Gaza: Zerstörten Soldaten von Deutschland finanzierte Kläranlage?

Von Deutschland finanziert:Israel: Zerstörten Soldaten absichtlich Kläranlage in Gaza?

von Moritz Müllender

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Wenige Stunden vor dem Teilabzug aus Gaza haben israelische Soldaten offenbar eine Kläranlage angezündet. Deutschland hatte den Bau mit mehreren Millionen Euro finanziert.

Die Abwasseranlage Sheikh Ejleen, gesehen aus einem Flugzeug der deutschen Luftwaffe, das humanitäre Hilfe über dem Gazastreifen abwirft, 06. August 2025.

Die Abwasseranlage "Sheikh Ejleen", gesehen aus einem Flugzeug der deutschen Luftwaffe, das humanitäre Hilfe über dem Gazastreifen abwirft, 06. August 2025. (Archivbild)

Quelle: epa

Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas war schon beschlossen, als israelische Soldaten offenbar die Kläranlage "Sheikh Ejleen" südlich von Gaza-Stadt anzündeten. Das legen Fotos nahe, die in sozialen Medien veröffentlicht wurden und die ZDF frontal vorliegen. Mehrere Soldaten posteten Bilder und Videos der brennenden Gebäude auf ihren Instagram-Kanälen, auf denen hohe Flammen vor einer der wichtigsten Kläranlagen in Gaza zu sehen sind, dazu beispielsweise der Kommentar: "Letzte Erinnerung".

Splitscreen: Gaza-Sniper Daniel G. aus München in Uniform des israelischen Militärs in Gaza (rechts im Bild); zerstörte Gebäude in Gaza-Stadt (links im Bild)

Ein israelischer Scharfschütze aus München soll mit einem Kameraden in Gaza unbewaffnete Zivilisten erschossen haben. In einem Video belastet der Kamerad den Münchner und sich selbst schwer.

01.10.2025 | 14:03 min

Fast 20 Millionen Euro Förderung aus Deutschland

Anlagen zur Wasseraufbereitung sind völkerrechtlich geschützt. Sie zu zerstören, kann ein Kriegsverbrechen sein. Im Fall der Kläranlage "Sheikh Ejleen" kommt noch hinzu, dass sie erst vor wenigen Jahren instand gesetzt und erweitert wurde. Sie filterte das Abwasser von Hunderttausenden Menschen, ehe es ins Mittelmeer geleitet wurde.

Die Einrichtung wurde mit Hilfe aus Deutschland gebaut. 19,7 Millionen Euro flossen nach offiziellen Angaben in den Bau. Das US-Medium "Dropsite News" hatte zuerst über den Fall berichtet.

Die Anlage war Teil eines größeren Projekts des deutschen Entwicklungshilfeministeriums, das die Menschen in Gaza mit sauberem Wasser versorgen sollte. Insgesamt überwies die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) dafür 85 Millionen Euro nach Gaza. Eine erste Kläranlage, die von dem Geld gebaut worden war, wurde nach KfW-Angaben bereits zu Beginn des Gazakriegs "stark in Mitleidenschaft gezogen." Nun traf es "Sheikh Ejleen".

"Letzte Erinnerung": Auf Instagram veröffentlichtes Foto eines israelischen Soldaten.

"Letzte Erinnerung": Auf Instagram veröffentlichtes Foto eines israelischen Soldaten.

Quelle: Dropsite News

Satellitenbilder zeigen Rauchwolken

Das israelische Militär hatte zuletzt nahe der Anlage ein Camp aufgeschlagen. Auf Satellitenbildern waren dunkelgrüne Zelte und Armeefahrzeuge zu sehen. Nach ihrem Abzug stiegen laut einem Satellitenbild des Anbieters Planet Labs Rauchwolken über der Anlage auf. Die KfW bestätigte auf Anfrage "Schäden und Zerstörungen durch das israelische Militär". Wann diese entstanden sind, sei unklar. Die Anlage sei derzeit nicht betriebsfähig. Man habe jedoch keine detaillierten Informationen zum Ausmaß.

Das Feuer habe vier von sechs sogenannten Biotürmen der Anlage beschädigt, sagt Maher Al Najjar von der Organisation, die für das Abwassersystem im Gazastreifen zuständig ist. Sein Team von der Coastal Municipalities Water Utility hat die Schäden vor Ort begutachtet. Die Türme müssten abgerissen und neu gebaut werden, ihre Struktur sei extrem beschädigt, sagt Al Najjar.

