Grünen-Chefin Brantner im Faktencheck: Klimageld für Gas?

Faktencheck

Grünen-Chefin im Sommerinterview:Brantner im Faktencheck: Klimageld für Gas?

von J. Schneider, E. Miebach, J. Henrich, B. Seck
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Im ZDF-Sommerinterview spricht Grünen-Politikerin Franziska Brantner über Klimageld, fossile Subventionen und europäische Asylpolitik. Sind ihre Aussagen korrekt? Der Faktencheck.

Berlin direkt - Sommerinterview 2025 - Franziska Brantner, Vorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, im Gespräch mit Diana Zimmermann
Heftige Kritik äußert die Grünen-Chefin an der Bundesregierung und der CDU. Diese sei "der Risikofaktor dieser Regierung", sagt sie. Sehen Sie hier das ZDF-Sommerinterview in voller Länge.20.07.2025 | 19:31 min
Grünen-Chefin Franziska Brantner hat sich in Heidelberg den Fragen des ZDF-Sommerinterviews gestellt. Es ging viel um Klimaschutz und die Herausforderungen der Energiewende. Am Ende wurde auch ein Blick auf die aktuellen Grenzkontrollen und die Migrationspolitik der Bundesregierung geworfen. Ob alle Aussagen Brantners zutreffend waren und wo Kontext beim besseren Verständnis hilft, lesen Sie hier in unserem Faktencheck.

Werden Gelder aus dem Klimatransformationsfonds für fossile Brennstoffe verwendet?

Franziska Brantner steigt gleich mit einer harschen Kritik an der Bundesregierung in das Gespräch ein: Es sei ärgerlich zu sehen, "dass diese Regierung so viel Geld hat wie nie zuvor und die Aufgaben damit nicht angeht, dass sie rumtrickst, dass sie Klimageld nutzt für Gas".
Später kritisiert sie direkt die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche:

Frau Reiche sagt, wir setzen nur wieder auf Gas. (...) Unternehmen, ich bin mit denen in Kontakt, die verlieren ihre Investoren, weil extra Milliarden nur ins Gas gehen, übrigens sogar noch aus Klimageldern.

Franziska Brantner, Parteivorsitzende Bündnis 90/Die Grünen

Diana Zimmermann (r), Moderatorin des politische Hauptstadtmagazin «Berlin direkt», spricht im ZDF-Sommerinterview mit der Grünen-Vorsitzenden Franziska Brantner.
Grünen-Chefin Franziska Brantner hat im ZDF-Sommerinterview die Bundesregierung kritisiert. Diese gehe die notwendigen Aufgaben nicht an, obwohl sie so viel Geld wie nie zuvor habe.20.07.2025 | 1:35 min
Brantners Aussagen zielen auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF) ab, der aus dem Sondervermögen "Infrastruktur und Klimaneutralität" sowie Einnahmen aus dem CO2-Preis gespeist wird. Tatsächlich stehen dem KTF bis 2034 rund 100 Milliarden Euro zusätzlich aus dem Sondervermögen zur Verfügung - etwa 10 Milliarden pro Jahr. Das ist eine im historischen Vergleich außergewöhnlich hohe Summe für Klimaschutzinvestitionen.
Dass Gelder aus diesem Fonds - von Brantner "Klimageld" genannt - nun auch für fossile Energieträger genutzt werden sollen, dafür gibt es mehrere aktuelle Belege: eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat dokumentiert, dass Mittel aus dem KTF unter anderem für fossile Infrastrukturprojekte wie Gaskraftwerke oder die Gasspeicherumlage verwendet werden - Maßnahmen, die kaum oder gar keine Klimaschutzwirkung entfalten. Die Gaskraftwerke sollen teils ohne Umrüstverpflichtung auf Wasserstoff gefördert werden.
Bundesrat stimmt für Reform der Schuldenbremse
Der Bundesrat hat den Grundgesetzänderungen für die Lockerung der Schuldenbremse zugestimmt. Dem Milliardenpaket für Verteidigung und Infrastruktur steht damit nichts mehr im Weg.21.03.2025 | 1:46 min
Die Autor*innen der Kurzstudie sprechen in diesem Zusammenhang von einer Zweckentfremdung öffentlicher Klimamittel, die sogar den verfassungsrechtlichen Zweckvorgaben des Fonds widersprechen könnten.
Diese Kritik wurde am Wochenende auch durch den Bundesrechnungshof gestützt. In einem Bericht an den Bundestag heißt es, der KTF sei "kein verlässliches Finanzierungsinstrument", es gebe "erhebliche Risiken" bei der Mittelverwendung. Zudem kritisieren die Prüfer, dass die Bundesregierung bislang für nur 38 von 190 Fördermaßnahmen eine konkrete Klimaschutzwirkung pro Fördereuro angibt. Damit bleibe die Gesamteffizienz des Fonds weitgehend im Dunkeln, was die Zweifel an einem zielgerichteten Einsatz der Mittel weiter bestärkt.
Brantners Aussage, dass "Milliarden ins Gas" gehen - obwohl diese ursprünglich dem Klimaschutz dienen sollten -, ist also zugespitzt, aber belegbar.

