Umstrittenes Titandioxid: Warum der Farbstoff in der Kritik steht

Umstrittenes Titandioxid:Titandioxid: Was hinter dem Weißmacher steckt

von Cornelia Petereit
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Tabletten, Sonnencreme oder Wandfarbe: Hier kann Titandioxid enthalten sein - ein Weißmacher, der stark umstritten ist. Warum der Stoff in der Kritik steht.

Ein Mann hält eine Zahnbürste, auf die Zahnpasta aufgetragen wurde.
Der Weißmacher Titandioxid kann auch in Zahnpasta enthalten sein.
Quelle: imago/YAY Images

Titandioxid ist ein weiß färbendes Pigment für die Herstellung von Farben, Papier und Kunststoffen. Aber auch um Produkten einen strahlend glänzenden Überzug zu verleihen, als mineralischer UV-Filter in Sonnencremes sowie in Zahnpasta wird Titandioxid verwendet.
Die Europäische Kommission hatte den Weißmacher Titandioxid in Pulverform als krebserregend eingestuft. Nach einem aktuellen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) darf Titandioxid vorerst aber nicht als Stoff bezeichnet werden, der Krebs erregen kann. Der in der EU zuständige Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) habe nicht alle für die Bewertung relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, wie das höchste Gericht in Luxemburg mitteilte.

Auf Grundlage der Bewertung des Ausschusses für Risikobeurteilung hatte die EU-Kommission den Stoff Titandioxid 2019 als karzinogen eingestuft. Diese Entscheidung muss nun nach dem Urteil zurückgenommen werden. Mit dem Begriff "karzinogen" beschreibt die EU Stoffe, die Krebs erzeugen oder die Krebshäufigkeit erhöhen können.

Der EuGH bestätigte mit der Entscheidung ein Urteil der untergeordneten Instanz. In diesem waren die Richter zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Beurteilung der Anerkennung und Zuverlässigkeit einer wissenschaftlichen Studie, auf die sich die Einstufung von Titandioxid-Pulver stützte, ein offensichtlicher Fehler begangen wurde. Zuvor hatten verschiedene Hersteller, Importeure, Anwender und Lieferanten gegen die Einstufung und Kennzeichnung des Stoffes als karzinogen protestiert.

Mit dem Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2019 wurde Titandioxid nicht verboten, musste aber mit einem Warnhinweis versehen werden.

Quelle: dpa

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Wo kommt Titandioxid vor?

Titandioxid kommt meist als Nanopartikel - so werden Partikel bezeichnet, die kleiner als 100 Nanometer sind - oder als Pigment vor. Es handelt sich in der Regel um ein weißfärbendes, feines Pulver.
Seine Färbeeigenschaften lassen Produkte einheitlich weißer und damit oft optisch ansprechender aussehen, erklärt Marcus Wewer, Agraringenieur und Verbraucherschützer bei der Verbraucherzentrale Bremen. Außerdem habe es eine gute chemische Stabilität.

Die stabile Struktur kann auch über andere Zusatzstoffe erreicht werden, aber die machen das Produkt nicht so schön weiß.

Marcus Wewer, Vorstand Verbraucherzentrale Bremen

Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) werden jährlich weltweit Millionen Tonnen Titandioxid hergestellt, mehr als eine Million davon allein in Europa. Es wird meist als Überzug für Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel verwendet.

In Lebensmitteln wurde Titandioxid unter der Bezeichnung E171 verwendet, als Überzug von Süßigkeiten, Kaugummis, Dragees oder in Backwaren. E171 bestand in der Regel aus Partikeln unterschiedlicher Größe, zum Teil auch aus Nanopartikeln. Seit 2022 ist es in der EU als Zusatzstoff in Lebensmitteln verboten.

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Wie wird Titandioxid aufgenommen?

Titandioxid kann geschluckt und als Nanopartikel über den Darm in verschiedene Organe wie Leber oder Milz gelangen. Bis Titandioxid wieder ausgeschieden wird, kann es zwischen 200 und 450 Tagen dauern. Eine Schädigung des Erbguts könne laut BfR nicht ausgeschlossen werden.
Eine Aufnahme von Titandioxid über die Haut schließt das BfR jedoch aus. Auch auf geschädigter Haut kann Sonnenschutzmittel mit Titandioxid als Schutz vor ultravioletter Strahlung benutzt werden.
Tierversuche haben gezeigt, dass kleinste Partikel aus Pulvern, Sprays oder Lacken beispielsweise als Staub in das Lungengewebe eindringen und dort zur Bildung von Tumoren führen können.
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Titandioxid in Zahnpasta erlaubt

In Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln sowie in Zahnpasta ist Titandioxid erlaubt, auch wenn Nanopartikel durch die orale Aufnahme in den Körper gelangen können. Marcus Wewer, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen, erklärt das auch damit, dass es "nicht in großen Mengen und so regelmäßig wie Lebensmittel" geschluckt werde.
Trotzdem hofft Wewer, dass Titandioxid als möglicherweise krebserregende Substanz "langfristig auch in Zahnpasta verboten werden kann."

Wer auf Nummer sicher gehen will, greift bei Zahncreme auf Naturkosmetik zurück: Da sind viele Stoffe nicht enthalten, die als bedenklich gelten.

Marcus Wewer, Verbraucherzentrale Bremen

Aufschluss über bedenkliche Inhaltsstoffe gebe die Deklarationsliste auf der Verpackung, so Wewer weiter.
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Alternative für Farben, Lacken und Co.

Das strahlende Weiß erhält eine Wandfarbe meist durch Titandioxid. Als Alternative rät Verbraucherschützer Wewer zu kaseinhaltigen Farben, die zwar ein tierisches Erzeugnis, aber "frei von Titandioxid" seien. Allerdings sei die Verwendung nicht auf allen Untergründen möglich, so Wewer.

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Kennzeichnung von Titandioxid in Kosmetika

Titandioxid muss in Hautpflege- oder anderen kosmetischen Produkten in der Inhaltsstoffliste aufgeführt werden. Verpackte Ware trägt demnach folgende Kennzeichnung: "CI 77891" sowie die Klassenbezeichnung "Farbstoff" und "Titandioxid" (englisch: "Titanium Dioxide").
Cornelia Petereit ist Redakteurin der ZDF-Sendung "Volle Kanne - Service täglich".

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Quelle: dpa

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Quelle: Mit Material von dpa

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