Militärexperte zu Ukraine-Verhandlungen:Neitzel: Selenskyj muss "manche Kröte schlucken"
Die Gespräche in Berlin haben die Ukraine, Europa und die USA näher zusammengebracht, sagt Militärwissenschaftler Sönke Neitzel. Doch er mahnt: Es geht nichts ohne Russland.
Lässt sich Russland von den Ergebnissen der Gespräche in Berlin und auch zu eingefrorenem Vermögen beeindrucken? Militärhistoriker Sönke Neitzel ist skeptisch.
15.12.2025 | 11:06 min"Ich sehe den Fortschritt vor allem auf diplomatischer Seite in der Zusammenführung der Europäer, der USA und der Ukraine - dieses Verbundes", sagt Historiker und Militärexperte Sönke Neitzel im Anschluss an die Beratungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Vertretern europäischer Länder und den USA in Berlin. Er führt jedoch an:
Einen Waffenstillstand kann es ja nur mit Russland geben. Und über Russland wissen wir eigentlich noch gar nichts.
Sönke Neitzel, Historiker und Militärexperte
Nach Aussagen von Bundeskanzler Friedrich Merz habe man bei den heutigen Verhandlungen über eine Friedenslösung in der Ukraine deutliche Fortschritte erzielt - vor allem bei den Sicherheitsgarantien für das von Russland angegriffene Land. Doch die bisherigen öffentlichen Äußerungen aus Moskau stimmten "nicht sehr hoffnungsfroh", so Neitzel weiter bei ZDFheute live.
Die Europäer und die USA zeigen sich bei Friedensgesprächen in Berlin solidarisch mit der Ukraine. Knackpunkte sind noch immer Territorium und Sicherheitsgarantien.
15.12.2025 | 3:09 minExperte: Selenskyj muss "manche Kröte schlucken"
Russland habe in der Vergangenheit immer Maximalforderungen in Verhandlungen formuliert. "Ich glaube, dass Selenskyj klar ist, dass er so manche Kröte schlucken muss", so der Militärexperte, "auch in Territorialfragen". Zur russischen Position gebe es noch eine erhebliche Differenz.
Es sei offen, ob Russland wirklich bereit sei, einen Waffenstillstand oder Frieden anzustreben, so Neitzel. Wahrscheinlicher als das sei das Szenario, dass Russland weiter auf Krieg und Eskalation setze, "weil er glaubt, dass er diesen Krieg langfristig gewinnen wird".
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Markus Lanz. Das Gespräch in voller Länge.
15.12.2026 | 37:49 minNeitzel skeptisch bei Sicherheitsgarantien durch USA
In Berlin hatte sich auch Wolodymyr Selenskyj zuversichtlich bei möglichen Sicherheitsgarantien für sein Land durch die USA geäußert: "Wir haben jetzt von amerikanischer Seite gehört, dass man bereit ist, Sicherheitsgarantien zu geben, die dem Artikel fünf des Nato-Vertrags entsprechen", sagte er zu den Verhandlungen.
Für Militärexperte Sönke Neitzel wäre es "bemerkenswert", würden die USA solchen Garantien zustimmen. Mit ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie hatten die USA zuletzt eine Abkehr vom Bündnis mit den Europäern angedeutet. Daher sei es nun besonders wichtig, mit den USA mit einer "gemeinsamen Stimme" zu reden.
Was bei den Ukraine-Verhandlungen heute erreicht wurde, berichten die ZDF-Korrespondenten Wulf Schmiese aus Berlin, Armin Coerper aus Moskau und Claudia Bates aus Washington.
15.12.2025 | 4:43 minDass allerdings Sicherheitsstrategien so konzipiert werden, dass im Falle einer Verletzung die USA militärisch gegen Russland agierten, könne er sich nicht vorstellen, so der Politikwissenschaftler.
Letztlich ist die Frage: Sind die Europäer, sind die Amerikaner letztlich bereit, Russland auch ein Stück weit zu einem solchen Frieden zu zwingen?
Sönke Neitzel, Historiker und Militärexperte
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Philip Wortmann. Autor der Zusammenfassung ist ZDFheute-Redakteur Silas Thelen.
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