Waffenruhe in Nahost: "Ohne Druck von außen hält sie nicht"

Friedensplan für Gaza:Waffenruhe in Nahost: "Ohne Druck von außen hält sie nicht"

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Israel und die Hamas werfen sich gegenseitig Verstöße vor, beteuern aber, an der Waffenruhe festzuhalten. Nahost-Experte Busse erklärt, wie aus dem Abkommen Frieden werden könnte.

Benjamin Netanjahu vor einer zerstörten Wohngegend im Gazastreifen

Sechs Tage nach der Freilassung der letzten israelischen Geiseln sprechen wir über die aktuelle Situation in Gaza. Interviews und Einschätzung zur Lage bei ZDFheute live.

19.10.2025 | 31:18 min

Nach zwei Jahren Krieg zwischen Israel und der Hamas gilt erstmals wieder eine Waffenruhe - doch sie steht auf wackligen Beinen. Bereits mehrere gewaltsame Zwischenfälle überschatten das Abkommen, das erst seit dem 10. Oktober gilt. Israel wirft der Hamas schwere Verstöße vor: Palästinensische Kämpfer sollen israelische Truppen mit Panzerfäusten und Scharfschützenfeuer angegriffen haben - hinter der vereinbarten Rückzugslinie. Die Hamas bestreitet die Vorwürfe und beschuldigt ihrerseits Israel, "fadenscheinige Vorwände" für Angriffe zu suchen.

Politikwissenschaftler und Nahost-Experte Jan Busse warnt bei ZDFheute live, dass die Vereinbarung nur halten kann, wenn der internationale Druck hoch bleibt.

Das ganze Gespräch mit Jan Busse zur Lage in Gaza und Israel sehen Sie oben im Video.

Verstöße auf beiden Seiten

Die Lage bleibe "sehr angespannt", erklärt Busse: Zwar hätten sich "beide Seiten, Israel und Hamas, gegenseitig bezichtigt, sich nicht an die Waffenruhe zu halten", doch zugleich erklärten sie, "dass sie sich weiterhin dieser Waffenruhe verpflichtet fühlen". Das sei ein wichtiges Signal, doch ohne Vermittlung von außen drohe das Abkommen schnell zu kippen.

Dieses Bild zeigt ein beschädigtes Fahrzeug und einen trauernden Mann nach einem israelischen Angriff, der Berichten zufolge am 19.10.2025 ein von Journalisten genutztes Haus in der Stadt Al-Zawayda in der Nähe von Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens getroffen hat.

Wieder Tote im Gazastreifen: Nach palästinensischen Angaben kamen bei israelischen Angriffen mehr als 40 Menschen ums Leben. Auslöser sollen Attacken von Hamas-Kämpfern auf israelische Soldaten gewesen sein.

20.10.2025 | 2:13 min

Entscheidend sei, dass die Garantiemächte, "insbesondere die USA, aber auch Katar, die Türkei und Ägypten", den Druck aufrechterhalten. Nur so könne verhindert werden, dass kleinere Zwischenfälle den brüchigen Waffenstillstand zerstören.

Busse sieht auch weitere Verstöße auf beiden Seiten: Israel habe zum Beispiel zugesagt, den Grenzübergang Rafah zu öffnen - eine Bedingung des Abkommens. Dass der Übergang geschlossen bleibt, wertet der Experte als ein Signal an die Zivilbevölkerung:

Man bestraft wieder einmal die palästinensische Bevölkerung, obwohl man gegen die Hamas vorgehen will.

Jan Busse, Universität der Bundeswehr München

Zugleich sei unklar, ob der jüngste Angriff bei Rafah tatsächlich israelischen Streitkräften galt oder bewaffneten Banden, die dort operieren. "Es gibt viele unklare Fragen", so Busse. Umso wichtiger sei es, "dass von außen der Druck hochgehalten wird, dass sich beide Seiten dem verpflichtet fühlen".

Schaltgespräch Reichart Platzhalter

Israel wirft der Hamas Angriffe auf seine Soldaten vor und fliegt Luftangriffe. ZDF-Korrespondent Thomas Reichart berichtet aus Tel Aviv.

19.10.2025 | 1:18 min

Was passiert mit den noch nicht übergebenen Geiseln?

Eine weitere offene Frage ist die Rückgabe der getöteten israelischen Geiseln aus dem Gazastreifen. Busse hält das grundsätzlich für realistisch, aber aufwendig:

Ganz große Teile des Gazastreifens sind flächendeckend zerstört - massiv. Das ist teilweise nur noch eine Schuttwüste durch die permanente Bombardierung.

