Steinmeier zu Richterstreit: Schwarz-rote Koalition "beschädigt"

Interview

Richterstreit in der Koalition:Steinmeier: Schwarz-Rot ist "beschädigt"

von Stefanie Reulmann
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Bundespräsident Steinmeier hält die schwarz-rote Regierungskoalition nach der verschobenen Wahl der Verfassungsrichter für "beschädigt". Das sagte er im Sommerinterview des ZDF.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterhält sich während des Sommerinterviews im Schloss Bellevue mit Diana Zimmermann.
Sehen Sie das ZDF-Sommerinterview mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in voller Länge.13.07.2025 | 20:45 min
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich im ZDF-Sommerinterview zur abgesagten Wahl der Verfassungsrichter geäußert. Auf die Frage, ob es nach dem Streit zwischen Union und SPD nun eine Parlamentskrise gibt, sagte Steinmeier:

Die Koalition hat sich jedenfalls selbst beschädigt.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Mit der gescheiterten Wahl der Verfassungsrichter am Freitag im Bundestag habe sich die Koalition "selbst beschädigt", sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview.13.07.2025 | 0:44 min
Natürlich rühre das "auch an der Autorität des Parlamentes", aber er sei "weit davon entfernt zu sagen, es beschädigt schon das Bundesverfassungsgericht", sagt Steinmeier.
Falls allerdings in näherer Zeit keine Entscheidung über die neuen Verfassungsrichter getroffen würden, wäre das "keine Kleinigkeit", denn es gehe "um die Autorität und die Funktionsfähigkeit eines Verfassungsorgans, das zugleich unser höchstes Gericht ist", sagt Steinmeier.
Frank-Walter Steinmeier, Diana Zimmermann "Berlin direkt" - Sommerinterview
Die Wahl der Verfassungsrichter sei zwar "eine politische Entscheidung", sagt Bundespräsident Steinmeier im ZDF-Sommerinterview, aber man solle sie "nicht überpolitisieren".13.07.2025 | 1:33 min

Steinmeier über Sicherheitslage: "Realer Krieg in Europa"

Doch auch außenpolitisch sind die friedlichen Zeiten vorbei. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat unlängst von einer steigenden Kriegsgefahr gesprochen und gefordert, dass Deutschland wieder kriegstüchtig werden müsse.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geht im ZDF-Sommerinterview noch einen Schritt weiter und sagt:

Wir stehen nicht vor der Gefahr eines Krieges in Europa, es findet ein realer Krieg in Europa statt.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Aus dem "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg" Russlands gegen die Ukraine müsste Deutschland seine Schlüsse ziehen. Russland habe "die gesamte Sicherheitsarchitektur in Europa zertrümmert mit diesem Krieg".
Frank-Walter Steinmeier, Diana Zimmermann "Berlin direkt" - Sommerinterview
Angesichts der sicherheitspolitischen Lage fordert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Debatte über die Wehrpflicht. "Ich bin ein Vertreter der Wehrpflicht", sagt er im ZDF.13.07.2025 | 1:09 min

Bundespräsident plädiert im ZDF-Sommerinterview für Wehrpflicht

Als Konsequenz daraus müssten sich Deutschland und Europa "anders und besser schützen". Dazu gehöre auch die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, sagt Steinmeier:

Ich bin ein Vertreter der Wehrpflicht, weil ich sage, mit der Veränderung der Sicherheitslage in Europa, mit der Tatsache, dass ein Krieg stattfindet, mit den Schlüssen, die wir daraus gezogen haben, uns besser zu schützen, gehört auch die personelle Ausrüstung der Bundeswehr.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Das könne nur gelingen, wenn wieder mehr junge Menschen für den Wehrdienst gewonnen würden. Dafür müsse dieser auch attraktiver werde. Ob die notwendige personelle Aufstockung des Heeres auf freiwilliger Basis umzusetzen sei, bezweifelt Steinmeier: "Niemand kann sicher sein, der Verteidigungsminister erst recht nicht, dass das ausreichen wird."
Militärexperte Dr. Marcus M. Keupp zu Gast bei ZDFheute live.
Putin brauche den Krieg, um sein Regime zu stabilisieren, so Militärökonom Keupp. Der russische Präsident habe das Land transformiert und regiere autoritär. 10.07.2025 | 30:05 min
Es müsse deshalb "jetzt eine Debatte über die Wehrpflicht, selbst, wenn wir sie nicht von heute auf morgen umsetzen können" geführt werden. Nachdem die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde, sind die Kapazitäten heruntergefahren worden. Kasernen sind geschlossen worden. Auch das Ausbildungspersonal stehe aktuell nicht im notwendigen Umfang zur Verfügung, trotzdem fordert Steinmeier:

