Ukraine-Krieg: Wie der Krieg Familien zerreißt

Liebe zwischen Flucht und Front:Wie der Krieg ukrainische Familien zerreißt

von Arndt Ginzel und Christian Rohde
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Vater Andrey an der Front, Mutter Tetjana mit Kind nach Deutschland geflohen. Schafft es eine ukrainische Familie, trotz Krieg ihre Liebe zu bewahren? Frontal hat sie begleitet.

Bildcollage: Ukrainisches Ehepaar, beide in Militäruniform, dahinter Polaroid des Paares mit zwei Kindern aus Zeit vor dem Krieg
Der Ukrainekrieg zerreißt auch Familien. Während die einen an der Front kämpfen, suchen vor allem Frauen und Kinder Zuflucht in Deutschland. Doch die Trennung verändert alles.17.02.2025 | 25:56 min
Nastya ist noch kein Jahr alt, als russische Truppen im Februar 2022 in die Ukraine einfallen und ihr Vater Andrey sich freiwillig zur Verteidigung der Heimat meldet. Als er seine Uniform anzieht, abkommandiert wird an die Front, steht seine Ehe vor dem aus. "Dir ist die Familie egal, du hast doch ein Kind, es ist dir egal, was mit mir ist. Kurz gesagt, es war ein Riesen-Krach", erinnert sich Andrey.
Es folgt eine Trennung im Streit. Seine Frau Tetjana flieht mit der gemeinsamen Tochter gleich zu Beginn des Krieges nach Deutschland. Tetjana baut sich in Meißen ein neues Leben auf, eröffnet eine Massagepraxis. Es habe lange gedauert, böse Gedanken beiseitezulegen: über untreue Männer, und all das Schlimme, was der Krieg mit sich bringe, erzählt Tetjana.
"Aber wir haben eine Tochter, und sie leidet unter unseren Auseinandersetzungen." Deshalb habe sie wieder Kontakt aufgenommen mit Andrey, ihrem Mann, dem Soldatenvater. Der kämpft an vordersten Front und so wird das das Mobilfunkdisplay die einzige Beziehungsbrücke - über Wochen, Monate.

frontal
Quelle: ZDF

Die dreiteilige Doku-Serie "Liebe im Krieg" zeigt Familien, die der Krieg in der Ukraine zerreißt. Ihren Kampf um die Liebe, den Umgang mit Trennung und Sehnsucht dokumentieren sie auch mithilfe von Videotagebüchern.

Eine Prinzessinen-Krone erinnert die kleine Tochter an ihren Vater

Anderthalb Jahre nach der Flucht ein Hoffnungsschimmer. Mutter und Tochter reisen nach Okhtyrka, 400km östlich von Kiew, Nahe der Grenze zu Russland. Für ein paar Tage können sie wieder eine Familie sein. Mutter, Vater, Kind.

Unsere Tochter saß ständig auf seinem Schoß, hat mit ihm getanzt. Und da war sie wirklich die kleine Prinzessin. Wahrscheinlich hat er ihr sogar eingeredet, dass sie eine kleine Prinzessin ist.

Tetjana

Das ist jetzt mehr als ein Jahr her. Bis heute laufe Nastja regelmäßig mit einer Krone auf dem Kopf herum, erzählt Tetjana. "Sie spürt, dass er da ist, sie fühlt ihn, aber das passiert alles nur am Telefon."
Bildcollage: Ukrainischer Mann in Militäruniform und mit Gewehr in der Hand, dahinter Polaroid des Mannes mit Frau und Baby aus Zeiten vor dem Krieg
Für Familien, die der Krieg trennt, wird jeder Tag zum Kampf – ums Überleben, gegen die Angst und für die Liebe, die durch Distanz und Ungewissheit auf die Probe gestellt wird.17.02.2025 | 28:48 min

Kurze Videos aus den Schützengräben

Im August 2024 rücken ukrainische Streitkräfte in das russische Kursk-Gebiet vor. Ein Schützengraben in einem Waldstück zwischen den russischen Dörfern Kruglen'koe und Kremyanoe wird für Andrey und seine Kameraden zum einzigen Schutz an vorderster Front. "Die Erde war so hart, dass ich sie Zentimeter für Zentimeter abtragen musste. Ich habe mich gefreut, dass sie so hart und fest war. Mit jedem Spatenstich wuchs die Hoffnung."
Am 17. Oktober schickt Andrey ein kurzes Video an Frau und Kind: "Wir haben ein Loch gegraben. Meine Wohnung. Das ist ein Gesetz im Krieg: Wenn du nicht gräbst, wirst du nicht lange leben."
Wenige Tage später reißt der Kontakt zu seiner Frau Tetjana in Meißen ab, sie macht sich Sorgen: "Das in Worte zu fassen, ist fast unmöglich, denn der ganze Schmerz, alle Emotionen bleiben tief im Inneren. Ich habe keinen Appetit, nur eine ständige Müdigkeit und innere Anspannung. Es ist einfach eine innere Leere."
Bildcollage: Ukrainischer Krankenhausarzt im OP-Kittel, dahinter Polaroid des Mannes mit Frau und dreijähiger Tochter in Zeiten vor dem Krieg
Der Krieg in der Ukraine hat Familien getrennt und ihr Leben verändert, die Hoffnung auf ein Wiedersehen und Frieden bleibt. Doch gibt es für sie noch eine gemeinsame Zukunft?17.02.2025 | 33:10 min

Tetjana: "Der Krieg hat sein Ziel nicht erreicht"

Einen Monat lang bleibt für Tetjana und ihre Tochter unklar, ob Vater Andrey noch am Leben ist. Ende November dann ein Anruf aus einem ukrainischen Krankenhaus, Andrey ist verletzt, schwere Gehirnerschütterung: "Wie geht's der Kleinen?" Der Vater hatte keine Chance, ein Lebenszeichen zu schicken. Im Schützengraben gab es keinen Empfang. "Sie schläft. Sie ist müde, hat sich überanstrengt", antwortet die Mutter und: "Halte durch, du fehlst uns hier. Und Nastya vermisst dich sehr."
Drei Jahre Krieg haben Andrey verändert. Vor allem die Wochen in Kursk haben sich eingebrannt.

Der Krieg zerstört alles. Das Wort 'Krieg' klingt viel zu harmlos. Der Krieg reißt nieder, er löscht jegliche Menschlichkeit aus. Es gibt Hoffnung, aber du kannst nichts planen. Familien zerbrechen. Alles zerbricht.

Andrey

Tetjana sagt, auch sie habe der Krieg verändert, sich daran gewöhnt, allein zu sein mit ihrem Kind. "Als wir uns kennenlernten, waren da Emotionen, Verliebtheit, Hormone. Alles war neu, aber jetzt ist es etwas Altes, das neu aufgebaut werden muss. Aber ich weiß nicht, woher man diese Gefühle nehmen soll." Trotz Trennung, Kampf und Angst - die Hoffnung auf Frieden will sie nicht aufgeben. "Ich würde sagen, dass der Krieg sein Ziel nicht erreicht hat. Meine Liebe zu meinem Mann Andrey ist stärker geworden."
Sehen Sie oben alle drei Teile der ZDF frontal Doku-Reihe "Liebe im Krieg" über Tetjana, Andrey und weitere betroffene Familien.
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