Update am Abend:Die große Kunst, Ratschläge anzunehmen
von Jan Schneider
Guten Abend,
sich Rat zu holen, ist meistens eine gute Idee. Das gilt im Kleinen (etwa, die Anschlüsse einer Regentonne richtig abzudichten) oder auch im Großen, wie aktuell, wenn es darum geht, die Wehrpflicht in Deutschland neu zu regeln: Genau zur Lösungsfindung für diese große Aufgabe hat sich heute der Verteidigungsausschuss des Bundestags Experten eingeladen, um über den neuen Wehrdienst zu sprechen.
Die Sachverständigen haben dabei deutliche Worte gefunden: Sie kritisierten den bisherigen Gesetzentwurf als zu zaghaft und forderten deutlich mehr Tempo bei der Verteidigungsfähigkeit. Einige der heute gehörten Stimmen kennen aufmerksame ZDF-Zuschauer*innen bereits: Militärhistoriker Sönke Neitzel erklärte kürzlich bei ZDFheute live, dass das Modell der Freiwilligkeit nicht ausreichen wird. "Da reichen eigentlich die Grundrechenarten, wenn man die beherrscht."
Und Quentin Gärtner von der Bundesschülerkonferenz mahnte im ZDF-Morgenmagazin, dass mit den betroffenen jungen Menschen bisher viel zu wenig gesprochen wurde. Wir werden sehen, ob die Ausschussmitglieder die gehörten Hinweise und Forderungen der Sachverständigen auch annehmen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius zeigt sich dennoch zuversichtlich, dass sich die Koalition in dieser Woche einigen kann.
Ich bin sehr, sehr optimistisch, weil wir uns annähern, weil der Blick auf die Dinge sich angleicht.
Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister
Eine besonders umstrittene Idee ist nach Informationen unserer Hauptstadt-Korrespondentin Ines Trams vom Tisch: Musterungsbescheide per Los zu verschicken. Genau dieses Verfahren hatte in den vergangenen Wochen für großes Kopfschütteln gesorgt.
10.11.2025 | 2:02 min
In der Anhörung forderte der Bundeswehrverband einen klaren Notmechanismus, falls sich nicht genug Freiwillige melden. Der Verteidigungsausschuss rechnet mit einer finalen Fassung des Gesetzes Anfang Dezember, der Bundestag könnte es dann am 5. Dezember beschließen.
- Pistorius zu Wehrdienst: "Endergebnis" diese Woche möglich
Führungswechsel beim BSW
Im Bündnis Sahra Wagenknecht wurde heute ein kleiner Machtwechsel vollzogen, der sich wie ein großer anfühlt: Parteigründerin, Namensgeberin und Galionsfigur Sahra Wagenknecht zieht sich vom Bundesvorsitz zurück. Sie wolle ihren Kopf wieder frei bekommen für das, was dem BSW wirklich helfe, sagte die 56-Jährige in Berlin. Ganz verschwinden wird sie aber nicht. Wagenknecht plant, eine Grundwertekommission aufzubauen und zu leiten. Und sollte das BSW doch noch in den Bundestag einziehen, sieht sie sich weiter als mögliche Fraktionschefin.
Die ganze Pressekonferenz des BSW können Sie hier bei ZDFheute live nachschauen:
10.11.2025 | 35:43 min
Die Parteiführung soll der Europaabgeordnete Fabio De Masi übernehmen. Der Schritt fällt in eine Phase, in der das BSW sichtbar nach Stabilität sucht. Schon länger steht fest, dass die Partei sich auch symbolisch vom Namen der Gründerin lösen will: Die Abkürzung BSW soll bleiben, "S" und "W" sollen aber nicht mehr für "Sarah Wagenknecht" stehen. Welche Langform künftig auf dem Briefkopf stehen soll, entscheidet der Parteitag Anfang Dezember.
Für das BSW ist das alles Teil einer schwierigen Lage. Wagenknecht hatte das Bündnis erst Anfang 2024 gegründet und war danach schnell zur bestimmenden Figur aufgestiegen. Die frühen Erfolge bei der Europawahl und in Ostdeutschland gaben der Partei Rückenwind. Doch der knapp verpasste Einzug in den Bundestag hat ihr die große Bühne genommen. Bundesweit liegt die Partei nur noch bei drei bis vier Prozent.
