Frauen-EM: Was vom Hype im deutschen Nachwuchs übrig bleibt

Nachwuchs im Frauenfußball:Was vom EM-Hype übrig bleibt

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von Christian Hauser
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Nachwuchs-Boom im Frauenfußball - und jetzt? Wie Spielerinnen dem Sport nachhaltig erhalten bleiben können und in was Geld klüger investiert ist als in neue Trikots.

Kathrin Lehmann - ZDF-Fußballexpertin Europameisterschaft Frauen 2025 und Porträt
Kathrin Lehmann warnt: Der Fußball verliert begeisterte Mädchen viel zu früh, mit gravierenden Folgen für den ganzen Sport. Wie Spielerinnen langfristig gebunden werden können.25.07.2025 | 7:17 min
In einem packenden Duell gegen Spanien ist die deutsche Nationalmannschaft am Mittwoch aus dem Turnier ausgeschieden, der neunte EM-Titel bleibt ein Traum. Mehr als 14 Millionen Fans fieberten vor den Bildschirmen mit, tausende reisten in die Schweiz, um die DFB-Elf lautstark zu unterstützen.
Die Begeisterung für den Frauenfußball ist groß. Doch was bleibt nach dem Hype? Wie entwickelt sich der Nachwuchs - und was muss passieren, damit Mädchen und junge Frauen dauerhaft am Ball bleiben?

Ungleichheit in der Talentförderung

"Der Männerfußball ist uns nach wie vor um Jahrzehnte voraus", sagt Anne Seliger, Gründerin der Initiative "Mädchen an den Ball". Auch wenn sie während der EM eine wachsende Nachfrage bei ihren Trainingsangeboten spüre, verweist sie auf die weiterhin großen Unterschiede, etwa bei Gehältern und Ansehen.

Das Projekt „Mädchen an den Ball“ bietet kostenlose Fußballprogramme für Mädchen in verschiedenen Städten Deutschlands an. Die leicht zugänglichen Trainingseinheiten sollen einen unkomplizierten Einstieg in die Sportart ermöglichen. In Zusammenarbeit mit dem DFB und Fußballvereinen wie dem FC Bayern München unterstützt das Projekt die Spielerinnen nach einiger Zeit bei einem Wechsel in einen klassischen Fußballverein.

Auch ZDF-Fußballexpertin Kathrin Lehmann kritisiert die Ungleichheit zwischen Mädchen und Jungen: "Es gibt keine Talentgerechtigkeit", sagt Lehmann und wünscht sich eine gerechte Förderung.
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"Fußball bildet die ganze Gesellschaft ab", sagt Lehmann. "Ist dieses Gesellschaftsbild auch in jedem kleinen Verein sichtbar? Wenn ja, großartig." Lehmann hofft, dass der EM-Hype nachhaltig wirkt:

Wenn wir es schaffen, ein paar Funken von diesem EM-Feuer in den Alltag, in die Basis, in den Amateursport rüberzunehmen, ist viel gelungen.

Kathrin Lehmann, ZDF-Fußballexpertin

Steigende Zahl der Aktiven

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der aktiven Fußballspielerinnen unter 16 Jahren gestiegen. Waren es in der Saison 2020/21 - auch coronabedingt - nur gut 60.000 Mädchen, hat sich die Zahl bis zur vergangenen Saison nahezu verdoppelt.
Zum Vergleich: Bei den Jungen im Juniorenbereich (bis 14 Jahre) waren es zuletzt fast eine Million Spieler.
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Mädchen langfristig binden

Doch der Zuwachs bei den jüngeren Spielerinnen bedeutet nicht automatisch, dass sie langfristig dem Sport treu bleiben. Bei den Frauen über 16 Jahren zeigt sich kein vergleichbarer Anstieg: Die Zahl der aktiven Spielerinnen ist seit der Saison 2021/22 nahezu konstant geblieben.
Die große Herausforderung bleibe, Mädchen dauerhaft für den Fußball zu begeistern. "Viele hören im Teenageralter auf", erklärt Seliger. Ursachen sieht sie in unzureichenden Strukturen und fehlender Professionalität. "Wir brauchen durchdachte Konzepte und genügend qualifiziertes Personal - idealerweise einen Trainer oder eine Trainerin pro zehn Spielerinnen."
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Vereinssport stärken

Mit ihrem Projekt will Seliger genau hier ansetzen. Ihre niedrigschwelligen Angebote sollen als Türöffner zum Vereinssport dienen.
Wie das funktionieren kann, zeigt ein aktuelles Beispiel: Die beiden jungen Mädchen Lèa und Anna aus München haben bereits nach wenigen Wochen Training bei "Mädchen an den Ball" den Sprung in einen klassischen Verein geschafft. Sie spielen nun beim FC Teutonia München.
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"Solche Erfolgsgeschichten erleben wir immer wieder", sagt Seliger. "Viele Mädchen entdecken bei uns ihre Leidenschaft für den Fußball - und wechseln dann mit neuer Motivation in den Verein."
Lehmann verweist darauf, dass es grundsätzlich wichtig sei, Kinder in jungen Jahren für Sport zu begeistern. Insbesondere der Fußball biete im Vergleich zu anderen Disziplinen besonders geringe Einstiegshürden:

Alle können es machen. Die Zarten, die Großen, die Kleinen, die Begabten und Nicht-Begabten.

Kathrin Lehmann, ZDF-Fußballexpertin

Geld in Köpfe statt in Trikots

Einig sind sich beide, dass der Leistungssport gut ausgebildeten Nachwuchs braucht. "Ich bitte alle Sponsoren, bezahlt lieber einen Trainer als den nächsten Trikotsatz", so ZDF-Expertin Lehmann. "Bildung ist das Nachhaltigste."

Die Basisangebote sind unsere Erfolgsgarantie für zukünftige Erfolge bei EM- und WM-Teilnahmen.

Anna Seliger, Geschäftsführerin "Mädchen an den Ball"

Auch Lehmann sieht in der Basis den "Nährstoff von jeder Sportart". Je mehr Mädchen und Frauen in den Vereinen aktiv blieben, desto stärker wachse auch die Spitze und damit die Chance, dass der nächste große Titel nur eine Frage der Zeit ist.

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