Naturkatastrophenbericht:Warnsignale aus den Bergen
von Peter Aumeier
|
Waldbrände in den USA, Felsstürze in den Alpen - der Münchner Versicherer Munich Re bilanziert Schäden von 131 Milliarden im ersten Halbjahr. In den bayerischen Alpen reagiert man.
Milliardenschäden durch Naturkatastrophen - Deutschland versucht Vorsorgemaßnahmen zu treffen.29.07.2025 | 1:31 min
Es ist eine gigantische Summe: 131 Milliarden US-Dollar an Schäden durch Naturkatastrophen weltweit, allein im ersten Halbjahr 2025. Dabei verursachten die Feuer bei Los Angeles im Januar den höchsten Waldbrandschaden aller Zeiten.
"Diese 131 Milliarden Dollar an Schäden, das ist höher als im langjährigen Schnitt", sagt Tobias Grimm, Klimaexperte der Munich Re: "Für uns als Versicherungsindustrie waren es sogar 80 Milliarden Dollar. Das ist der zweithöchste Wert, den die Versicherungsindustrie jemals registriert hat."
Der Klimawandel ist real und wir sind die Ursache. Warum handeln wir nicht?28.07.2025 | 27:48 min
Schäden durch Naturkatastrophen: Regionale Auswirkungen oft enorm
Neben den großen und teuren Naturkatastrophen zeichne sich ein neuer Trend ab: "Manchmal sind es eben nicht die großen Einzelkatastrophen, sondern die vielen lokalen Ereignisse. Das Grundrauschen wird lauter. Wir sehen immer mehr an lokalen Unwetterereignissen. Viele Menschen spüren das auch."
Bei einem Gesamtschaden von 131 Milliarden wirke die Schadenssumme von 5 Milliarden US-Dollar allein in Europa fast schon gering, meint der Experte. Dennoch seien die regionalen Auswirkungen oft gravierend - vor allem in den sensiblen Hochgebirgsregionen der Alpen.
Woher soll das Geld kommen, das künftig zur Bewältigung der Klimakrise benötigt wird? Diese Frage stand im Mittelpunkt der UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan.11.11.2024 | 2:41 min
Klimaresilienz im Alpenraum aufbauen
Besonders deutlich wurde dies im Mai im Schweizer Lötschental, wo ein massiver Bergsturz Millionen Tonnen Schutt und Eis ins Tal schleuderte. Das Dorf Blatten wurde fast vollständig verschüttet. Ein Großteil der Schäden war versichert.
Wissenschaftler sehen in solchen Ereignissen eine direkte Folge der Erderwärmung: Schmelzende Gletscher und auftauender Permafrost destabilisieren Berghänge und erhöhen das Risiko von Fels- und Geröllabgängen. Auch in Norditalien und Süddeutschland kam es zu schweren Unwettern.
Die USA verzeichneten im ersten Halbjahr die höchsten Schäden durch Naturkatastrophen, insbesondere durch Buschbrände bei Los Angeles mit einem Gesamtschaden von 53 Milliarden US-Dollar, davon etwa 40 Milliarden versichert. Auch schwere Gewitter mit Tornados verursachten Schäden von rund 34 Milliarden US-Dollar. Ursachen für die Brände waren ausgefallene Regenperioden, starke Winde und dichte Vegetation - und das im Winter während der sonst üblichen Regenperiode
Trotz zahlreicher Wetterkatastrophen lagen die Schäden in Europa bei 5 Milliarden US-Dollar etwas niedriger als im selben Zeitraum des Vorjahres. Etwa die Hälfte davon war versichert. Die teuerste Katastrophe war eine Gewitterfront mit Hagel in Frankreich, Deutschland und Österreich (1,2 Milliarden US-Dollar Schaden). In der Schweiz verursachte ein Bergsturz im Wallis Schäden von rund 500 Millionen US-Dollar. Das zuvor evakuierte Dorf Blatten wurde fast vollständig zerstört. Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang mit dem Klimawandel durch schmelzende Gletscher und tauenden Permafrost. Dabei ist die Alpenregion besonders betroffen.
Ein Erdbeben in Myanmar (Magnitude 7,7) forderte ca. 4.500 Todesopfer und verursachte Schäden von 12 Milliarden US-Dollar. Zyklon Alfred traf Australien mit Überschwemmungen und Stromausfällen (3,5 Milliarden US-Dollar Schaden). In Taiwan führte ein Beben zu Produktionsausfällen in der Halbleiterindustrie. Zwei Zyklone verursachten in Réunion und Mosambik Schäden von 1,5 Milliarden US-Dollar. Insgesamt beliefen sich die Schäden in Asien-Pazifik und Afrika auf 29 Milliarden US-Dollar; lediglich 5 Milliarden davon waren versichert.
