Treffen der EU-Verteidigungsminister:Europa ringt mit sich und um den Frieden in der Ukraine
von Andreas Stamm, Brüssel
Europa steht vor einem entscheidenden Monat: Kann es die Ukraine ohne die USA militärisch und finanziell stützen und wird aus dem 28-Punkte-Friedensplan ein Weg zur Waffenruhe?
Nach den Friedensgesprächen mit Russland zeigen sich die USA und die Ukraine vorsichtig optimistisch. Gemeinsam hatten sie den Friedensplan der USA in Florida überabeitet.
01.12.2025 | 0:23 minEs sind drei große Fragen, die Europa in diesem Dezember politisch in Atem halten. Wie die weitere Unterstützung für die Ukraine gewährleisten? Was wird aus dem sogenannten Friedensplan? Und wie wird Europa militärisch handlungsfähiger, wie wieder ein sicherheitspolitischer Faktor?
Es sind immer dieselben Fragen, die Europas Politiker in diesen Tagen zu hören bekommen, egal ob Regierungschefs, Außenminister oder wie heute die Verteidigungsminister. Und immer mit dabei - die Vertreter der Ukraine und Nato-Generalsekretär Mark Rutte.
Die große Hoffnung - bis Ende des Jahres, kurz vor Weihnachten, beim finalen EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs 2025, zumindest einige Brocken aus dem Weg räumen zu können. Es wäre wohl das größte Geschenk, das sich Europa selbst machen könnte.
US-Außenminister Rubio steht "möglicherweise als einziger an der Seite der Ukraine", sagt ZDF-Korrespondent Theveßen zu den Gesprächen zwischen den USA und der Ukraine in Florida.
30.11.2025 | 2:55 minFriedensplan oder Kapitulationserklärung?
Erst waren sie überrumpelt, ahnungslos. Dann engagiert, um das Schlimmste zu verhindern, und nun in der Warteposition - Europa und der 28-Punkte-Plan. Als die erste Version in Brüssel Runde machte, musste die EU aus der Presse erfahren, was viele als Kapitulationserklärung der Ukraine werteten - der ursprünglich Plan.
Massive Gebietsabtretungen, über die jetzige Frontlinie hinaus. Eine Begrenzung der Größe der ukrainischen Armee, ein russisches Veto bei der Frage der Nato-Mitgliedschaft, ein Plan aus der Feder Moskaus, so schien es. Russland diktiert, die USA nicken, Europa schockiert.
Russland fliegt weiter heftige Angriffe auf die Ukraine. Währenddessen beraten in Florida eine ukrainische und amerikanische Verhandlungsdelegation. Wie nah ist der Frieden?
30.11.2025 | 2:02 minEuropa am Katzentisch?
Nun liegt ein Alternativplan vor, ausgehandelt zwischen Europa, USA und der Ukraine. Alle Fragen, die Europa betreffen, sind raus aus dem Plan, erstmal sollen die Waffen schweigen, dann verhandelt werden. Russland könne vielleicht de facto die eroberten Gebiete kontrollieren, dafür bekomme die Ukraine wirkliche Sicherheitsgarantien, die Russland abschrecken sollen, wieder militärisch aktiv zu werden.
Doch ob Europa bei der finalen Version wieder mit am Tisch sitzt, sei offen, erklärt die sicherheitspolitische Expertin Claudia Major von der Denkfabrik "German Marshall Fund". Nur die, die die Ukraine politisch, militärisch, und wirtschaftlich unterstützen können, seien im Endeffekt gefragt.
Die Europäer büßen jetzt dafür, dass sie in den letzten 20, 30 Jahren zu wenig in ihre militärische Handlungsfähigkeit investiert haben, denn sonst würden sie mit am Tisch sitzen.
Claudia Major von der Denkfabrik "German Marshall Fund"
Sonst könnten sie ja auch einen solchen Plan einfach ablehnen und der Ukraine Hilfe anbieten. Doch die Europäer müssten feststellen, dass sie in den zentralen Bereichen ohne die Amerikaner kaum zurechtkommen. "Und das versetzt Europa de facto an den Katzentisch."
Also heißt es warten und immer wieder versuchen, auf das Team von US-Präsident Donald Trump einzureden, mit ungewissem Ausgang.
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine erschüttert die globale Sicherheitslage. Nun belastet ein Korruptionsskandal Kiew: Der Stabschef steht unter Verdacht, die Energieministerin trat zurück.
28.11.2025 | 1:39 minDurchbruch oder Bankrott-Erklärung?
Wie schwer sich Europa tut, zeigt die Frage der eingefrorenen russischen Staatsgelder. 140 Milliarden Euro will die EU davon an Kiew leiten, um die Ukraine in den kommenden beiden Jahren militärisch über Wasser zu halten.
