Experte kritisiert Trump: Er lässt sich von Putin vorführen

Interview

Nach Telefonat mit Kremlchef:Experte: Trump lässt sich von Putin vorführen

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Eben noch betonten europäische Staatschefs die enge Abstimmung mit den USA. Nach dem Gespräch mit Putin meint ein Experte: Der US-Präsident lässt sich von Putin vorführen.

Schaltgespräch zwischen Jeff Rathke und Stefan Leifert
Putin lehne einen Waffenstillstand ab, und Trump erhöhe den Druck nicht, sagt der US-Poltikexperte Jeff Rathke. Das ganze Gespräch im Video.19.05.2025 | 3:50 min
Noch vor wenigen Tagen schien sich ein transatlantischer Schulterschluss in der Ukraine-Politik abzuzeichnen - erstmals seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sprachen von engen Absprachen mit dem US-Präsidenten, telefonierten mit ihm während eines gemeinsamen Besuchs in Kiew, verständigten sich auf eine gemeinsame Linie.
Nach dem Telefonat zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten am Montag stellt sich die Lage anders dar: Donald Trump scheint - so der Eindruck - wieder zu seinem bisherigen Kurs im Umgang mit Wladimir Putin zurückzukehren.

Experte: Trump lässt sich von Putin vorführen

"Trump erhöht den Druck auf Russland nicht", sagt Jeff Rathke, Präsident des deutsch-amerikanischen Instituts, im ZDF. Im Gegenteil: Er übernehme "Putins Linie - also Verhandlungen zuerst, einen Waffenstillstand später, wenn überhaupt".
Die Kombo aus Archivbildern zeigt US-Präsident Donald Trump (l) im Oval Office des Weißen Hauses am 04.02.2025 und den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kreml, als er an einer Sitzung des Sicherheitsrates per Videokonferenz am 07.03.2025 teilnimmt.
Der US-Präsident spricht von einem sofortigen Beginn von Verhandlungen nach seinem langen Telefonat mit dem russischen Präsidenten. Der will aber erstmal ein Memorandum erarbeiten.19.05.2025 | 2:37 min
Trump lasse sich "von Putin vorführen", so Rathke. Der zuvor vermittelte Eindruck von Einigkeit mit den westlichen Partnern? Laut dem Experten lediglich eine Ausnahme.

Das Gespräch in Kiew war eine Ausnahme, so sehe ich das.

Jeff Rathke, Präsident deutsch-amerikanisches Institut an der Johns-Hopkins-Universität

Warum Trump auf Druckmittel verzichtet, sei schwer zu sagen. Möglich sei, dass er schlicht "ungeschickt verhandelt". Denkbar sei aber auch, dass wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielten.
"Interessen Europas keine Priorität"
Die ZDF-Korrespondenten in Moskau, Kiew und Washington machen klar, ein baldiger Waffenstillstand und direkte Verhandlungen zeichnen sich nicht ab. Putin "hat sich nicht bewegt". 19.05.2025 | 4:12 min

Überwiegt Trumps wirtschaftliches Interesse?

Trump hatte nach dem Gespräch betont, Russland wolle "im großen Umfang" Handel mit den USA treiben - und signalisiert, dem grundsätzlich zuzustimmen, allerdings unter der Bedingung eines Kriegsendes. "Insofern mag es auch sein, dass Trumps Ziel etwas ganz anderes ist als das europäische und das ukrainische", glaubt Rathke.
Eine ähnliche Einschätzung äußert ZDF-Korrespondentin Claudia Bates in Washington. Das Gespräch zeige, dass die sicherheitspolitischen Interessen Europas für Trump keine Priorität hätten. Ihm gehe es vorrangig um Frieden und ein gutes Verhältnis zu Russland - in der Hoffnung auf wirtschaftliche Vorteile, so Bates.
Prof. Ursula Schröder im Gespräch mit ZDFheute live
Putin spricht von einem Memorandum. Das klinge nicht nach echtem Interesse an Verhandlungen, sagt Konfliktforscherin Prof. Ursula Schröder. Putin spiele nach wie vor auf Zeit. 19.05.2025 | 21:47 min

Experte: US-Friedensbemühungen aufrecht erhalten

Trotz der Irritationen plädiert Rathke dafür, den Dialog mit den USA nicht abreißen zu lassen. "Die USA spielen immer noch eine sehr große Rolle - und könnten künftig eine noch größere Rolle übernehmen." Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte die Bedeutung amerikanischer Beteiligung. In sozialen Netzwerken schrieb er:

Es ist für uns alle von entscheidender Bedeutung, dass sich die Vereinigten Staaten nicht von den Gesprächen und dem Streben nach Frieden distanzieren.

Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Präsident

Rathke hält es für wichtig, darauf hinzuwirken, dass die USA bei künftigen Verhandlungen am Verhandlugnstisch sitzen. Sicher sei das jedoch nicht. "Es gibt auch die Möglichkeit, dass - je länger Russland verweigert, irgendwelche Schritte zu unternehmen - der Frust bei den Amerikanern wachsen könnte", so der Experte.

Also man sollte das nicht aufgeben, aber es wird eine schwierige, lange Zeit sein.

Jeff Rathke, Präsident deutsch-amerikanisches Institut an der Johns-Hopkins-Universität

Wie lange der Geduldsfanden der Amerikaner ist, weiß niemand. Noch am Abend hatte Trump mit dem Ende der US-Bemühungen im Ukraine-Krieg gedroht. Wenn es keine Fortschritte gebe, "werde ich mich einfach zurückziehen", so Trump. Denn: "Dies ist nicht mein Krieg."
Zusammengefasst von Christian Harz, Reporter im ZDF-Auslandsstudio Washington D.C.
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