Krisen-Unterricht: Debatte um Vorstoß von Innenminister Dobrindt

Debatte um Krisenunterricht an Schulen:Schulfach Krieg und Katastrophen?

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Innenminister Dobrindt will Schüler besser auf Extremsituationen vorbereiten. Während Grüne und Lehrerverband grundsätzlich zustimmen, wirft ihm die AfD "Kriegspropaganda" vor.

Klassenzimmer

Wie sich verhalten, wenn Naturkatastrophen eintreten oder Deutschland angegriffen wird? Bundesinnenminister Dobrindt schlägt jetzt vor, Krisenvorsorge auf den Lehrplan zu bringen - mit geteiltem Echo.

28.10.2025 | 2:32 min

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will Schülerinnen und Schüler besser auf Krisen- und Kriegsfälle vorbereiten. Sein Vorschlag: In jeder Schule soll es einmal im Jahr eine Doppelstunde geben, in der über Bedrohungsszenarien gesprochen und Verhaltensweisen im Ernstfall vermittelt werden. "Mein Vorschlag ist, dass in einem Schuljahr in einer Doppelstunde mit älteren Schülern darüber diskutiert wird, welche Bedrohungsszenarien es geben kann und wie man sich darauf vorbereitet", sagte Dobrindt in einem Interview mit dem "Handelsblatt".

Der CSU-Politiker will das Thema mit den Kultusministern der Länder besprechen. Es gehe, so Dobrindt, nicht um ein neues Schulfach, sondern um Aufklärung und Vorsorge.

Zustimmung und Kritik aus der Politik

Zustimmung kommt unter anderem vom Deutschen Lehrerverband. Dessen Präsident Stefan Düll sagt, Dobrindt habe recht, "dass wir den jungen Leuten reinen Wein einschenken müssen, dass wir ihnen die Wahrheit sagen müssen über die Krisen und Katastrophen, die uns bedrohen - einschließlich kriegerischer Bedrohung". In welcher Form das geschehen solle, müsse jedoch jede Schule selbst entscheiden.

Ein Notfallpaket aus der Krisenvorsorge mit typischen Bestandteilen wie Wasser, Radio, Taschenlampe, Konserven, Erste-Hilfe-Set, Streichhölzern, Feuerzeug, Hygieneartikeln, Handschuhen...

Rheinland-Pfalz will mehr Bewusstsein für Notfälle wie heftige Stürme und Stromausfälle schaffen. Dies umfasst Vorräte an Lebensmitteln, Batterien und Medikamenten im Haushalt.

22.08.2025 | 1:28 min

Der grüne Bundestagsabgeordnete Leon Eckert, Experte für Bevölkerungsschutz, begrüßt den Vorschlag grundsätzlich.

Ich glaube, Ängste entstehen dann, wenn man eben nicht darüber spricht, was passieren kann und wie man sich selber helfen kann.

Leon Eckert, Grünen-Politiker

Offene Gespräche über Krisen könnten Ängste abbauen und zu mehr Selbstsicherheit führen.

Von der Opposition kommt aber auch scharfe Kritik. Die Linke warnt vor "Angstmacherei" und einem unbedachten Umgang mit psychischen Belastungen bei Jugendlichen. Die AfD geht noch weiter und spricht von "absolut ekelhafter Kriegspropaganda". Innenminister Dobrindt wolle Kinder "kriegstüchtig machen", sagt AfD-Chef Tino Chrupalla.

Bundesschülerkonferenz mahnt pädagogisches Konzept an

Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, steht dem Vorschlag mit Vorbehalten gegenüber. Grundsätzlich halte er es "für richtig, dass wir als Schüler auf die Zukunft vorbereitet werden". Wichtig sei aber, dass das Thema sensibel vermittelt werde, so Gärtner im ZDF-Morgenmagazin:

Ob das wirklich damit getan ist, dann einmal im Jahr so eine Doppelstunde zu veranstalten - das wage ich zu bezweifeln.

Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz

Quentin Gärtner

"Die Schüler, die wissen, was sie im Krisenfall zu tun haben, sind weniger mit Ängsten konfrontiert", sagt Quentin Gärtner, Generalsekretär Bundesschülerkonferenz zu Dobrindt-Vorschlag.

28.10.2025 | 5:38 min

Gärtner fordert, Schulen müssten psychologisch und sozialpädagogisch besser ausgestattet sein, um Krisenthemen verantwortungsvoll zu behandeln. "Da braucht es Beratung von Schulpsychologie und Schulsozialarbeit - Fachkräfte, die an Schulen leider bitter fehlen."

Er verweist zudem auf die Erfahrungen der Corona-Pandemie: Viele junge Menschen hätten unter Einsamkeit und psychischen Belastungen gelitten. "Wir haben einen Zustand, dass mehr als jeder vierte Schüler seine eigene Lebensqualität als gering beschreibt", sagt Gärtner. Wenn man eine "resiliente Gesellschaft" schaffen wolle, müsse Schule nicht nur auf Krisen vorbereiten, sondern auch die mentale Gesundheit stärken.

Forderung nach Einbindung junger Menschen

Zugleich kritisiert Gärtner, dass die Politik junge Menschen zu selten in Entscheidungsprozesse einbeziehe.

Wir können keine Politik machen, die auf junge Menschen angewiesen ist, aber nicht mit ihnen redet.

Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz

Wenn über Themen wie Wehrpflicht oder Krisenvorsorge gesprochen werde, müssten Jugendliche "von Anfang an mit am Tisch sitzen, wenn die Entscheidungen getroffen werden".

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Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland läuft. Die Koalition bringt ein Losverfahren ins Spiel, falls es nicht genügend Freiwillige gibt. Was sagen Betroffene dazu?

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Quelle: ZDF

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