Klimagutachten: Warum Umweltschutz ein Menschenrecht ist
Klimagutachten des IGH:Warum Umweltschutz ein Menschenrecht ist
von Charlotte Greipl
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Der Internationale Gerichtshof unterstreicht die Verantwortung von Staaten, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Sein Gutachten dürfte viele Klimaklagen nach sich ziehen.
Der Internationale Gerichtshof erklärt eine „saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt“ zum Menschenrecht. Das Gutachten hält Schadensersatzzahlungen für möglich.23.07.2025 | 2:00 min
Es ist ein deutlicher Paukenschlag: Wenn Staaten ihrer Pflicht zum Klimaschutz nicht nachkommen, ist das nicht bloß ein politisches Versagen - es ist eine völkerrechtswidrige Handlung und kann unter Umständen zu Schadenersatzforderungen führen.
Großes Interesse an Verfahren
Am Mittwochabend verlas Iwasawa Yuji, der Präsident des Internationalen Gerichtshofs (IGH), das weltweit mit Spannung erwartete Gutachten des höchsten UN-Gerichts. Bei den Anhörungen im vergangenen Dezember kamen 98 Staaten und zwölf internationale Organisationen zu Wort - ein Rekord, der das große Interesse an dem Verfahren zeigt.
Zwei Fragen sollte das Gutachten beantworten: Welche völkerrechtlichen Pflichten haben Staaten, um das Klima vor den Auswirkungen von Treibhausgasen zu schützen? Und welche Verantwortung haben Staaten, die das Klima besonders belasten, gegenüber solchen, die besonders unter den Folgen von Klimawandel leiden?
Der kleine Inselstaat Vanuatu, der schon jetzt massiv unter den Folgen des Klimawandels leidet, hatte das Gutachten initiiert. Der Pazifikstaat argumentiert, dass die Staaten, die mit dem Ausstoß von Treibhausgasen für die Folgen des Klimawandels maßgeblich verantwortlich seien, nicht nur gegen Vorgaben zum Umweltschutz, sondern auch gegen Menschenrechte verstießen.
Und tatsächlich: Das Gericht folgte dieser Argumentation. Eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt sei ein Menschenrecht und Voraussetzung für das Ausleben von Freiheitsrechten, heißt es in dem Gutachten. Die Umwelt zu schützen ist also kein Selbstzweck - sondern dient vielmehr dem Schutz von Menschenrechten.
Gibt es im Völkerrecht eine Pflicht zum Klimaschutz? Ein von pazifischen Inselstaaten, die stark vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind, forciertes Gutachten gilt als wegweisend.23.07.2025 | 1:53 min
Deutschlands zweischneidige Haltung
Deutschland hatte den Antrag Vanuatus von Anfang an unterstützt. In der Anhörung im Dezember des vergangenen Jahres betonte der Prozessbevollmächtigte Professor Andreas Zimmermann, man sei froh, durch das Verfahren Klarheit zu bekommen, welche internationalen Regeln in Bezug auf Klimawandel und Erderwärmung gelten sollten.
Doch Zimmermann äußerte auch Bedenken: Aus Menschenrechtsverträgen folge keine weitergehende Verpflichtung zum Klimaschutz. Denn, so Zimmermann, Menschenrechtsverträge verpflichteten Staaten zum Schutz von Individuen vor Menschenrechtsverletzungen - und nicht dazu, "abstrakte Personen vor abstrakten Risiken" zu schützen.
Doch Grund für die skeptische Haltung Deutschlands dürften nicht nur juristische Erwägungen sein: Denn Deutschland zählt zu den größten Treibhausgasemittenten weltweit. Und in dem Gutachten geht es auch um deren Verantwortung. Seit Mittwoch ist klar: Wenn Staaten gegen ihre völkerrechtlichen Pflichten zum Klimaschutz verstoßen, stellt das eine völkerrechtswidrige Handlung dar. Und unter Umständen können andere Staaten, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, dafür Kompensationszahlungen verlangen.
Doch das Gutachten stellt auch eine entscheidende Einschränkung auf: Zwischen dem Völkerrechtsverstoß und dem eingetretenen Schaden muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Ob tatsächlich eine Entschädigung gezahlt werden muss, ist also stets eine Frage des Einzelfalls.
... ist das zentrale Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen. Er beschäftigt sich in erster Linie mit zwischenstaatlichen Streitigkeiten. Diese Entscheidungen sind rechtlich bindend. Daneben kann der IGH auch vom Sicherheitsrat oder der UN-Vollversammlung beauftragt werden, Gutachten zu internationalen Rechtsfragen zu erstellen. Diese Gutachten sind rechtlich nicht bindend.
Was folgt aus dem Gutachten?
Da die vom IGH erstellten Gutachten rechtlich nicht bindend sind, hat es ohnehin keine unmittelbaren Auswirkungen. Doch irrelevant ist es keineswegs.
Das Gutachten wird Auswirkungen auf die laufenden neuen Verfassungsklagen zum Klimaschutz haben – und auch auf die Klage auf bessere Naturschutz-Gesetzgebung.
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Professor Felix Ekardt, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik
Eine Rolle wird es zum einen bei Klagen auf nationaler Ebene spielen, wenn es etwa darum geht, die Bundesregierung zu mehr Klimaschutz zu verpflichten oder bei der Frage nach der Haftung großer Konzerne. Zum anderen dürften Klagen kleiner Inselstaaten gegen die großen Treibhausgasemittenten folgen. Die werden dann vor dem Internationalen Gerichtshof verhandelt - der sich am Mittwoch gewissermaßen selbst jede Menge Arbeit verschafft hat.
Charlotte Greipl ist Redakteurin in der Redaktion "Recht und Justiz"
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