EPG-Gipfel in Kopenhagen als Bollwerk gegen Russland

"Wir sind in einer Zeit des Kriegs":EPG-Gipfel in Kopenhagen als Bollwerk gegen Russland

ZDF-Korrespondent Andreas Stamm
von Andreas Stamm, Kopenhagen
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Die Europäische Politische Gemeinschaft - ganz Europa, 47 Staaten, außer Russland und Belarus, waren in Kopenhagen. Viel Dialog, wenig Entscheidung - und dennoch wertvoll.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, l) kommt zum Abendessen am Schloss Amalienborg im Rahmen des informellen Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs an und wartet mit anderen Gästen auf seine Begrüßung.

Beim informellen EU-Gipfel in Kopenhagen ist eine bessere Drohnenabwehr das zentrale Thema. Der ukrainische Präsident Selenskyj berichtet über Erfahrungen seiner Streitkräfte.

02.10.2025 | 1:49 min

Es ist ein Dialogformat. Zeit für viele bilaterale und Kleingruppen-Gespräche zwischen Europas Staatenlenkern. Kein Gipfel der großen Entscheidungen.

Aber ein Format, das von der Europäischen Union nach der russischen Invasion der Ukraine aus der Taufe gehoben wurde, mit einem klaren Ziel seitens der EU: Die europäischen Nachbarn sollen bei der Stange gehalten werden, damit sie nicht Richtung Russland abdriften.

Und allein dafür lohne sich das Format, erklärt etwa Luuk van Middelaar, vom Brüsseler Institut für Geopolitik. Weil es Verbindungen schaffe, die sonst nicht so eng wären.

Kopenhagen: EU "verteidigungsfähig machen"

"Der Drohnenwall ist ein Bündel an Maßnahmen, um Drohnen aufzuspüren, abzufangen und gegebenenfalls abzuschießen", berichtet ZDF-EU-Korrespondent Andreas Stamm in Kopenhagen zur Rüstungsinitiative 2030.

02.10.2025 | 4:07 min

Tusk: "Wir sind in einer Zeit des Kriegs"

Das große Thema: Europas Sicherheit. Die Gastgeberin, Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, formuliert das Ziel:

Ich würde sagen, wir müssen bis 2030 in der Lage sein, uns vollständig selbst zu verteidigen.

Mette Frederiksen, dänische Ministerpräsidentin

"Wir sind in einer Zeit des Kriegs", ergänzt Polens Regierungschef Donald Tusk. "Putins Propaganda, dass wir diesen Krieg nicht gewinnen können, ist absurd, der einzige Vorteil ist die Mentalität der Russen." Europas Bevölkerung sei viel größer, die Wirtschaftsleistung Polens werde in zwei Jahren mit der Russlands vergleichbar sein. Ökonomisch hätten sie keine Chance.

Dieses Luftbild, das am 1. Oktober 2025 vor der westfranzösischen Hafenstadt Saint-Nazaire aufgenommen wurde, zeigt französische Soldaten an Bord des Tankers der so genannten «Schattenflotte» Russlands.

Europa rüstet sich gegen die Bedrohung aus Russland. Neben einer gemeinsamen Drohnenabwehr geht Frankreich nun auch verstärkt gegen die russische Schattenflotte vor.

02.10.2025 | 1:54 min

Streitpunkt russisches Staatsvermögen

Doch trotzdem ist Geld ein großes Problem. Nicht nur, aber vor allem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will wissen, ob die EU es schafft, die finanzielle Unterstützung aufrechtzuerhalten. Jetzt, wo auf die USA als Geldgeber nur noch bedingt Verlass ist und die Haushaltslage in vielen EU-Mitgliedsstaaten angespannt ist.

Die nordischen Länder, aber auch Deutschland, hatten gehofft, hierzu einen Plan präsentieren zu können. Weit gediehen, abgestimmt beim EU-Gipfel am Vortag. Der Inhalt: Ein Großteil des eingefrorenen russischen Staatsvermögens soll genutzt werden, rund 140 Milliarden Euro, damit die Ukraine weiter militärisch dagegenhalten kann.

Doch es gab stärkere Bedenken als gedacht, wie das rechtlich gehen soll. Wer haften würde im schlechtesten Fall, sollte Russland gegen den von einem Kremlsprecher als "Enteignung" eingestuften Akt rechtlich erfolgreich vorgehen.

Rohöltanker A.M.P.T.C-Sea Jewel

Nach wiederholtem Drohnenalarm in Europa hat Frankreichs Militär ein verdächtiges Schiff aufgebracht, das der russischen Schattenflotte zugerechnet wird. Zwei Personen seien festgenommen worden.

02.10.2025 | 1:49 min

Belgien will Garantien

Vor allem Belgien stellte sich quer, will Garantien, dass es nicht allein haftbar gemacht werden könne. Denn dort sitzt die Bank, die das russische Vermögen verwaltet. Daraufhin legte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nochmal nach. "Es wird in drei Wochen auf dem nächsten Europäischen Rat aller Voraussicht nach dazu eine konkrete Entscheidung geben", erklärte Merz zum Abschluss des Gipfels.

Er werde jeden Weg unterstützen, der es ermöglicht, russische Vermögenswerte zu nutzen. "Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen." Eine Ansage an die Bedenkenträger. Wohl auch, weil es wenig Alternativen bei der Finanzierung zu geben scheint.

"Drohnenstress": Lehrmeister Ukraine

Weitgehende Einigkeit herrschte dagegen bei der Lagebeurteilung - die Bedrohung durch Russland nimmt zu, alle Staaten müssten mehr tun, damit Europa schneller abwehrbereit werde und genug Abschreckungswirkung erzeugen könne. Um dadurch eine weitere Eskalation verhindern zu können.

Wobei man sieht, die Unterstützung der Nachbarn durch die EU, keine Einbahnstraße sein muss. "Am wichtigsten ist heute", erklärt der ukrainische Präsident "dass Europa wirklich mit diesem Drohnenstress konfrontiert ist". Hier habe die Ukraine einschlägige Erfahrung wegen des Krieges, die größte der Welt.

Natürlich werden wir die EU unterstützen, denn sie sind wirklich unsere Freunde.

Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Präsident

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01.10.2025 | 6:56 min

Europa: Bedingt abwehrbereit?

Doch die Freundschaft kennt Grenzen. Denn nicht wenige EPG-Staaten wollen in die EU. Und für die formuliert Albaniens Ministerpräsident Edi Rama glasklar: "Wir warten nicht, wir laufen, und zwar sehr schnell. Es liegt an den Jungs in der EU, uns aufzunehmen, wir werden ein großer Mehrwert sein."

Doch da sind viele aktuelle EU-Mitglieder wesentlich skeptischer und nicht ganz so aufnahmewillig wie gewünscht. Doch trotz vieler offener Fragen, eines eint fast alle Beteiligten: Die Sorge vor der russischen Bedrohung und die Forderung, dass Europa schneller werden muss - um nicht mehr als bedingt abwehrbereit zu gelten.

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