AfD-Kritik an Steinmeier-Rede:Wie neutral muss der Bundespräsident sein?
von Nils Metzger
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier positioniert sich zu Brandmauer und AfD-Verbotsverfahren. Hat er so Neutralitätspflichten verletzt? Verfassungsrechtler sehen kein Problem.
Am 9. November jährte sich sowohl die Reichspogromnacht von 1938 als auch der Fall der Berliner Mauer 1989. Bundespräsident Steinmeier fragte nach Lehren für die Demokratie.
09.11.2025 | 2:29 minIn seiner Rede zum 9. November hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch zur Brandmauer und einem möglichen AfD-Parteiverbotsverfahren geäußert - ohne jedoch den Parteinamen AfD explizit zu nennen. AfD-Vertreter werfen dem Staatsoberhaupt nun unzulässige Aussagen und Amtsmissbrauch vor. Er habe gegen Neutralitätspflichten verstoßen.
"Nie hat ein Bundespräsident sein Amt so missbraucht", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, dem "Handelsblatt". Auch Parteichefin Alice Weidel kritisierte die Äußerungen als "parteipolitisch motiviert". Aber ist es korrekt, dass sich ein Bundespräsident so nicht äußern darf?
Was hat Bundespräsident Steinmeier genau gesagt?
Die Wehrhaftigkeit der Demokratie gegen Extremismus war das zentrale Thema von Steinmeiers Ansprache im Schloss Bellevue. Unter anderem sagte er:
Mit Extremisten darf es keine politische Zusammenarbeit geben. Nicht in der Regierung, nicht in den Parlamenten.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Mehrfach nutzte er den Begriff der "Brandmauer", der häufig in Zusammenhang mit dem Umgang der Unionsparteien mit der AfD fällt.
Im Bundestag ist man irritiert über einige AfD-Abgeordnete: Sie wollten sich mit dem früheren russischen Präsidenten Medwedew treffen. Die Fraktion hat das Treffen nun untersagt.
07.11.2025 | 2:44 min"Wer sich gegen den freiheitlichen Kern unserer Verfassung stellt, der kann nicht Richterin, Lehrer oder Soldat sein. Verfassungsfeinde können auch von der Wahl zur Landrätin oder zum Bürgermeister ausgeschlossen werden", sagte der Bundespräsident weiter. "So ein Ausschluss ist nicht per se undemokratisch. Im Gegenteil: Er ist Ausdruck der wehrhaften Demokratie! Genauso verhält es sich im Prinzip mit dem Instrument des Parteienverbots."
Eine Partei, die den Weg in die aggressive Verfassungsfeindschaft beschreitet, muss immer mit der Möglichkeit des Verbots rechnen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Die gesamte Rede können Sie hier nachlesen und hier im Livestream nachschauen:
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat eine Grundsatzrede zu aktuellen Gefahren für die Demokratie gehalten.
09.11.2025 | 33:32 minWie darf sich der Bundespräsident äußern?
Eine eindeutige "Neutralitätspflicht" des Bundespräsidenten, die AfD-Vertreter nun nicht zum ersten Mal anführen, kennt das Grundgesetz nicht.
Die Aufgaben des Bundespräsidenten sind dort insbesondere in den Artikeln 54 bis 61 geregelt. Zweifelsfrei festgelegt ist, dass der Bundespräsident weder ein weiteres besoldetes Amt, einen Beruf oder eine Leitungsfunktion in einem Unternehmen ausüben darf. Politische Äußerungen, auch zu strittigen oder tagesaktuellen Themen, sind jedoch nicht untersagt.
Auch wenn es keine Vorschrift im Grundgesetz gibt, die dem Bundespräsidenten politische Stellungnahmen ausdrücklich verbietet, so hält sich das Staatsoberhaupt in aller Regel mit öffentlichen Äußerungen zu tagespolitischen Fragen zurück.
Webseite des Bundespräsidenten
Das ist Ergebnis seit Jahrzehnten gelebter Praxis, nicht unumstößlicher rechtlicher Pflichten. Ähnlich verfahren Bundespräsidenten etwa mit einer Parteimitgliedschaft, im Falle Steinmeiers bei der SPD, die während der Amtszeit ruht.
Die "Mitte-Studie" von Uni Bielefeld und FES zeigt: Rechtsextreme Einstellungen gehen leicht zurück, doch viele zweifeln an der Demokratie und misstrauen Geflüchteten.
06.11.2025 | 1:29 minWas sagt das Bundesverfassungsgericht dazu?
Wie sich der Bundespräsident öffentlich äußern darf, musste auch bereits das Bundesverfassungsgericht klären. 2014 klagte die rechtsextreme Partei NPD vergeblich gegen den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, nachdem dieser ihre Anhänger als "Spinner" bezeichnet hatte.
Das Gericht räumte Amtsinhabern damals einen weiten Gestaltungsspielraum bei öffentlichen Aussagen ein. Das Amt sei auch darauf ausgerichtet, die Entwicklung der Demokratie im Land grundsätzlich zu kommentieren.
Der Bundespräsident "verkörpert die Einheit des Staates. Autorität und Würde seines Amtes kommen gerade auch darin zum Ausdruck, dass es auf vor allem geistig-moralische Wirkung angelegt ist", heißt es in der Urteilsbegründung vom 10. Juni 2014.
Wie hast Du's mit der AfD? Schadet die Brandmauer der extremen Rechten oder nützt sie ihr? Die Union streitet. Kanzler Merz zumindest findet klare Worte.
20.10.2025 | 2:52 minVerfassungsrechtler: Steinmeier darf sich so äußern
Auch der Verfassungsrechtler Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaft Speyer hält Steinmeiers aktuelle Äußerungen für rechtlich unproblematisch. "Sie halten sich klar in dem vom Bundesverfassungsgericht definierten Rahmen", schreibt Wieland ZDFheute.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entscheidet der Bundespräsident selbst, wie er seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben mit Leben füllt. Dabei kommt ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
Joachim Wieland, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaft Speyer
"Es steht ihm frei, nicht nur die Risiken und Gefahren für das Gemeinwohl, sondern mögliche Ursachen und Verursacher zu benennen." Auch eine "zugespitzte Wortwahl" sei möglich, so Wieland.
Die AfD in Sachsen-Anhalt könnte bei der Landtagswahl nächstes Jahr stärkste Kraft werden. An der Universität in Halle wird im Rahmen einer Projektwoche über die politische Lage im Land diskutiert.
31.10.2025 | 2:07 minFazit
Nach bisheriger Rechtsprechung handelt Bundespräsident Steinmeier mit seinen Äußerungen zur Brandmauer und Parteiverbotsverfahren im Rahmen der Freiheiten seines Amtes.
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