In den "Berlin direkt - Sommerinterviews" kommen neben dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler die Vorsitzenden der im Bundestag in Fraktionsstärke vertretenen Parteien zu Wort. Die Aussagen der Befragten werden von einem ZDF-Team überprüft und Zusammenhänge nachrecherchiert. Zu jedem Sommerinterview veröffentlichen wir im Anschluss auch einen Faktencheck-Artikel, unabhängig davon, ob in dem Gespräch Falschaussagen oder unzutreffende Tatsachenbehauptungen geäußert wurden.

Was ist der Altmeier-Knick und die Reiche-Delle?

Gleich zweimal im Interview verwendet Brantner ein Sprachbild, um die Arbeit zweier CDU-Wirtschaftsminister zu kritisieren:

Nach dem Altmaier-Knick kommt die Reiche-Delle.

Franziska Brantner, Parteivorsitzende Bündnis 90/Die Grünen

Mit dem Begriff "Altmaier-Knick" bezieht sich Brantner auf den Rückgang beim Ausbau der Solarenergie ab 2012 nach einem vorherigen großen Anstieg. Dies wird auch der Politik des damaligen Umweltministers Peter Altmaier zugeschrieben, der 2012 eine EEG-Novelle vorlegte. Darin wurde unter anderem bei der Solarenergie eine Obergrenze für den Ausbau beschlossen, nach deren Erreichen eine Förderung komplett wegfallen sollte.
Solarausbau in Deutschland

ZDFheute Infografik

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Später änderte sich die Gesetzgebung wieder. In den vergangenen Jahren stieg der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland wieder an, einen Boom verzeichnete vor allem die Solarkraft.
Mit dem Begriff "Reiche-Delle" impliziert Brantner, dass mit Reiches Politik ein neuer Einbruch beim Ausbau der Erneuerbaren droht. Für eine solche Bewertung ist es allerdings noch zu früh - auch wenn ein weiterer Anstieg, gerade im Bereich Solar, als nicht sicher gilt. So sieht etwa der Bundesverband Solarwirtschaft die Erreichung des gesetzlichen Ausbauziels der Solarkraft von 215 Gigawatt Peak bis 2030 als gefährdet an, und warnte im Juli vor einer "Drosselung des Energiewende-Tempos".
Die Nachfrage war in den vergangenen Jahren besonders stark, da die Preise pro Panel gesunken waren und das Interesse an Investitionen ins eigene Haus während der Corona-Pandemie und der Energiekrise hoch war. Auch die gesenkte Mehrwertsteuer für Solarkomponenten machte die Installation einer Photovoltaikanlage attraktiver. Aktuell sind viele Privatpersonen angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Lage allerdings vorsichtig bei neuen Investitionen und gerade in diesem Segment geht die Nachfrage zurück.
Auf dem Bild sieht man Solarplatten.
In Bayern gewinnt der Ausbau erneuerbarer Energien an Fahrt. Der Fokus liegt auf Solarenergie entlang der Autobahnen und auf Dächern. Allerdings hinkt der Netzausbau hinterher.02.02.2024 | 2:01 min
Andere Herausforderungen sind laut Angaben von Unternehmen der schleppende Ausbau der Netze, der Fachkräftemangel und die Planungssicherheit durch politische Rahmensetzungen. Der Verband der Solarwirtschaft fordert zudem einen stärkeren Ausbau der Speicher und einen stärkeren Einsatz der Politik für die Genehmigung des sogenannten "Solarpakets" auf EU-Ebene. All diese Probleme liegen im Handlungsfeld der Politik, auch in dem des Energieministeriums, so Experten.

Da braucht es mehr Planbarkeit, bei Förderungen und Gesetzgebung, damit auch investiert wird.

Leonhard Probst, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme

Eine Delle könnte also bei unzureichendem Gegensteuern der Politik in den nächsten Jahren eintreffen, ist aber noch nicht klar sichtbar.

Waren es wirklich 40 Grad in Heidelberg?

Um zu verdeutlichen, wie "erschreckend" es sei, dass Bundeskanzler Friedrich Merz in Bezug auf den Klimawandel "den Ernst der Lage nicht erkannt hat", berichtet Brantner von der Hitze in ihrem Wahlkreis:

Hier war es vor kurzem 40 Grad in Heidelberg.

