Klimaforscher: "Können sich nicht aus Verantwortung stehlen"

Interview

Länder in der Pflicht?:Klimawandel: "Nicht aus Verantwortung stehlen"

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Der Internationale Gerichtshof bekräftigt die Klimaschutzpflicht der Staaten. ZDFheute im Gespräch zu den Konsequenzen mit Klimafolgenforscher Ottmar Edenhofer.

Ottmar Edenhofer, der Chef des Potsdam Instituts.
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat sein Gutachten zu Klimaschutz-Pflichten veröffentlicht. ZDFheute live ordnet ein mit Ottmar Edenhofer, dem Chef des Potsdam Instituts.23.07.2025 | 11:54 min
Der internationale Gerichtshof in Den Haag bestätigt in einem Klimagutachten Staaten sind dazu verpflichtet, für die Auswirkungen des Klimawandels zu zahlen. Doch was droht, wenn Staaten nicht gegen den Klimawandel vorgehen? Dazu hat ZDFheute mit dem Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, gesprochen. Sehen Sie das gesamte Interview oben, oder lesen Sie in Auszügen was der Forscher sagt, auf die Frage, ...

... was Staaten droht, die sich nicht an das Gutachten halten?

Es gibt natürlich keine Weltregierung und es gibt auch keine Möglichkeit jetzt dieses Recht zu erzwingen, das hat das Völkerrecht so an sich. Aber was natürlich schon klar ist, dass also jetzt die Staaten sich bei den Verhandlungen zum Klimaschutz sich nicht aus der Verantwortung stehlen können. Sie können zum Beispiel die freiwilligen Selbstverpflichtungen nicht zurückdrehen, sie können sie nur ambitionierter ausgestalten.
Die Staaten verstoßen auch dann gegen das Völkerrecht, wenn sie zum Beispiel fossile Energieträger weiter subventionieren und natürlich können dann Staaten auch dazu sich durchringen, dass sie andere Staaten zum Beispiel mit Klimazöllen belegen, wenn sie diese völkerrechtlichen Verpflichtungen brechen.
Im Kern sagt dieses Urteil, es gibt die Verpflichtung zum ambitionierten Klimaschutz und es gibt auch die Verpflichtung, dass die Staaten miteinander kooperieren. Und wenn sie miteinander kooperieren, haben natürlich auch die Staaten die Möglichkeit, andere Staaten zum Beispiel durch Klimazölle abzustrafen, wenn sie gegen rechtliche Verpflichtungen verstoßen.
Internationaler Gerichtshof in Den Haag
Der Internationale Gerichtshof hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Verpflichtungen Staaten beim Klimaschutz haben. Dazu hat er nun ein Gutachten erarbeitet.23.07.2025 | 1:29 min

... ob Folgen die Klimawandels, etwa der gestiegene Meeresspiegel, zurückdrehen lassen?

Es gibt sicherlich Klimaschäden, die sie nicht mehr zurückdrehen lassen, eben irreversible Klimaschäden. Aber mit dem Einhalten der 1,5-Grad-Grenze kann immerhin gefährlicher Klimawandel vermieden werden. Das ist schon noch möglich. Das wird aber mit Emissionsreduktion allein nicht gehen. Da wird man also auch Kohlenstoff senken bauen müssen.
Das zeigt auch, wie ernst die Richter das Problem des globalen Klimawandels nehmen. Es ist bemerkenswert, dass diesem Urteil sämtliche Richter einstimmig sich zu diesem Gutachten und zu dieser Stellungnahme durchgerungen haben. Das ist ziemlich einzigartig, offensichtlich in der Geschichte des Internationalen Gerichtshofs. Wenn man sich vor Augen führt, dass in diesem Gericht auch Vertreter aus China, aus Deutschland mit dabei sind und alle Richter dem zugestimmt haben, dann ist das schon ein sehr bemerkenswertes Urteil.
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... ob die deutsche Regierung sich für den Kampf gegen Klimawandel stark macht?


Es ist aus meiner Sicht noch nicht entschieden, ob die Regierung sich jetzt für den Klimaschutz stark macht. Man hört da manchmal Töne, die eher nahelegen, dass der Klimaschutz weniger ernst genommen wird. Aber ich glaube, es ist sehr bedeutsam zu verstehen, die Aussage, "was Deutschland macht, hat keine Wirkungen auf die Weltgemeinschaft", das würde ich nicht so sehen.
Denn es geht ja nicht nur um die Frage, wie viel Emissionen Deutschland reduziert, sondern es geht vor allem auch um die Frage, welches Gewicht und welche Rolle Deutschland in der Europäischen Union wahrnimmt. Und in der Europäischen Union haben die 27 Mitgliedstaaten, schon einen Großteil der Kooperationsprobleme gelöst, die in anderen Staaten gelöst werden müssen.
Wir haben ja eine europäische Klimapolitik, wir haben einen europäischen Emissionshandel. Europa ist dabei, das Emissionswachstum vom Wirtschaftswachstum so zu entkoppeln, dass die Emissionen absolut sinken. Wir werden die 2030-Ziele erreichen, die 2040- und 2050-Ziele sind noch nicht in Reichweite. Da müssen wir uns also jetzt anstrengen. Und Europa hat auch das Potenzial, die Kooperation mit anderen Staaten zu verbessern und auch zu vertiefen.
So hat Europa zum Beispiel einen Klimazoll angekündigt und der hat dazu geführt, dass zum Beispiel Länder wie die Türkei über einen Emissionshandel nachdenken, Brasilien führt einen Emissionshandel ein. All das sind Zeichen, die zeigen, dass Europa durchaus die Kraft und die Möglichkeit hat, Kooperationen mit anderen Staaten zu erhöhen.
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Am Ende des Tages bleibt es dabei, Deutschland hat die Verpflichtung zur Kooperation und über die Europäische Union hat auch Deutschland die Möglichkeit, die Kooperation mit anderen Staaten, zum Beispiel mit Brasilien, zum Beispiel mit der Türkei, aber auch mit Indien und China zu erhöhen und zu vertiefen und dazu beizutragen, dass wir dem Einhalten der 1,5-Grad-Grenze näher kommen.

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