US-Rolle in den Friedensgesprächen:Expertin: USA sehen sich nicht mehr als Partner Europas
Unter Präsident Trump rücken die USA laut Expertin Claudia Major von Europa ab. In den Ukraine-Verhandlungen verfolgten sie eigene Interessen und setzten Kiew unter Druck.
"Trump hat das Ziel, diesen Krieg zu beenden - koste es, was es wolle", so Claudia Major, Sicherheitsexpertin beim German Marshall Fund zum US-"Friedensplan" für die Ukraine.
24.11.2025 | 5:19 minDie sogenannte Koalition der Willigen berät am heutigen Dienstag in einer Videokonferenz über den Stand der Ukraine-Friedensgespräche. Der Gruppe gehören rund 30 Staaten an, darunter auch Deutschland und zahlreiche andere europäische Staaten. Das virtuelle Treffen solle es ermöglichen, eine Bilanz der Gespräche in Genf zu ziehen, hieß es aus dem Élysée-Palast in Paris dazu.
Im ZDF-Interview erläutert die Politikwissenschaftlerin und Sicherheitsexpertin Claudia Major die Rolle der USA in den aktuellen Verhandlungen und erklärt, warum Europa sich von der Illusion lösen muss, auf die USA zählen zu können.
Rund 30 Staaten beraten am Dienstag in einer Videokonferenz über die bisherigen Verhandlungsergebnisse zum Ukraine-Friedensplan – darunter auch die USA. Alexander Glodzinski berichtet aus London.
25.11.2025 | 1:01 minLesen Sie das Interview hier in Auszügen oder sehen Sie es oben in voller Länge.
Die Rolle der USA als Verbündeter
Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump beobachtet Expertin Major eine klare Verschiebung in der US-Außenpolitik: weg von multilateralen Bündnissen, hin zu einer machtpolitischen Logik, in der Großmächte - wie die USA und Russland - zentrale Fragen unter sich klären. Die zentrale Botschaft der vergangenen Tage rund um den "Friedensplan" für die Ukraine ist für sie klar:
Es geht bei diesen verschiedenen Plänen nicht nur um die Ukraine, es geht letztlich um Europas Sicherheit, wie sie in Zukunft aufgestellt sein wird und wer dafür eintreten wird. Und da scheiden die USA offensichtlich immer mehr aus.
Claudia Major, Politikwissenschaftlerin Stiftung German Marshall Fund
Der US-Plan für die Ukraine sei kein Friedensplan, sondern eine "üble Erpressung" gegenüber der Ukraine und Europa, sagt die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
25.11.2025 | 4:23 minEuropa und die Ukraine würden in dieser Logik nicht mehr als Partner, sondern als "Informierte" erscheinen, die Entscheidungen letztlich hinnehmen müssten. Ihr Einfluss schrumpfe, betont Major. Das sei eine "harte Lektion" für die Europäer.
In den Plänen ist eine beunruhigende Konstante drin, nämlich, dass die Amerikaner sich ganz offensichtlich nicht mehr als Verbündeter von Europa und der Ukraine sehen, sondern als Vermittler.
Claudia Major, Politikwissenschaftlerin Stiftung German Marshall Fund
Delegationen aus den USA, der Ukraine und Europa haben den umstrittenen US-Friedensplan überarbeitet. Nach Gesprächen in Genf wächst die Hoffnung auf Fortschritte im Friedensprozess.
24.11.2025 | 3:09 minDruck auf Ukraine - nicht auf Russland
Laut Major setzt die US-Regierung nahezu ausschließlich die Ukraine unter Druck, während der Kreml kaum Gegenwind bekomme. US-Präsident Trump verfolge offenbar das Ziel, den Krieg zügig zu beenden, koste es was es wolle.
Die Sicherheitsexpertin befürchtet, dass sowohl die Ukraine als auch Europa dabei zur Verhandlungsmasse werden könnten. Auch das sei Ausdruck der neuen Großmacht-Logik der USA unter Trump.
Der Druck auf Russland funktioniert nicht. Der Druck auf die Ukraine funktioniert. Und damit scheinen letztlich nochmal die Europäer und die Ukraine Verhandlungsmasse zu sein.
Claudia Major, Politikwissenschaftlerin Stiftung German Marshall Fund
... ist seit dem 15. März 2025 Senior Vice President für internationale Sicherheits- und Verteidigungspolitik beim German Marshall Fund. Der German Marshall Fund of the United States (GMF) ist eine 1972 gegründete gemeinnützige Organisation, die die transatlantische Zusammenarbeit in Bereichen wie Sicherheit, Wirtschaft und Demokratie fördert.
Major ist Verteidigungsexpertin mit Schwerpunkt auf Nato, europäischer Sicherheit und transatlantischen Beziehungen. Zuvor war sie Leiterin der Abteilung Internationale Sicherheit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie tätig bei Institutionen wie dem Zentrum für Sicherheitsstudien der ETH Zürich und dem EUISS.
Widersprüche in der US-Politik
Die US-Außenpolitik wirke durch manche Aussagen von Außenminister Marco Rubio, Vize-Präsident JD Vance und Trump teils widersprüchlich. Die häufigen Kurswechsel des Präsidenten würden es zudem schwer machen, künftige Schritte der USA einzuschätzen.
Ausschlaggebend sei jedoch nur ein Faktor:
Im Endeffekt zählt das Wort des Präsidenten.
Claudia Major, Politikwissenschaftlerin Stiftung German Marshall Fund
Man müsse nun das Gespräch von dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Trump abwarten.
"Putin könnte nur von Trump an den Verhandlungstisch gebracht werden. Mit ihm will man verhandeln, mit den Europäern und den Ukrainern ganz bestimmt nicht", so ZDF-Korrespondent Armin Coerper aus Moskau.
25.11.2025 | 3:02 minKonsequenzen der US-Politik für die EU
Europa steht laut Major vor einer "harten Lektion": Die USA seien kein Verbündeter mehr, der eigene Einfluss sinke und am Ende müsse Europa wahrscheinlich irgendwann ein Ergebnis akzeptieren, das europäischen Interessen deutlich widerspreche.
Das Interview führte heute journal-Moderatorin Marietta Slomka. Zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteurin Sophie Steinfeld.
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von Christian Mölling, András Ráczmit Video