Umwandlungsstopp für Kasernen:Wie die Kriegstüchtigkeit den Wohnungsbau bremst
von Heiko Rahms
Die Pläne für eine zivile Umnutzung von bundesweit 200 ehemaligen Militärstandorten liegen auf Eis. Die Bundeswehr meldet größeren Platzbedarf an. Kommunen werden "kalt erwischt".
200 Kasernen sollten in zivile Verwaltung kommen, um Wohnraum zu schaffen. Doch daraus wird eventuell nichts, weil die Bundeswehr aufrüstet und die Kasernen vielleicht selber braucht.
08.11.2025 | 3:55 minDie Rochdale-Kaserne in Bielefeld liegt nahezu verlassen da, so wie knapp 200 weitere ehemalige militärische Objekte in Deutschland. Es nieselt etwas und der Wind fegt über den ehemaligen Exerzierplatz. Wo früher Wehrmachtssoldaten und später britische Truppen marschierten, ist heute ein großer Parkplatz mit einer Skatebahn.
Eigentlich wollte die Stadt Bielefeld hier Wohnraum errichten, doch das Verteidigungsministerium hat die Stopptaste gedrückt und alle Pläne für eine zivile Umnutzung angehalten. Die Bundeswehr soll aufgestockt werden und dafür braucht sie Platz. Ehemalige Kasernen sollen reaktiviert werden.
Viele Städte wollten ehemalige Bundeswehrstandorte für Wohn- oder Gewerbebauten nutzen – doch das Verteidigungsministerium stoppte die Pläne. Das sorgt für Ärger.
04.11.2025 | 1:34 minWohnungsbau für bis zu 1.500 Menschen gestoppt
Claudia Koch kämpft mit dem Wind auf dem Kasernenareal. Mit Mühe kann sie auf dem großen Platz den Plan mit den Umbauvorhaben ausbreiten. Sie leitet das Dezernat "Wirtschaft und Stadtentwicklung" der Stadt Bielefeld. Der Planungsstopp aus Berlin habe die Kommune "kalt erwischt", denn eigentlich standen sie in den Startlöchern:
Wir wollten 650 Wohneinheiten auf dieser Fläche entstehen lassen. Das bedeutet ungefähr Platz für 1.200 bis 1.500 Menschen.
Claudia Koch, Stadt Bielefeld
Sie zeigt auf die langgestreckten Kasernenbauten. "Die Gebäude wurden in den dreißiger Jahren gebaut. Die Mauern sind dick und die Bausubstanz gut."
Bielefeld: Planungsstopp für insgesamt fünf Liegenschaften
Neben einer weiteren Kaserne sind in Bielefeld noch drei Grundstücke vom Planungsstopp betroffen. Insgesamt also fünf Liegenschaften - einmalig in Deutschland. Auch in der ostwestfälischen Metropole ist der Wohnraum knapp.
Wo dieser alternativ entstehen soll, ist vollkommen unklar. Und so regiert das Prinzip Hoffnung, denn vielleicht wird die "Rochdale-Kaserne" doch noch von der Planungsstopp-Liste genommen.
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Auch in Düsseldorf 1.000 geplante Wohnungen auf der Kippe
In Düsseldorf plante die Verwaltung viele Jahre, was genau mit der "Bergischen Kaserne" passieren soll. Über 1.000 neue Wohnungen sollen hier entstehen. Im Dezember wird der beste Planungsentwurf für den Umbau ausgewählt, doch ob er jemals realisiert wird, ist mehr als unklar.
Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) hofft: "Wir wollen diesen Verfahrensschritt zu einem sinnvollen Ende bringen, um dann entscheiden zu können, wenn ein endgültiges Votum zu dieser Fläche kommt, ob wir weitermachen können oder nicht. Aber, wenn diese Fläche für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes gebraucht wird, dann ist es auch völlig richtig, dass sie dafür in Anspruch genommen wird."
Das geplante Wehrdienstgesetz soll der Bundeswehr neue Rekruten bringen. Uneinigkeit gibt es über eine mögliche Änderung, die ein Losverfahren bei der Rekrutierung vorsieht.
14.10.2025 | 3:00 minBundeswehr nutzt derzeit 13 von 200 Standorten
Die insgesamt 200 Bundeswehr-Standorte sind fast über das gesamte Bundesgebiet verteilt, in West und Ost. Das sind vor allem ehemalige militärische Liegenschaften, die sich grundsätzlich weiterhin für die Bundeswehr eignen. 13 der betroffenen Standorte betreibt die Truppe noch.
Christian Mölling ist Experte für Sicherheitspolitik und war lange bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) tätig. Für ihn hängt alles von der Frage ab, auf welche Art die Bundeswehr vergrößert werden soll. "Ob eine moderne Armee als Stützpunkt auf der grünen Wiese aufgebaut wird mit Schlafplätzen oder ob es besser ist, die Leute in eine bestehende Infrastruktur in der Stadt zu integrieren, weil die sowieso Heimschläfer sind. Dahinter steckt die Frage der Grundkonzeption."
Vonovia bekundet Interesse:Neue Wohnungen für die Bundeswehr als Milliarden-Markt?
Militärexperte: Worauf es bei Bundeswehrstandorten ankommt
Dazu gehört die Frage, welche Regionen für neue Bundeswehrstandorte besonders geeignet sind. Besonders wichtig sei die Nähe zu Übungs- und Schießplätzen. Dass die Standorte möglichst weit im Osten liegen sollten, hält Mölling für keinen Vorteil, denn: "Je näher sie an die Front kommen, umso schneller sind sie ja mit ihrer Infrastruktur unter Feuer."
In den nächsten Tagen wollen Bund und Kommunen darüber verhandeln, welche Standorte vom Umwandlungsstopp betroffen sind.
Heiko Rahms berichtet aus dem ZDF-Studio in Düsseldorf.
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