"Widerstand gegen Kurs Europas":Was steckt hinter Trumps nationaler Sicherheitsstrategie?
von Katharina Schuster, Washington D.C.
In ihrer neuen Sicherheitsstrategie üben die USA scharfe Kritik an Europa und signalisieren eine Unterstützung rechter Parteien innerhalb der EU. Was das bedeutet.
Das Weiße Haus warnt in einem Strategiepapier vor einer "zivilisatorischen Auslöschung" Europas. Europäische Länder werden auch als verlässliche Verbündete in Frage gestellt.
06.12.2025 | 3:57 minEuropa steht vor großen Problemen, so wird es zumindest in der nationalen Sicherheitsstrategie behauptet, die das Weiße Haus vorgelegt hat. In dem 33 Seiten langen Dokument heißt es unter anderem: In Europa gebe es Zensur und die Opposition werde unterdrückt. Die USA setzten sich deshalb das Ziel, Europa bei einer Kurskorrektur zu unterstützen. Ein Überblick.
Was ist die nationale Sicherheitsstrategie?
In dem Dokument legen die USA ihre außen- und sicherheitspolitischen Leitlinien fest. US-Präsident Donald Trump beschreibt darin die politische Entwicklung in der EU als Bedrohung für amerikanische Interessen.
Konkret werden angebliche Demokratiedefizite und Einschränkungen der Meinungsfreiheit kritisiert. Mit Blick auf Migration heißt es, der wirtschaftliche Niedergang Europas werde von der Gefahr einer "zivilisatorischen Auslöschung" überlagert.
Auffällig scharf fällt die Kritik im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus. Deutschland wird dabei explizit als Beispiel wachsender Abhängigkeiten genannt: Der Ukraine-Krieg habe den Effekt gehabt, Europas - und "insbesondere Deutschlands" - externe Abhängigkeiten zu vergrößern.
In dem Dokument heißt es unter anderem:
- "[...] Widerstand in der Europäischen Union gegen den derzeitigen Kurs Europas fördern."
- "wachsender Einfluss patriotischer Parteien in Europa gibt Anlass zu großem Optimismus."
- "Zu den größten Problemen Europas gehören [...] die Migrationspolitik [...] und die Zensur der freien Meinungsäußerung."
Zugleich beklagt Trump, frühere Strategien hätten die nationalen Kerninteressen der USA vernachlässigt und die Verteidigung anderer Staaten auf die Schultern der US-Bevölkerung abgeladen. Die Zeiten, in denen die Vereinigten Staaten "wie Atlas die gesamte Weltordnung gestützt" hätten, seien vorbei. Künftig gelte "America First".
Wie ernst muss man das Papier nehmen?
Das Dokument müsse "sehr ernst" genommen werden, erklärt ZDF-Korrespondentin Claudia Bates. Die Strategie sei Ausdruck einer völlig veränderten Außenpolitik. Ein zentrales Ziel sei, Migration über die amerikanischen Grenzen hinaus zu bekämpfen und politische Kräfte in Europa zu unterstützen, die dieses Ziel teilen.
Dies geschehe bereits konkret: Außenminister Marco Rubio habe alle US-Botschaften angewiesen, Druck auf Regierungen auszuüben, die "angeblich zu zuwanderungsfreundlich sind". Die AfD rühme sich guter Kontakte in Trumps Umfeld.
Das Strategiepapier der US-Regierung müsse man sehr ernst nehmen in Europa, sagt ZDF-Korrespodentin Claudia Bates. Trump verlange "ideologische Übereinstimmung" mit seinem Kurs.
06.12.2025 | 2:10 minNach Einschätzung von Kristine Berzina vom "German Marshall Fund" sei die nationale Sicherheitsstrategie weit mehr als ein außenpolitisches Grundsatzpapier. Sie sei "eine Erläuterung seiner großen Strategie oder seiner Weltanschauung" und fungiere als "Leuchtturm", der maßgeblich die innenpolitische Agenda beeinflusse.