In einem komplizierten Konstrukt, als zinsloses Darlehen, das erst zurückgezahlt werden muss, falls Russland Reparationen für Kriegsschäden zahlt.
In Florida wird weiterhin um den Friedensplan für die Ukraine gerungen. Was ist von dem Gespräch zu erwarten? ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen analysiert.
30.11.2025 | 1:19 minDoch es gibt rechtliche Bedenken, vor allem in Belgien, wo die Vermögensverwaltung der russischen Gelder ihren Sitz hat. Befürchtet werden russische Klagen, für die Belgien am Ende allein haften könnte. Zudem warnen Kritiker, Europa könne für internationale Investoren an Attraktivität verlieren.
Und schließlich steht das Argument im Raum, die Nutzung der Gelder könne einen Frieden erschweren: Präsident Wladimir Putin hat erklärt, dass jeder Weg zu einem Frieden versperrt sei, sollten die Europäer das Geld nutzen.
Europas einziger Trumpf
Ein Bluff, so Experten, denn die Gelder seien momentan das wuchtigste Pfund der Europäer. Die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu nutzen, sei vielleicht kein alleiniger Gamechanger, erklärt Major.
Es wäre jedoch ein starkes Signal - an die Ukraine, weil ihre Finanzierung auch ohne die USA gesichert wäre, und an Russland, weil Europa zeigen würde, dass es bereit ist, seine eigenen Ängste, Sorgen und Risiken zu überwinden.
Und es würde damit letztlich auch ein Zeichen an die Amerikaner sein, dass die Europäer merken, dass die Ukraine ihre Verantwortung ist.
Claudia Major von der Denkfabrik "German Marshall Fund"
Was umso wichtiger sei, so Major, "denn die USA sind im besten Fall noch ein Vermittler und kein Verbündeter mehr, und drohen immer ins russische Lager abzudriften". Bis zum EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs soll eine Lösung gefunden werden, was das russische Staatsvermögen angeht. In Brüssel, wie so oft, tickt die Uhr.
Gemeinsam oder einsam in die Zukunft?
Wie Europa zukunftsfähig und neuen Bedrohungen gerecht werden kann - darüber werden die EU-Verteidigungsminister ebenfalls beraten, ebenso über den langfristigen Plan.
Der US-Plan für die Ukraine bleibt strittig. Vertreter beider Länder verhandeln in Florida weiter, während Russland mit neuen Angriffen jede Annäherung erschwert.
30.11.2025 | 1:21 minEin zähes Ringen, das gerade erst begonnen hat - mit dem Ziel, bis spätestens 2030 voll einsatz- und reaktionsfähig gegenüber einer möglichen russischen Aggression zu werden. Als Abschreckung, damit es gar nicht erst so weit kommt. Es geht um den Aufbau eigener Fähigkeiten, um in Zeiten der russischen Bedrohung allein handlungsfähig zu sein. Und es ist auch der Tatsache geschuldet, dass die USA kein verlässlicher Partner mehr sind.
Dieses Mantra hört man ständig hinter den Brüsseler Kulissen. Es gehe voran, langsam, aber doch sicher, sagt Sicherheitsexpertin Claudia Major. Und das muss es auch. Denn vielleicht braucht es diese Einsatzfähigkeit schneller als gedacht, auch bei der Bundeswehr.
Deutsche Soldaten in der Ukraine?
Denn sollte der sogenannte Friedensplan doch nicht ins Leere laufen, wird Europa bei den Sicherheitsgarantien gefragt sein. Auch wenn klar sei, dass diese Garantien zum großen Teil von den USA abhängen würden, so Major.
Sollte es zu einem Einsatz in der Koalition der Willigen, in der "Multinational Force Ukraine" kommen, ist es für mich kaum vorstellbar, dass sich Deutschland raushält.
Claudia Major, Sicherheitsexpertin
Der Kanzler habe davon gesprochen, dass Deutschland eine führende Mittelmacht sein soll. Viele europäische Staaten schauten nach Deutschland und erwarteten deutsche Führung, nicht nur im politischen, sondern auch im militärischen Bereich.
Die USA und die Ukraine ringen in Florida um eine Lösung beim Friedensplan. Was darf man von den Verhandlungen erwarten? ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen berichtet.
30.11.2025 | 1:21 minAber ob es bei dieser Runde im Ringen um Frieden in der Ukraine schon so weit sei, da ist Claudia Major skeptisch: "Weder scheint die russische Seite bereit für Frieden zu sein, noch die Amerikaner bereit, sich wirklich dafür ins Zeug zu legen."
Von robusten Sicherheitsgarantien, eigenen Soldaten oder einem klaren Bekenntnis als Verbündeter der Ukraine und Europas sei derzeit nichts zu sehen.
Andreas Stamm ist Korrespondent im ZDF-Studio in Brüssel.
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