BSW stellt sich neu auf: Sahra Wagenknecht gibt Parteivorsitz ab
Konflikt um Neutralität: Was darf Steinmeier sagen?
Zwischen Frank-Walter Steinmeier und der AfD ist ein offener Konflikt entbrannt. Nach der Rede des Bundespräsidenten zum 9. November wirft die AfD ihm "Amtsmissbrauch" und parteipolitische Agitation vor. Steinmeier hatte in seiner Ansprache nicht die Partei selbst genannt, aber deutlich über Brandmauern, Extremismus und ein Parteienverbot als Ultima Ratio der Demokratie gesprochen. Die AfD fühlt sich dadurch direkt getroffen und spricht von einem "Frontalangriff".
Dabei ist die Lage juristisch weniger dramatisch, als die Wortwahl vermuten lässt. Mein Kollege Nils Metzger aus dem ZDFheute-Faktencheck-Team hat sich die Vorwürfe angesehen. Seine Analyse: Eine klare Neutralitätspflicht, wie die AfD sie ins Feld führt, gibt es für Bundespräsidenten nicht. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Amt seit langem einen breiten Spielraum ein, gerade wenn es um die Verteidigung demokratischer Grundwerte geht. Schon 2014 hatte Karlsruhe bestätigt, dass ein Bundespräsident gesellschaftliche Entwicklungen kommentieren und auch zugespitzt formulieren darf.
Politisch bleibt der Streit trotzdem aufgeheizt. Während Vertreter der SPD Steinmeier gegen die Angriffe verteidigen, fühlt sich die AfD "in eine Reihe mit den Nazimördern gestellt" - eine Formulierung, die weit über das hinausgeht, was der Bundespräsident tatsächlich gesagt hat. Steinmeier selbst hat seine Kritik an Verfassungsfeindlichkeit bewusst allgemein gehalten.
- AfD-Kritik an Steinmeier-Rede: Wie neutral muss der Bundespräsident sein?
Weitere Schlagzeilen
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Ein Lichtblick
"Liebespaare bitte Küssen" steht auf einem Schild an einem Lübecker Haus geschrieben - und es scheint zu funktionieren. Es soll mehr Liebe in den Alltag von Paaren bringen, so die Hausbesitzerin:
10.11.2025 | 1:53 min
Zahl des Tages
2,9 Prozent. Bei diesem Wert will Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) den Zusatzbeitrag für die Krankenkassen 2026 belassen. Der Zusatzbeitrag wird von den Kassen erhoben, wenn der allgemeine Beitragssatz nicht ausreicht, um ihre Kosten zu decken. Der Bundestag hat dazu ein Gesetz verabschiedet, das die Ausgaben der gesetzlichen Kassen 2026 um zwei Milliarden Euro senken soll.
- Festlegung auf 2,9 Prozent: Warken will Zusatzbeiträge der Krankenkassen stabil halten
Gesagt
10.11.2025 | 6:52 min
Ich weiß, dass der Diskurs viele aufwühlt. Mich auch. Viele von uns haben sich lange Jahre in der Friedensbewegung engagiert. Ich auch.
Kirsten Fehrs, Ratsvorsitzende der EKD
"Christlicher Pazifismus ist als allgemeine politische Theorie ethisch nicht zu begründen". So steht es in der neuen Friedensdenkschrift der evangelischen Kirche in Deutschland. Der Inhalt ist umstritten:
- Friedensdenkschrift der EKD: Evangelische Kirche nimmt Abschied vom Pazifismus
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London, 1872. Die Welt des Phileas Fogg wird erschüttert von der Postkarte einer alten Liebe, auf der nur das Wort "Feigling" steht. Noch am selben Tag lässt sich der wohlhabende britische Gentleman auf eine fast unmögliche Wette ein - die Welt in höchstens 80 Tagen zu umrunden. "In 80 Tagen um die Welt" nach dem Klassiker von Jules Verne überzeugt auch als Serie. (Sechs Folgen à 50 min)
15.10.2025 | 47:43 min
Sie kämpften im Ghetto, in den Wäldern und selbst noch im Vernichtungslager gegen ihre Verfolger. Und doch sind die Frauen und Männer des jüdischen Widerstands bis heute weitgehend unbekannt. Terra X history macht ihre Schicksale sichtbar. (45 min)
24.01.2025 | 44:53 min
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