Die Sicherheitsexpertin betont im Gespräch mit ZDFheute, die Strategie sei klar im Kontext des Kulturkampfes formuliert, der sich durch beide Trump-Regierungen ziehe. Zwar gebe es unterschiedliche Fraktionen innerhalb der Administration, doch in diesem Dokument dominiere ein auf den Werten der Maga-Bewegung basierender Ansatz. Dieser solle letztlich "eine intellektuelle Orientierung für die Politik der Maga-Bewegung bieten".
US-Journalisten sprechen vom gefährlichsten Moment für die Meinungsfreiheit in ihrem Land. Nach dem Attentat auf Charlie Kirk geht die Trump-Regierung massiv gegen Kritiker vor.
24.09.2025 | 6:34 minWas bedeutet das für Europa?
Für Europa bedeute die nationale Sicherheitsstrategie vor allem eine deutliche politische Abkühlung, erklärt Sicherheitsexpertin Berzina. Im Telefongespräch mit ZDFheute betont sie, die Trump-Regierung habe "viel Zeit auf Europa verwendet", allerdings mit "viel Kritik und sehr undiplomatischen Ansätzen". Das Dokument stelle nicht nur das europäische Projekt infrage, sondern auch "die demokratische Legitimität vieler europäischer Staats- und Regierungschefs".
Diese Haltung widerspreche dem Vertrauen, das transatlantische Beziehungen und Nato eigentlich prägen sollten. Berzina spricht gegenüber ZDFheute von einer grundlegenden Enttäuschung Washingtons über Europa, das aus ihrer Sicht keine "autokratischen Gesprächspartner" biete.
Die USA kritisieren Europa in ihrer neuen Sicherheitsstrategie und mischen sich zugusten rechter Parteien in die EU-Politik ein, so analysiert ZDF-Korrespondent Theveßen.
05.12.2025 | 3:28 minDer Leiter des ZDF-Studios in Washington D.C., Elmar Theveßen, erklärt zudem, dass das Dokument behaupte, einige europäische Regierungen untergrüben demokratische Prozesse, weshalb sie für die USA und die Nato "nicht mehr bündnistauglich" seien.
Interessant ist das Ganze, weil eigentlich hier in den USA gerade demokratische Grundprinzipien wie Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, Presse und Meinungsfreiheit abgeschliffen werden.
Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent
Wie reagiert Europa?
Europa steht nach Einschätzung von Sicherheitsexpertin Berzina vor einer schwierigen Aufgabe. Die jetzige Strategie sei für viele europäische Regierungen "ebenso beleidigend wie die Rede von J.D. Vance auf der Sicherheitskonferenz", erklärt sie ZDFheute.
Dabei haben sich die Europäer enorm bemüht, gute zwischenmenschliche Beziehungen zu Präsident Trump und seiner Regierung aufzubauen.
Kristine Berzina, "German Marshall Fund"
Für viele Staats- und Regierungschefs werde es nun schwer, diesen Kurs der Kooperation fortzusetzen.
Gleichzeitig warnt die Expertin: Für Europäer werde es zwar zunehmend unverständlich, "warum eine enge Beziehung zu Washington notwendig ist", dennoch seien die sicherheitspolitischen Abhängigkeiten und die wirtschaftlichen Verflechtungen so groß, dass eine echte Entkopplung schlicht unrealistisch sei. Eine "Entflechtung oder eine ungleiche Beziehung" sei für die europäische Sicherheit ebenso wenig möglich wie für den wirtschaftlichen Fortschritt auf beiden Seiten des Atlantiks. Die neue Strategie werde das Verhältnis daher spürbar belasten, bilanziert Berzina.
ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen sagt, die scharfen Reaktionen europäischer Spitzenpolitiker, vom "Verrat"-Vorwurf Macrons bis zum Hinweis des Bundeskanzlers, Washington spiele "Spielchen", zeigten, dass "ganz offenbar was kaputt geht in der transatlantischen Partnerschaft".
Katharina Schuster ist Reporterin im ZDF-Studio in Washington D.C.
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