Pro Tag fließen derzeit laut dem Experten 50.000 Kubikmeter Abwasser ungefiltert ins Meer. Die Zerstörungen am Abwassersystem könnten dazu führen, dass Abwasser ins Grundwasser gelange und so auch das Trinkwasser verunreinigt würde.

Eine Bildmontage zeigt die 20 israelischen Geiseln, die freigelassen wurden.

Mehr als zwei Jahre waren Geiseln aus Israel in den Händen der Hamas. Jetzt sind auch die letzten überlebenden endlich frei.

14.10.2025 | 5:25 min

Experten: Zerstörung der Kläranlage möglicherweise Kriegsverbrechen

Die vorsätzliche Zerstörung einer für die Zivilbevölkerung lebensnotwendigen Anlage - worunter auch Kläranlagen zählen können - könnte ein Kriegsverbrechen sein, sagt Janina Dill, Völkerrechtsexpertin an der Universität Oxford. Ähnlich sieht es der Jurist Ralph Janik von der Wiener Sigmund-Freud-Privatuniversität. Zumal die Anlage einschließlich Infrastruktur und der "Einfuhr der benötigten Materialien" nach Angaben der KfW "von der israelischen Seite genehmigt und im Detail kontrolliert" worden sei.

Selbst wenn man eine Kläranlage als nicht lebensnotwendig einstuft, ist deren Zerstörung laut Rechtsexpertin Dill mutmaßlich illegal. Ziviles Eigentum zu zerstören, sei nur erlaubt, wenn es dringliche militärische Erfordernisse rechtfertigen.

Das ist im Zuge eines Rückzuges eher schwer vorstellbar.

Janina Dill, Völkerrechtsexpertin Universität Oxford

In den vergangenen Jahren warfen Menschenrechtler der israelischen Armee wiederholt vor, gezielt die Wasserversorgung in Gaza anzugreifen. Die Entwicklungsorganisation Oxfam kam im Juli 2024 zu dem Schluss, dass Israel systematisch die entsprechende Infrastruktur zerstöre. Die Rede war gar von "Wasserkriegsverbrechen". Mark Zeitoun, Direktor des Forschungszentrums Geneva Water Hub an der Universität Genf, wirft Israel vor, Wasser "als Waffe" zu nutzen. Wenn Abwasser wegen zerstörter Kläranlagen ins Trinkwasser gelange, erhöhe sich das Risiko für Krankheiten erheblich.

Wasser soll den Menschen Leben bringen, nicht den Tod.

Mark Zeitoun, Forschungszentrums Geneva Water Hub Universität Genf

thomas-reichart

Bei einem israelischen Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza sind mehrere Medienschaffende getötet worden. Es bestehe der Verdacht eines schweren Kriegsverbrechens, so ZDF-Korrespondent Thomas Reichart.

26.08.2025 | 3:47 min

Israel weist Vorwurf von Kriegsverbrechen zurück

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat stets den Vorwurf von Kriegsverbrechen Israels in Gaza vehement zurückgewiesen. In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung Ende September bezeichnete Netanjahu solche Anschuldigungen als "haltlos". Gegen Netanjahu selbst besteht ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Mehrere Bundestagsabgeordnete fordern indes eine Untersuchung der mutmaßlichen Brandstiftung in "Sheikh Ejleen". Die Zerstörung der Kläranlage durch Einheiten der israelischen Armee stehe "exemplarisch für ein Muster gezielter Angriffe auf zivile Infrastruktur, das seit dem 7. Oktober gut dokumentiert ist", sagt Linken-Politikerin Gökay Akbulut. Die Bundesregierung müsse auf Aufklärung, Wiederaufbau und eine Entschädigung durch Israel drängen.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu spricht vor der 80. Sitzung der UN-Generalversammlung am 26. September 2025.

Bei seiner Rede vor der UN in New York stieß Netanjahu auf Widerstand: Zahlreiche Delegierte verließen den Saal. Zuvor hatten mehrere Länder einen Palästinenserstaat anerkannt.

26.09.2025 | 1:32 min

SPD-Politikerin Sanae Abdi fordert von der Regierung von Benjamin Netanjahu "klare Zusagen, dass die israelischen Streitkräfte beim Rückzug aus dem Gazastreifen keine weiteren mutwilligen Zerstörungen vornehmen."

Israels Militär bestätigte auf Anfrage den "Vorfall" von "Sheikh Ejleen". Er werde derzeit untersucht.

Waffenruhe im Gazastreifen
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Seit dem 10. Oktober herrscht eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas - und hat damit den Krieg in Nahost unterbrochen. Doch die Feuerpause scheint fragil. Die News im Blog.
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