Giulia Gwinn: Was der Ausfall für die DFB-Frauen bedeutet
Analyse
DFB-Frauen ohne Giulia Gwinn:Ein Ausfall und die Folgen
von Frank Hellmann, St. Gallen
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Mit der Innenbandverletzung von Giulia Gwinn sortiert sich die Hierarchie der deutschen Fußballerinnen neu. Plötzlich sind andere Spielerinnen bei der EM gefragt.
Lea Schüller (links) verabschiedet Giulia Gwinn nach ihrer Verletzung im Spiel gegen Polen.
Quelle: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Nia Künzer kennt das Gefühl der Niedergeschlagenheit nach Knieverletzungen zur Genüge. Allein vier Mal sind der Weltmeisterin, die mit ihrem "Golden Goal" im WM-Finale 2003 gegen Schweden einst Berühmtheit erlangte, in ihrer Karriere die Kreuzbänder gerissen.
Die Sportdirektorin des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kann deshalb am besten einordnen, was Giulia Gwinn durchgemacht hat: Zwar hat sich der Verdacht auf den dritten Kreuzbandriss der Karriere bei der Kapitänin am Samstag nicht bestätigt, aber mit einer Innenbandverletzung fällt eine der wichtigsten Stützen des achtfachen Europameister für den Rest der EM aus.
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2:50 min
Immerhin kein Kreuzbandriss bei Gwinn
"Giulia ist niedergeschlagen. Sie hatte sich sehr gefreut, hatte sich gut vorbereitet - dementsprechend ist sie jetzt enttäuscht", erklärte Künzer am Samstag im Pressezentrum am Kalanderplatz von Zürich. Völlig aufgelöst unter Tränen war die Anführerin der DFB-Frauen beim Auftaktspiel gegen Polen (2:0) vor der Halbzeit vom Platz gehumpelt, am Tag darauf bestätigte das MRT in Zürich den schlimmsten Verdacht nicht. Gwinn hatte gewissermaßen noch Glück im Unglück.
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Die Ausfallzeit werde für eine der weltbesten Rechtsverteidigerinnen dennoch "mehrere Wochen" betragen, teilte der DFB mit. Dass das Turnier vor der Haustür der am Bodensee beheimateten 26-Jährigen so abrupt endet, hat fürs Teamgefüge natürlich Folgen.
Sportlich hat die Mannschaft für Giulia eine Reaktion gezeigt. Natürlich wollen alle noch mal vor Giulia spielen.
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DFB-Sportdirektorin Nia Künzer
Janina Minge wird Kapitänin
Dass nicht mehr nachnominiert werden darf, wollte die 45-Jährige nicht beklagen: "Das sind UEFA-Regularien, die uns vorher bekannt waren." Zum einen muss nun die international noch reichlich unerfahrene Carlotta Wamser auf ihrer Position einspringen, zum anderen braucht es neue Führungskräfte.
Janina Minge wird nun die Regenbogenbinde tragen. Dabei war die Abwehrchefin eigentlich schon überrascht, von Bundestrainer Christian Wück zur Gwinn-Stellvertreterin ernannt zu werden. Sie habe bisher gar nicht so viel regeln müssen, gab die bissige Defensivspezialistin vom VfL Wolfsburg erst kürzlich zu. Das wird sich ändern. Und es bietet sich an, die Last vorsorglich auf mehrere Schultern zu verteilen.
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Torhüterin Ann-Katrin Berger zeigte in St. Gallen, dass sie wie bei den Olympischen Spielen als Rückhalt taugt. Dazu wäre ein Trio vom FC Bayern gefragt: Klara Bühl und Lea Schüller, aber auch Linda Dallmann könnten mithelfen, das Machtvakuum zu schließen. Vielleicht trug Gwinn zuletzt auch zu viel Verantwortung fürs große Ganze. Sie war die letzten Tage und Wochen omnipräsent, weil sie als das gefragteste Gesicht gerne voranging.
Deutsches Team immer wieder von Verletzungen getroffen
Markus Högner, als Trainer bei der SGS Essen der Wegbereiter vieler Karrieren und kurze Zeit auch Co-Trainer der Nationalmannschaft, vermutet seit längerem einen Zusammenhang zwischen mentalem Stress und den auftretenden Verletzungen. Seine Torhüterin Sophia Winkler verletzte sich auf dem DFB-Campus im Februar ganz schwer am Knie, als das Toptalent gerade ihren Wechsel zu Eintracht Frankfurt verkündet hatte. Bei Länderspielmaßnahmen haben sich in den vergangenen zwei Jahren auch Carolin Simon, Lena Oberdorf und Marie Müller jeweils Kreuzbandrisse zugezogen.
Kein Kreuzbandriss, aber trotzdem ist die EM für die am Knie verletzte Giulia Gwinn beendet.
Liveblog
Die Auswirkungen bei großen Turnieren waren in der Vergangenheit unterschiedlich. Bei der Heim-WM 2011 war das kaputte Knie von Kim Kulig beim Viertelfinal-Aus gegen Japan ein Hauptgrund, dass die Titelträume platzten. Auch die WM 2019 endete vorzeitig im Viertelfinale, nachdem sich die Spielgestaltern Dzsenifer Marozsan gleich im ersten Gruppenspiel gegen China den Zeh gebrochen hatte. Besser lief es bei WM 2003, als Steffi Jones zwar gegen Argentinien einen Kreuzbandriss erlitt, doch "Golden Girl" Künzer am Ende für glückliche Gesichter sorgte.
Giulia Gwinn ist eine der bekanntesten Fußballerinnen in Deutschland. Wie geht sie mit Druck und Vergleichen mit Männern um? Was bedeutet Familie? Wie sehen ihre Ziele aus?08.07.2023 | 28:37 min