EU-Emissionshandel sozial abfedern: Berlin noch ohne Plan?

EU-Emissionshandel - ETS 2:Klima-Sozialfonds: Berlin noch ohne Plan?

von Birgit Hermes und Michael Wiedemann
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Die Bundesregierung plant, die Folgen des neuen EU-Emissionshandels ab 2027 (ETS 2) für Verbraucher abzumildern. Doch der nationale Plan kommt sehr spät, Experten üben Kritik.

Gesamtansicht einer Hochofenanlage des deutschen Stahlherstellers Thyssenkrupp in Duisburg, Deutschland, 12. November 2024.
Die Pläne Berlins, Folgen des EU-Emissionshandels für Verbraucher abzufedern, stoßen auf Kritik.
Quelle: epa

Heute endet eigentlich die Frist für Mitgliedsstaaten der EU, ihre Pläne bei der EU-Kommission einzureichen, wie man die Bevölkerung bei den finanziellen Folgen des neuen Emissionshandelssystems ETS 2 entlasten möchte. Mit dem ETS 2 werden ab 2027 erstmals die Bereiche Gebäude und Straßenverkehr in den EU-CO2-Zertifikatehandel einbezogen - Verbraucher müssen mit steigenden Kosten für Heizen und Mobilität rechnen.
Um diese Belastungen abzufedern, stellt die EU über den Klima-Sozialfonds (SCF) rund 65 Milliarden Euro bereit. Deutschland erhält davon etwa 5,3 Milliarden Euro - ergänzt durch nationale Mittel.




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Deutschland verpasst Frist - Plan kommt später

Wie das dafür zuständige Bundesministerium für Umwelt und Klimaschutz mitteilt, wird Deutschland zwar die fristgerechte Einreichung der Pläne versäumen, aber "zeitnah seine Vorschläge für mögliche Förderprogramme einreichen".
Der Mittelzufluss sei nicht an den Termin gebunden, sondern daran, ob ein Förderprogramm in Deutschland erfolgreich umgesetzt worden sei.

Kritik: Zu spät, zu unklar

Brigitte Knopf, Direktorin der Denkfabrik Zukunft KlimaSozial und stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung, kritisiert das:

Zum einen ist es europäisch ein schlechtes Zeichen, wenn Deutschland  - als stärkster Verfechter des ETS 2  - den Plan nicht rechtzeitig einreicht.

Dr. Brigitte Knopf, Direktorin der Denkfabrik Zukunft KlimaSozial

Zum anderen führe eine Verzögerung dazu, dass beispielsweise sozial gestaffelte Förderprogramme erst verspätet ausgezahlt werden könnten.
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Konkrete Maßnahmen der Bundesregierung sind noch nicht bekannt. Im Koalitionsvertrag heißt es zwar, dass die Regierung Instrumente einsetzen wolle, "die CO2-Preissprünge für Verbraucherinnen und Verbraucher und Unternehmen vermeiden".
Doch die Diskussion der letzten Tage zeige, dass die im Koalitionsvertrag skizzierten Vorhaben durch die enge Kassenlage miteinander konkurrierten, sagt Thilo Schaefer, Experte für klimapolitische Fragen beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft. So sei etwa die geplante Senkung der Stromsteuer für Privathaushalte im neuen Bundesetat gar nicht vorgesehen.
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Kein pauschales Klimageld

Klar ist, ein pauschales Klimageld, wie es etwa noch von der Ampel-Regierung versprochen worden war, wird es nicht geben. Vielmehr plant die neue Bundesregierung laut Koalitionsvertrag:

Die CO2-Einnahmen geben wir an die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zurück. Dazu werden wir auch unbürokratische und sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen beim Wohnen und bei der Mobilität auf den Weg bringen, damit niemand überfordert wird.

Auszug aus dem Koalitionsvertrag

Die Experten mahnen an, dass "besonders vulnerable Gruppe adressiert werden, also solche, die beispielsweise von Energiearmut oder Mobilitätsarmut betroffen sind", so Brigitte Knopf.
Überdies sei - erklärt Thilo Schaefer - Planungssicherheit wichtig, "damit diejenigen, die vor der Entscheidung stehen, ein neues oder gebrauchtes Auto anzuschaffen oder die Heizung zu modernisieren, wissen, was auf sie zukommt".
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Nationale CO2-Bepreisung soll auslaufen

Befürchtungen, dass es wegen der hierzulande schon geltenden CO2-Bepreisung ab 2027 zu einer Doppelbelastung der Verbraucher kommen könnte, teilen die Experten nicht.
Obwohl sich auch in dieser Frage der Koalitionsvertrag nicht eindeutig äußert, sondern nur von einem "fließenden Übergang" des nationalen Systems in das europäische ETS 2 redet. Brigitte Knopf ist sich da aber sicher: "Es wird keine Doppelbelastung geben."

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