VW mit Schadstoff-Problem: Krebserregende Ausdünstungen im Camper

VW mit Schadstoff-Problem:Krebserregende Ausdünstungen im Camper

von S. Dohmeyer, H. Koberstein, P. Kunz
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VW hat Luxuscamper mit hohen Schadstoffwerten im Innenraum verkauft. Anstelle eines Rückrufs empfahl VW den Käufern, bei "Unwohlsein" anzuhalten und an die frische Luft zu gehen.

VW Grand California 680
Soll VW-eigene Qualitätskriterien nicht erfüllt haben: der VW Grand California.
Quelle: Imago

Volkswagen gelobte nach dem Abgasskandal Besserung. Jetzt dokumentiert ein interner Revisionsbericht, der dem ZDF vorliegt, dass Volkswagen offenbar versucht hat, einen erneuten Fehltritt zu kaschieren. VW hatte in Neufahrzeugen sehr hohe Schadstoffwerte festgestellt und seine Kunden über das diese Schadstoffe nicht informiert.
Es geht um den Luxuscamper "Grand California", hergestellt von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Ein "mobiles Zuhause" mit "Wohlfühlkomfort", so das Hersteller-Versprechen.

Emissionsmessungen in Q3/2021 haben ergeben, dass Richtwerte für z.T. krebserregende Stoffe im Innenraum von produzierten Grand California überschritten werden.

VW-interner Revisionsbericht 2022

Ein Volkswagen parkt vor dem Landgericht Braunschweig. Im Strafprozess zur Dieselaffäre sind vier frühere Führungskräfte von Volkswagen wegen Betrugs schuldig gesprochen worden.
Im September 2015, wurde öffentlich, dass Volkswagen Diesel-Abgastests manipuliert hatte. Vier ehemalige Führungskräfte sind wegen Betrugs schuldig gesprochen worden.26.05.2025 | 1:45 min
Das Kunststoffdach des Fahrzeugs erfüllte schon 2018, also vor Produktionsstart, in Labormessungen die VW-eigenen Qualitätskriterien nicht, stellten die internen Prüfer fest. Doch die Konzerntochter VW Nutzfahrzeuge wollte ihren Vorzeige-Camper rechtzeitig zur Saison 2019 auf den Markt bringen - trotz hoher Schadstoffwerte. "Kosten- und Zeitdruck" notieren die Prüfer als Grund.

frontal
Quelle: ZDF

Mehr zu diesem Thema sehen Sie bei ZDF frontal am 01. Juli ab 21 Uhr.

Nach Camper-Nutzung: VW-Kunden berichten von Unwohlsein

Doch dann meldeten sich Kunden bei VW, berichteten von Unwohlsein und Gestank im Fahrzeug.

Wir haben dann eine Nacht im Fahrzeug geschlafen und hatten am Morgen danach beide Kopfschmerzen und brennende Augen.

Sven Warrelmann, Hausarzt und VW-Kunde

Als Sven Warrelmann bei seinem VW-Händler nachbohrte, ob es da ein Schadstoffproblem gibt, habe man ihm versichert, da sei nichts bekannt, so Warrelmann.
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VW sei "nicht erst seit gestern" in Schwierigkeiten, so Frank Bethmann. Trotz einzelner Erfolgsmeldungen seien Aktionäre "mit der Gesamtentwicklung bei Volkswagen nicht zufrieden".16.05.2025 | 1:44 min
Das Ehepaar Lotter aus Köln kämpfte mit "heftigen Kopfschmerzen" in ihrem neuen "Grand California":

Wir sind da mit den Enkelkindern auch mal eine Runde gefahren. Die waren nach einer halben Stunde grün im Gesicht. Und denen war speiübel.

Norbert Lotter, VW-Kunde

VW-Prüfer befürchteten "gesundheitliche Gefährdung"

Die Ausdünstungen im Fahrzeug stammen vom Glasfaser-Kunststoffdach, schreiben die VW-Prüfer im vertraulichen Revisionsbericht. Das dünste "über einen gewissen Zeitraum unterschiedliche Stoffe in den Fahrzeuginnenraum aus".
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Auf dem größten Automarkt der Welt drohen deutsche Marken abgehängt zu werden. Wie Volkswagen dort schneller und günstiger werden will.10.04.2025 | 3:29 min
Wie hoch die Schadstoffbelastung im Innenraum des Neufahrzeugs ist, stellte Volkswagen dann 2021 fest. Der Revisionsbericht dokumentiert sehr hohe Benzol-, Styrol, und Formaldehyd-Werte, die deutlich über den Richtwerten des Umweltbundesamtes liegen.
Bei Überschreitung dieser Werte könne gemäß der amtlichen Angaben "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer gesundheitlichen Gefährdung der Insassen ausgegangen werden", befürchten die VW-Prüfer.