Franziska Brantner, Parteivorsitzende Bündnis 90/Die Grünen

Heidelberg liegt in einer der wärmsten Regionen Deutschlands und ist bekannt für den "Wärmeinsel-Effekt" in der Innenstadt. Wetterdienste warnten Anfang Juli auch vor Temperaturen von "bis zu 40 Grad" in Baden-Württemberg. Eine so hohe Temperatur wurde aber dann doch nicht erreicht, sondern "nur" 37,6 Grad Celsius. Insgesamt wurde die 40-Grad-Marke in Deutschland offiziell erst fünf Mal überschritten. Das letzte Mal, dass in Deutschland eine solche Hitze gemessen wurde, war am 20. Juli 2022 in Hamburg-Neuwiedenthal. Aber: Auch eine Temperatur von 37,6 Grad kann gerade für ältere Menschen eine starke Belastung darstellen.
Wetter oder Klima
Für die Physikerin Friederike Otto ist der Klimawandel kein abstraktes Problem in der Zukunft. Klimawandel ist heute und er lässt sich in Zahlen fassen. 16.12.2021 | 3:56 min

Stimmt es, dass Klimaschutz billiger ist als kein Klimaschutz?

Bezogen auf die Kosten der Bemühungen rund um den Klimaschutz äußert Brantner, dass "kein Klimaschutz sechsmal so teuer" wäre.
Diese Aussage wird durch eine aktuelle Studie im Fachmagazin "Nature" gestützt: Die Forschenden des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung rechnen durch den Klimawandel mit einem weltweiten Rückgang des durchschnittlichen Einkommens um rund 19 Prozent bis 2050. Diese Verluste würden laut Studie etwa sechsmal höher ausfallen als die Kosten, die nötig wären, um die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Das Fazit der Wissenschaftler: Klimaschutz ist wirtschaftlich günstiger als Untätigkeit.

Haben die Grünen für eine europäische Lösung der Asylfrage gekämpft?

Gefragt nach den Themen Asyl und Migration verweist Brantner auf den Einsatz ihrer Partei für europäische Lösungen.

Wir haben dafür gekämpft, dass wir eine europäische Lösung hinbekommen bei der Asylfrage.

Franziska Brantner, Parteivorsitzende Bündnis 90/Die Grünen

Ob die Grünen tatsächlich Treiber oder eher Bremse bei der jüngsten Reform der EU-Asylpolitik waren, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Die Grünen hatten sich in der Vergangenheit zwar häufig für eine Reform auf EU-Ebene ausgesprochen. Mit den dafür verhandelten Kompromissen hat die Partei allerdings lange gehadert.
Isabelle-Schaefers
Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten haben sich nach langem Streit auf einen Asyl-Kompromiss geeinigt. Demnach sollen Flüchtlinge ohne Bleibechance bereits an den EU-Außengrenzen abgeschoben werden können.20.12.2023 | 2:00 min
Fast acht Jahre wurde in Brüssel um ein neues Asylrecht gerungen. Am Ende sprach sich Annalena Baerbock in ihrer Rolle als Außenministerin für die gefundene Lösung aus, die deutschen Grünen-Abgeordneten im EU-Parlament stimmten im April 2024 allerdings dagegen. Das Paket erhielt dennoch eine Mehrheit. Die Mitgliedstaaten der EU haben nun bis Juni 2026 Zeit, die neuen Regelungen umzusetzen.

400.000 Polizei-Überstunden durch verschärfte Grenzkontrollen?

Mit Blick auf die Zurückweisungen von Asylsuchenden an der deutschen Außengrenze kritisiert Brantner insbesondere eine mangelnde Verhältnismäßigkeit. 400.000 Überstunden bei der Bundespolizei stünden lediglich 350 abgelehnten Asylbewerbern entgegen.
Die aktuelle Zahl der Zurückweisungen liegt laut Bundesinnenministerium bei 330. Und tatsächlich verzeichnet die Bundespolizei seit Beginn der Zurückweisungen und damit verbundenen verschärften Grenzkontrollen am 8. Mai deutlich mehr Überstunden. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke war die Gesamtzahl von 2.422.789 Ende April auf 2.775.132 Ende Mai gestiegen.
Medienberichten zufolge könnte die Zahl der Überstunden mittlerweile sogar auf etwa 2,9 Mio. belaufen. Gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" hatte zuletzt auch der GdP-Vorsitzende für Bundespolizei und Zoll, Andreas Roßkopf die verschärften Grenzkontrollen als zunehmend unverhältnismäßig kritisiert.

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