70 Jahre nach der Gründung:Bundeswehr: Armee im stetigen Wandel
von Jan Henrich und Johannes Lieber
Der 12. November 1955 gilt als Geburtsstunde der Bundeswehr. Seitdem hat sie eine wechselvolle Geschichte erlebt - vom Kalten Krieg bis zur Debatte um Auslandseinsätze.
Der 12. November 1955 gilt als Geburtsstunde der Bundeswehr. Seitdem hat sie eine wechselvolle Geschichte erlebt - vom Kalten Krieg bis zur Debatte um Auslandseinsätze.
12.11.2025Einziges Ziel der deutschen Wiederbewaffnung sei es, zur Erhaltung des Friedens beizutragen - mit diesem Satz begrüßte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer die ersten Soldaten der Bundeswehr kurz nach deren Gründung.
70 Jahre später erinnert der aktuelle Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten an dieses Zitat und dieses Ziel. Und er weist gleichzeitig darauf hin, dass sich die Aufgaben der Bundeswehr seit damals immer wieder geändert hätten.
Von der klassischen Landesverteidigung über die "Armee der Einheit" bis hin zur Diskussion um Auslandseinsätze. Die Bundeswehr scheint vor allem eins zu sein: eine Armee im stetigen Wandel.
Die Bundeswehr sei "eine der wichtigsten Streitkräfte unter den europäischen Nato-Partnern", so Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
12.11.2025 | 6:39 min101 Freiwillige waren die ersten Soldaten
Frei von Kontroversen war die Gründung der Bundeswehr nicht. Die Frage, ob Deutschland nach den Verbrechen des Nationalsozialismus überhaupt nochmal eine Armee haben sollte, wurde hitzig diskutiert. Am Ende hatten sich die Befürworter durchgesetzt. Die ersten 101 Freiwilligen wurden am 12. November 1955 ernannt.
Aus Sicht von Militärhistoriker Sönke Neitzel habe bei der Entscheidung vor allem die Wiedererlangung der Souveränität im Vordergrund gestanden.
Ohne die Bundeswehr hätte die Souveränität wahrscheinlich viel länger gebraucht.
Sönke Neitzel, Militärhistoriker an der Universität Potsdam
Das Versprechen, die Bundeswehr mit einer Stärke von 500.000 Soldaten aufzubauen und in die Nato einzubinden, hätte Deutschland in den Verhandlungen mit der US-Regierung damals das nötige Gewicht verliehen, so Neitzel.
Doch damit stand Deutschland in der Pflicht, eine entsprechend starke Truppe aufzustellen. Mit Freiwilligen allein war das nicht zu machen. Es entbrannte die nächste Diskussion um eine Wehrpflicht, die schon im Sommer 1956 verabschiedet wurde.
Spielt das Interesse der Jungen keine Rolle? Beim Thema Wehrdienst fragen sich das viele. Warum die Betroffenen in der politischen Debatte kaum auftauchen.
12.11.2025 | 1:11 minExperte: Bundeswehr wurde nie "generell geliebt"
Eine starke Bundeswehr war wichtig für die internationalen Verbündeten. Die innerdeutsche Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR war schließlich gleichzeitig die Grenze zwischen der Nato und dem "Warschauer Pakt", dem Verteidigungsbündnis osteuropäischer Staaten.
Trotz einer allmählichen Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung wurde die Bundeswehr wurde auch während des Kalten Kriegs nicht "generell geliebt", so Neitzel. Besonders im linken Spektrum war die Kritik an der Bundeswehr weiterhin laut.
Bei der Festrede zum 70. Geburtstag der Bundeswehr machte Bundespräsident Steinmeier auch die aktuelle Wehrpflicht-Debatte zum Thema.
12.11.2025 | 1:47 minBis zum Ende des Kalten Kriegs war die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee. Sie diente nur der Abschreckung. Auslandseinsätze waren bis 1990 rein humanitärer Natur, wie zum Beispiel die Unterstützung nach Erdbeben. Mit der Wiedervereinigung änderte sich das drastisch.
1990er-Jahre: Bundeswehr wird Einsatzarmee
Mit dem Untergang der Sowjetunion hatte die Bundeswehr ihre Hauptaufgabe verloren. Abschreckung gegenüber dem sogenannten "Ostblock" war jetzt nicht mehr notwendig. Es folgten ein massiver Rückgang der Truppenstärke und die Frage: Wohin mit der Bundeswehr?
Die deutschen Streitkräfte beteiligten sich jetzt auch an bewaffneten Operationen der Nato und der UN. Die Neuausrichtung gipfelte schließlich im ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr. 1998 gab der Bundestag für den Einsatz im Kosovo seine Zustimmung.
In sieben Jahrzehnten hat sich die Bundeswehr verändert: Von Adenauer und Kaltem Krieg über die ersten Auslandseinsätze bis zur Rückkehr zu Landes- und Bündnisverteidigung.
12.11.2025 | 2:13 minKurz nach den Angriffen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 wurde im Parlament mit großer Mehrheit der Afghanistan-Einsatz beschlossen. Dieser wird heute selbst von einer Kommission des Bundestags als "strategisch gescheitert" bezeichnet.
Diskussion um "Verteidigungsfähigkeit"
Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die Aufgabe erneut geändert. Abschreckung und Bündnisbereitschaft stehen seither im Vordergrund, "Verteidigungsfähigkeit" ist das Schlagwort der Stunde. Die Frage, wie diese gewährleistet werden kann, prägt auch die Diskussion um den neuen Wehrdienst und vor allem auch die Frage, inwieweit Deutschland es sich leisten kann, allein auf Freiwilligkeit zu setzen.
Denn um die Nato-Ziele zu erreichen, wird die Bundeswehr personell voraussichtlich von derzeit 182.000 auf 260.000 aktive Soldaten aufgestockt werden müssen. Hinzu kommen weitere 200.000 benötigte Reservisten.
Jan Henrich und Johannes Lieber berichten aus dem ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
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