sich die russische Regierung einfinden kann". Er erinnerte an das gescheiterte Folgetreffen zwischen Putin und Trump nach den Gesprächen in Anchorage im August und sagte, er hoffe sehr, "dass jetzt eine neue Dynamik in diese Gespräche kommt und dass es dann zum Ende der Woche wenigstens einen kleinen Schritt hin zu einem Waffenstillstand gibt".
Europa sei sich in einer Frage einig, betonte Merz:
Das Blutvergießen muss aufhören, der Krieg muss aufhören.
Friedrich Merz, Bundeskanzler
Die Verantwortung dafür liege vor allem in Moskau, das sich bislang einer Rückkehr an den Verhandlungstisch verweigere.
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Debatte über Entstehung der US-Pläne
Zu Spekulationen, an dem 28-Punkte-Plan habe ein russischer Unterhändler mitgeschrieben, sagte Merz lediglich, er lese diese Diskussionen, doch entscheidend sei, dass die Punkte vom US-Präsidenten kämen und nun gemeinsam mit der Ukraine und Europa beraten würden.
Während die Ukraine der Opfer der Hungersnot 1932/33 gedenkt, erleidet das Land eine neue menschengemachte Katastrophe. Am Sonntag wird in Genf über einen US-"Friedensplan" beraten.
22.11.2025 | 1:39 minMerz betonte, Europa müsse "richtig einschätzen, was wir können und was wir nicht können".
Die militärische Macht, diesen Krieg zu beenden, haben wir nicht.
Friedrich Merz, Bundeskanzler
Diese Macht hätten allenfalls die Vereinigten Staaten von Amerika, fügte der Kanzler hinzu. Trumps unkonventioneller Stil habe auch schon im Nahen Osten Bewegung in die Friedensbemühungen gebracht. Ob das auf den Ukraine-Krieg übertragbar sei, sei offen - aber es sei "ein Versuch wert". Deshalb werde in Genf so "intensiv verhandelt".
Das Interview führte Christian Sievers, Zusammenfassung von Jan Schneider.
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