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Analyse
Volkswagen-Dieselaffäre:Haftstrafen für frühere VW-Manager
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Vor fast zehn Jahren flog die Dieselaffäre bei VW auf. Im Betrugsprozess sind nun vier Ex-Manager schuldig gesprochen worden. Strafrechtlich ein Höhepunkt - noch kein Schlusspunkt.
Volkswagen hatte immer ein Händchen für Superlative. Zeitweise größter Autobauer der Welt - und seit dem Dieselskandal und mit den Urteilen heute verantwortlich für den wohl größten Wirtschaftsskandal der deutschen Geschichte aus kriminellem Antrieb.
Im Strafprozess, der nun nach fast vier Jahren zu Ende geht, wurden vier frühere Führungskräfte von Volkswagen wegen Betrugs schuldig gesprochen. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig verurteilte zwei Angeklagte zu mehrjährigen Haftstrafen, zwei Ex-Mitarbeiter bekamen Bewährungsstrafen.
- Ein ehemaliger Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung muss für viereinhalb Jahre ins Gefängnis.
- Zwei Jahre und sieben Monate Haft bekam der frühere Leiter der Antriebselektronik.
- Der ranghöchste Angeklagte, ein Ex-Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen, erhielt ein Jahr und drei Monate auf Bewährung.
- Ein ehemaliger Abteilungsleiter wurde zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.
Richter: Betrug "arbeitsteilig" organisiert
Der Vorsitzende Richter am Landgericht Braunschweig machte deutlich, dass der Betrug mit einer illegalen Abschalteinrichtung in Millionen von Fahrzeugen keine Idee von Einzeltätern gewesen sein kann. Die Strukturen für die Umsetzung des Betruges seien "arbeitsteilig" über verschiedene Ebenen des Konzerns organisiert gewesen. Organisierter Bandenbetrug, so kann man das dann wohl auch sagen.
Die vier Verurteilten heute sind Manager und Ingenieure in verantwortlicher Position gewesen, die sich im Laufe des Prozesses selbst als Bauernopfer darstellten. Immerhin war auch ein VW-Markenvorstand dabei und ein Chef-Motorenentwickler. Großbauern also, wenn schon.
Verfahren gegen Winterkorn derzeit ausgesetzt
Ob auch der ehemalige Volkswagen-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn mitgewusst und mitgehandelt haben könnte, wird vielleicht nie zweifelsfrei beantwortet werden können. Er war ursprünglich Mitangeklagter, aber aufgrund von Krankheit und Unfällen wurde der gesamte Prozess immer wieder verschoben und sein Anteil schließlich abgetrennt. Derzeit ist das Verfahren gegen den 78-Jährigen ausgesetzt.
Den vier Angeklagten sah man heute an, dass sie aus den lichten Höhen in Wolfsburg tief gefallen sind. Zehn Jahre nach dem Dieselskandal hatten sie wohl gehofft, dass Gras über die Affäre wächst, deren Aufarbeitung durch die Komplexität schwierig war und juristisch immer wieder verzögert wurde. Die Hoffnung auf Freispruch dieser VW-Viererbande hat sich aber nicht erfüllt.
Gegenseitige Belastungen während Verfahren
Dabei haben sie sich im Laufe des Verfahrens zum Teil gegenseitig belastet. In eine der Bewährungsstrafen floss sicher ein, dass der betreffende Angeklagte Einblicke in das unrechtmäßige Handeln gegeben hatte. Vor Gericht wurde auch ein Konflikt zwischen Managern und Ingenieuren deutlich. Angeblich haben erstere letztere aufgefordert, ihre technischen Probleme mit allen Mitteln zu lösen. Wenn es sein muss, dann eben auch illegal. Nur solle man sich "nicht erwischen lassen".
Martin Winterkorn trat nach dem Dieselskandal als VW-Boss zurück und versprach geknickt die komplette und rückhaltlose Aufklärung. Wenig ist davon in den Jahren danach wirklich fühlbar geschehen, zumindest nicht von Volkswagens Seite. Trotz aller Bekenntnisse zu einem Kulturwandel und mehr Ehrlichkeit bleib Tarnen und Täuschen offenbar vielfach Wolfsburger Taktik. Kaum einer wollte sich am Skandal um verunreinigte Dieselabgase die Hände schmutzig gemacht haben. Vorsätzlich schon gar nicht.
Richter: Viele Zeugen trugen nicht zur Wahrheitsfindung bei
So hielt es der Richter in Braunschweig an diesem Montag für nötig, zu Beginn seiner Urteilsbegründung darauf hinzuweisen, dass "eine Vielzahl von Zeugen der Wahrheitsfindung nicht Genüge getan haben". Sprich: Es wurde auch von der Zeugenbank weiter vertuscht oder gelogen. Ein Armutszeugnis.
Strafrechtlich hat der Dieselskandal also nun seinen Höhepunkt erreicht, zehn Jahre danach. Seinen Schlusspunkt aber noch lange nicht: Die Verteidigung hat bereits Revision angekündigt und Verfahren gegen 31 weitere Beschuldigte sind noch offen. Ein Schadenersatz-Prozess von Aktionären zieht sich ebenfalls weiter hin.
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