Ich würde das Fahrzeug mit diesen Werten nicht in den Verkauf schicken. Das sind einfach viel zu hohe Werte. Die überschreiten die Richtwerte und sind damit nicht verkehrsfähig aus meiner Sicht.

Dr. Norbert Weis, Bremer Umweltinstitut

Norbert Weis vom Bremer Umweltinstitut hat schon viele Innenräume auf Schadstoffe untersucht. Derart hohe Werte, wie von VW selbst dokumentiert, würde er in Innenräumen gar nicht mehr finden, das sei außergewöhnlich.

VW spricht von "flüchtigen Substanzen"

Volkswagen selbst sieht keine Gesundheitsgefahr für seine Kunden und erklärt auf ZDF-Anfrage:

Da es sich um flüchtige Substanzen aus Kunststoffen handelt, ist deren Konzentration stetig abnehmend.

VW Nutzfahrzeuge auf ZDF-Anfrage

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Experte: VW hätte Kunden aufklären müssen

Gesetzliche Grenzwerte seien hier nicht verletzt, bestätigt Norbert Weis vom Bremer Umweltinstitut, weil es für Innenräume so gut wie keine gesetzlichen Grenzwerte gebe. Allerdings gebe es sogenannte "Gefahrenwerte" des staatlichen Umweltbundesamtes.
"Die werden rein juristisch von den Gerichten und Gutachtern wie Grenzwerte behandelt", so Weis. Die von VW dokumentierten Schadstoffwerte liegen weit über diesen "Gefahrenwerten". Das krebserregende Benzol um das 35-fache, und das neurotoxische Styrol um das 15-fache.

Volkswagen hätte die Kunden aufklären müssen über die massive Überschreitung der Gefahrenwerte, hätte ihnen anbieten müssen, das Fahrzeug zurückzunehmen, alle Kosten zu übernehmen und hätte vor allen Dingen einen Produktrückruf starten müssen.

Umweltrechtler Prof. Martin Führ, Hochschule Darmstadt

Derart hohe Schadstoffe im Auto sei ein Verstoß gegen das Produktsicherheitsgesetz, sagt Prof. Martin Führ, Umweltrechtler und Experte im Chemikalienrecht. Ein Fahrzeug mit derart hohen Schadstoffwerten sei kein sicheres Produkt, VW hätte deshalb einen Rückruf starten müssen.
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Volkswagen rät zur frischen Luft bei Unwohlsein

Volkswagen sieht das anders, weil keine Gesundheitsgefahr bestanden habe. Man habe bei allen neu produzierten "Grand California" ab Frühjahr 2022 das Dach mit einer zusätzlichen Lackschicht von innen versiegelt, um die Emissionen einzudämmen.
Anstelle eines Rückrufs schickte Volkswagen allen Käufern der bis Frühjahr 2022 produzierten "Grand California" einen ergänzenden "Nutzungshinweis". Darin rät VW seinen Kunden, bei Unwohlsein anzuhalten und an die frische Luft zu gehen.
VW, Benzol, Hinweis
Ergänzender Nutzungshinweis von VW Nutzfahrzeuge an Kunden des "Grand California", mit den Baujahren 2019 bis Frühjahr 2022.

Kunde: "Fühle mich vorsätzlich von Volkswagen getäuscht"

"Da hätte ich schreien können" sagt "Grand California"-Besitzerin Angelika Lotter. "Das ist eine Unverschämtheit!"
Auf Einladung des ZDF ließ sie ihren VW-Luxuscamper beim Bremer Umweltinstitut untersuchen, ob viereinhalb Jahre nach Kauf immer noch gefährliche Schadstoffe in der Innenraumluft sind. Das Ergebnis: Der Benzolwert ist nur noch leicht erhöht, die Werte für Benzaldehyd und Styrol gehen über das erwünschte Maß hinaus, so das Gutachten. Doch die "Gefahrenwerte" sind nicht mehr überschritten.
Angelika Lotter und ihr Mann sind jetzt einigermaßen beruhigt, wollen die Sache aber nicht auf sich beruhen lassen. "Ich fühle mich vorsätzlich von Volkswagen getäuscht", sagt Norbert Lotter.
Quelle: ZDF

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