Jan Busse, Universität der Bundeswehr München

Wie unter diesen Umständen Leichen geborgen werden sollen, sei unklar. Schon in früheren Gesprächen in Scharm el-Scheich hätten sich beide Seiten darauf geeinigt, ein Gremium unter Vorsitz des Internationalen Komitees des Roten Kreuz (IKRK), einzurichten. "Ich glaube, das braucht einfach noch ein bisschen Zeit", sagt Busse. "Sukzessive werden ja auch immer mehr Leichname freigegeben und übergeben."

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Jan Busse, Nahost-Experte
Quelle: Unibw M / Siebold

... ist Nahost-Experte und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr in München.


Wird die Hamas ihre Waffen abgeben?

Während die erste Phase - Waffenruhe, Freilassung von Geiseln und Häftlingen - teils umgesetzt ist, stocken die nächsten Schritte. Israel hat seine Truppen bislang nur teilweise aus dem Gazastreifen zurückgezogen, die Hamas lehnt eine vollständige Entwaffnung ab.

Busse erklärt: "Ein Grund, warum wir jetzt überhaupt eine Einigung erzielt haben, ist, dass genau diese Fragen bisher ausgespart worden sind - weil man wusste, dass sie schwierig zu regeln sind."

Vor allem Israels Premier Benjamin Netanjahu habe auf eine enge Kopplung von Rückzug und Entwaffnung bestanden. "Das ist aktuell absolut unvorstellbar", sagt Busse. Eine komplette Entwaffnung käme für die Hamas "einer Unterwerfung gleich".

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„Ich bin, was diesen ersten Schritt angeht, einigermaßen zuversichtlich“ sagt der Nahost-Experte Jan Busse vor den Verhandlungen in Ägypten. Es blieben aber noch offene Fragen.

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Der ursprüngliche Entwurf des Plans habe nur den Verzicht auf "offensive Waffen" vorgesehen. In der finalen Version aber heiße es, "dass Hamas sich komplett entwaffnen soll".

Busse: "Komplette Entwaffnung ist sehr unwahrscheinlich"

Busse hält eine völlige Entwaffnung der Hamas für unrealistisch. "Das ist ein zentraler Bestandteil ihrer Identität und ihrer Legitimation in der palästinensischen Gesellschaft." Selbst wenn die politische Führung in Doha oder Gaza zustimmen würde, "die militärischen Brigaden, vor allem die al-Qassam-Brigaden, würden das kaum mittragen".

Realistischer sei eine teilweise Entwaffnung, "gekoppelt an internationale Sicherheitsgarantien". Ein mögliches Modell: Hamas gibt Raketen und schwere Waffen ab, behält aber "eine begrenzte Polizeitruppe, die im Inneren für Ordnung sorgen soll".

Doch dafür brauche es "Vertrauen auf beiden Seiten - und davon sind wir, ehrlich gesagt, noch weit entfernt", so Busse.

Palästinenser laufen durch zerbombte Viertel in Gaza-Stadt am 16. Oktober 2025.

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19.10.2025 | 4:05 min

Waffenruhe bringt den Menschen in Gaza Erleichterung

Für die Menschen im Gazastreifen bedeutet die - wenn auch brüchige - Waffenruhe vor allem eines: ein kurzer Moment der Erleichterung, aber keine Rückkehr zur Normalität.

Ein Großteil des Gazastreifens liegt in Trümmern. Hunderttausende Menschen sind obdachlos. Die Infrastruktur - Strom, Wasser, Krankenhäuser - ist weitgehend zerstört"

Jan Busse, Universität der Bundeswehr München

Auch auf israelischer Seite sei das Trauma des 7. Oktober noch immer präsent. "Beide Gesellschaften sind in einem Zustand, in dem Vertrauen kaum möglich ist."

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Umso wichtiger sei es, dass die internationale Gemeinschaft den Prozess jetzt weiter voranbringt. "Wenn das nicht passiert", warnt Busse, "besteht die Gefahr, dass wir in ein paar Monaten wieder an dem Punkt sind, an dem alles von vorne beginnt."

Das Interview führte Christian Hoch, Zusammenfassung von Jan Schneider.

Friedensplan für Gazastreifen
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Seit dem 10. Oktober herrscht eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas - und hat damit den Krieg in Nahost unterbrochen. Doch die Feuerpause scheint fragil. Die News im Blog.
26.01.2022, Berlin: Die Fahnen von Israel und Deutschland wehen vor dem Abgeordnetenhaus Berlin.
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Quelle: ZDF, dpa

Aktuelle Nachrichten zum Nahost-Konflikt