Die Aufgabe für Verantwortliche sei klar: Besonders die Menschen im Alpenraum müssten sich auf den Klimawandel einstellen. Das Fachwort dafür: Klimaresilienz, also, wie gut können Menschen, Städte oder die Natur künftig mit den Folgen des Klimawandels umgehen und sich gegebenenfalls auch anpassen.
Der Klimawandel setzt den Alpen mächtig zu: Gletscher schmelzen, Pflanzen und Tiere verschwinden, Bergstürze und Lawinen bedrohen die Menschen. Was wird aus dem Naturparadies?11.04.2023 | 43:37 min
Gemeinden in den Alpen reagieren
Ein konkretes Beispiel für notwendige Klimaanpassung findet sich oberhalb von Garmisch-Partenkirchen. Dort baut das Wasserwirtschaftsamt Weilheim am Ferchenbach ein neuartiges Schutzbauwerk - ein sogenannter Wildholzrechen, also ein Gitterbauwerk, das Treibholz zurückhält. Ziel: Die Menschen und die Ortschaft vor zerstörerischen Fluten und Treibholzlawinen zu schützen.
Obwohl unscheinbar, gilt der Wildbach oberhalb von Garmisch-Partenkirchen als gefährlicher. "Wir haben speziell am Ferchenbach das Problem, dass wir beidseitig vom Bach rutschgefährdete Hänge haben", erklärt Horst Hofmann, Sachgebietsleiter Wasserbau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. "Beim Hochwasser gräbt der Bach an den Hangflanken, die Hänge fangen zu rutschen an. Die Bäume werden mitgerissen und mit dem Abfluss raus transportiert." Die Gefahr sei real.
Laut einer Studie beschleunigt sich das Abschmelzen der Gletscher, vor allem in den Alpen und Pyrenäen. Der Klimawandel ist die Hauptursache für den dramatischen Eisverlust. 20.02.2025 | 1:42 min
Umfassende Strategie zur Klimaanpassung
Das zeigen die Ereignisse vom 12. Juni 2018. Ein schweres Unwetter hatte zahlreiche Bäume entwurzelt und mitgerissen. Das Holz blockierte den Bachlauf und löste eine plötzliche Flutwelle aus. "Es geht tatsächlich um Leib und Leben", betont Hofmann. "Es hat ja einen Toten gegeben bei dem Ereignis 2018. Die große Befürchtung ist, dass bei einem lokalen Ereignis etliche Leute in der Klamm betroffen sind oder ums Leben kommen."
Das Projekt ist Teil einer umfassenden Strategie zur Klimaanpassung. "Wir rechnen bei unseren Baumaßnahmen mit dem Klimazuschlag", sagt Hofmann. "Auf das hundertjährliche Hochwasser werden 15 Prozent auf den Abfluss draufgeschlagen." Doch das könnte bald nicht mehr reichen.
Im Alpenraum, speziell im Landkreis Garmisch, werden sich die Niederschläge deutlich nach oben schrauben. Vielleicht müssen wir künftig mit 30 oder sogar 40 Prozent rechnen.
„
Horst Hofmann, Sachgebietsleiter Wasserbau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen
Unser Wetter wird extremer. Die Ahrtalflut war die teuerste Naturkatastrophe der deutschen Geschichte. Welche Rolle spielt der Klimawandel, und wie schützen wir uns vor Extremwetter?30.11.2023 | 28:41 min
Klimatologe: Schadenprävention betreiben
Auch der Chefklimatologe der Munich Re, Tobias Grimm, rechnet mit weiterhin steigenden Schäden. "Es gibt keine Entwarnung. Unwetterschäden nehmen weiterhin zu". Dabei verweist er auf die Klimaanpassung, also auf Prävention: "Es gibt zahlreiche Studien, die aufzeigen, dass Investitionen in Schadenprävention, also in Anpassung, sich auszahlen und derartig amortisieren, dass man hinterher weniger Schäden bezahlen muss.
Im Oktober dieses Jahres soll der sogenannte "Wildholzrechen" am Ferchenbach fertig sein, Kostenpunkt: 2,75 Millionen Euro. Investitionen in die Zukunft, die sich rechnen könnten.
Peter Aumeier ist Redakteur im ZDF-Landesstudio München.
Der Klimawandel schreitet voran - abgeschwächt wird er, wenn wir weniger CO2 und andere Treibhausgase ausstoßen. Wichtige Daten zum Klimawandel im Überblick: