Gwinn-Ersatz: Wamser, die heimliche Gewinnerin im DFB-Team
Gwinn-Ersatz:Wamser, die heimliche Gewinnerin im DFB-Team
von Frank Hellmann, St. Gallen
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Carlotta Wamser ist als Ersatz für Giulia Gwinn ins kalte Wasser geworfen worden - und überzeugte beim EM-Debüt. Nicht nur der Bundestrainer lobt die 21-Jährige in höchsten Tönen.
Bundestrainer Christian Wück hatte vor der EM oft genug betont, er werde alle 23 Spielerinnen in der Schweiz brauchen. Untermauert wurde die These gleich beim Auftakt gegen Polen (2:0), als Carlotta Wamser für die verletzte Giulia Gwinn von ihm "ins kalte Wasser" geworfen wurde. Dabei schwamm sich die 21 Jahre alte EM-Debütantin auf der südlichen Seite am Bodensee schnell frei.
Alle, die sich über ihre Nominierung gewundert hätten, "werden gesehen haben, dass ihre Auswahl definitiv richtig war", urteilte Wück.
Ich bin zu 100 Prozent zufrieden mit ihr.
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Bundestrainer Wück über Wamser
Der Bundestrainer pries Wamsers Dynamik und Zweikampfführung, ihr Tempo und ihre Technik. Dieser Mix wird sicherlich auch in den Gruppenspielen gegen Dänemark in Basel (Dienstag, 18 Uhr/ARD) und Schweden in Zürich (Samstag, 21 Uhr/ZDF live) gebraucht.
Die deutschen Fußballerinnen haben einer Verletzung von Kapitänin Giulia Gwinn sportlich getrotzt und ihr EM-Auftaktspiel gewonnen. Jule Brand sorgte für den Befreiungsschlag.04.07.2025 | 9:36 min
Lob von Laura Freigang
Gegen Polen avancierte Wamser zur heimlichen Gewinnerin, was sie sich unter den Umständen natürlich nicht gewünscht hatte. "Man kommt nicht gerne rein, wenn sich eine Mitspielerin verletzt." Doch wie schnell die Instinktfußballerin Bindung zum Spiel fand, wie oft sie Tiefe suchte, wie forsch sie ins Dribbling ging, war durchaus beeindruckend.
Und ihre langjährige Mitspielerin Laura Freigang von Eintracht Frankfurt meinte: "Carlotta ist einfach ein unfassbares Energiebündel auf dem Platz."
Wobei erst DFB-Trainerin Kathrin Peter bei der U23-Nationalmannschaft auf die Idee kam, die gebürtige Herforderin von der offensiven auf die defensive Außenbahn zu stellen. Dort spielte sie am Saisonende auch im Verein. Als Verteidigerin würde sie "auf magische Weise alle ihre Stärken verbinden", fasste es Freigang zusammen.
Frech, forsch und fröhlich
Wamser ist eine für die Zukunft. Frech, forsch und fröhlich. Sportdirektorin Nia Künzer machte deutlich:
Wir sind sehr begeistert von ihrer Entwicklung und komplett überzeugt von ihr.
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Sportdirektorin Nia Künzer über Wamser
"Sie ist ein spontaner, witziger Typ, den wir gerne im Team haben." Der Bundestrainer hätte ja auch die erfahrene Kathrin Hendrich oder die zuverlässige Sophia Kleinherne einwechseln können, die nach hinten solide Lösungen geben, aber kaum kreative Momente nach vorne erzeugen.
Stattdessen war die unbekümmerte Draufgängerin Wamser an der Entstehung beider Tore beteiligt. "Ich habe versucht, das Beste draus zu machen. Nach der Halbzeit fand ich es ganz gut, da war ein Neustart für uns alle", sagte sie nach ihrem dritten Länderspiel.
Deutschlands Nummer fünf bekam viele Komplimente der Kolleginnen. "Carlotta hat einen richtig guten Wind reingebracht", befand Torhüterin Ann-Katrin Berger. "Manchmal ist es sogar besser, ins eiskalte Wasser geworfen zu werden. Da kann man nicht viel drüber nachdenken."
Frankfurt verliert mit Wamser eine Perspektivspielerin
Bei der EM rückte die Debütantin ins Rampenlicht, ihr Abgang bei Eintracht Frankfurt gehört indes zur fragwürdigen Kaderpolitik des Champions-League-Teilnehmers aus Hessen, der zahlreiche Leistungsträger ziehen lässt, weil angeblich die Geschichte der Mannschaft "auserzählt" sei.
Wamsers Weggang illustriert die Widersprüche der neuen Ausrichtung unter dem Adlerdach. Einerseits will der Bundesliga-Dritte junge Spielerinnen fördern (und in Zukunft vermehrt Transfererlöse erzielen), andererseits wurde ein mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze und Silber ausgezeichnetes Talent nicht gehalten.
Mit der Innenbandverletzung von Giulia Gwinn sortiert sich die Hierarchie der deutschen Fußballerinnen neu. Plötzlich sind andere Spielerinnen bei der EM gefragt.
Frank Hellmann, St. Gallen
Analyse
Wamser spielt in der neuen Saison für Leverkusen
Trainer Niko Arnautis wechselte Wamser meist nur spät oder gar nicht ein. Es hieß, sie wolle mit dem Kopf durch die Wand, missachte Anweisungen und halte Laufwege nicht ein. Frustriert ließ sich Wamser zwischendrin für ein halbes Jahr an den 1. FC Köln ausleihen.
Das Angebot zur Vertragsverlängerung bei der Eintracht schlug sie aus. Liga-Rivale Leverkusen kann sich über einen Neuzugang freuen, der vielleicht als die EM-Entdeckung aus der Schweiz zurückkehrt.