Wir brauchen diese Debatte jetzt, möglichst mit einem positiven Ende, damit wir für den Fall, dass nicht genügend Freiwillige kommen, dann auch in eine vermutliche andere Wehrpflicht zurückkommen, als die, die wir schonmal abgeschafft hatten.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Soldaten
Die Bundeswehr braucht dringend mehr Personal. Aber wie? Reicht es, Freiwillige anzuwerben oder muss eine Wehrpflicht her?09.07.2025 | 2:38 min

Kooperation mit EU und Nato

Aber was die Sicherheitslage anbelange, sei die Kooperation mit den anderen europäischen Staaten und den Nato-Staaten von entscheidender Bedeutung. Der Ausgang des letzten Nato-Gipfels sei ein Erfolg, sagt Steinmeier, denn alle europäischen Staaten hätten signalisiert:

Wir haben verstanden, wir müssen uns stärker um unsere eigene Sicherheit kümmern. Nicht um Krieg zu führen, sondern um Krieg zu verhindern.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Der Bundespräsident betont im Sommerinterview erneut die Nähe zu Israel, macht aber auch deutlich, dass es zu einer "Verbesserung der humanitären Situation im Gaza-Streifen" kommen müsse. Israel sei "Freund und Partner", trotzdem müsse man darüber sprechen. "Wer, wenn nicht wir, soll solche Gespräche mit den Vertretern der israelischen Regierung führen?", so Steinmeier.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt Diana Zimmermannsich zum Sommerinterview vor dem Schloss Bellevue.
Bundespräsident Steinmeier begrüßt im ZDF-Sommerinterview das 5-Prozent-Ziel der Nato13.07.2025 | 1:38 min

Steinmeier: US-Präsident Trump für Iran-Eskalation mitverantwortlich

Die Angriffe Israels auf die iranischen Atomanlagen und die damit einhergehende Eskalation sei von US-Präsident Donald Trump mitzuverantworten, sagte Steinmeier mit Blick auf den Nahost-Konflikt.
Nach langen Verhandlungen wurde 2015 mit dem Iran ein Abkommen über sein Atomprogramm unterzeichnet. Damals war "der Iran weit entfernt von der Entwicklung seiner nuklearen Fähigkeiten, die wir heute befürchten müssen". Dieses Abkommen habe die erste Trump-Regierung allerdings aufgekündigt, und der Iran hat sein Atomprogramm in der Folge weiterentwickelt.
Frank-Walter Steinmeier, Diana Zimmermann "Berlin direkt" - Sommerinterview
Deutschland müsse Israel zu einer "Verbesserung der humanitären Situation im Gazastreifen" drängen, sagt Bundespräsident Steinmeier im Sommerinterview.13.07.2025 | 1:47 min
Alle damaligen Beteiligten, "die Europäer, die Amerikaner, die Russen und die Chinesen", seien sich einig gewesen, dass "der Iran niemals in den Besitz von Atomwaffen kommen darf", sagte Steinmeier.

Im ZDF Sommerinterview sagte Bundespräsident Steinmeier: "Ja, ich unterstelle, dass seit der Aufkündigung des Abkommens durch die USA der Iran verstärkten Ehrgeiz an den Tag gelegt hat, um seine atomaren Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Deshalb habe ich sehr genau verstanden, dass Israel gesagt hat: Wir wissen, dass der Iran jetzt nah an der Entwicklung der Bombe ist, die uns bedroht."

Eine Zunahme von Aktivitäten seit 2018 bestätigte die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA). Mitte Juni erklärte sie, Teheran breche seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag. Wie nah der Iran vor der Bombe stand, bewerten Experten aber unterschiedlich.

Jan Busse von der Universität der Bundeswehr München sagte ZDFheute Mitte Juni, dass der Iran über genügend hoch angereichertes Uran für bis zu zehn Atombomben verfüge. Doch das sei "noch lange keine einsatzfähige Bombe", so Busse. Es fehle ein funktionsfähiger Sprengkopf und ein geeignetes Trägersystem.

Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht in den israelischen Warnungen eine politische Aussage: "Dass ein 'Point of No Return' kurz bevorstand, ist vor allem die offizielle Einschätzung der israelischen Regierung", sagt sie. Andere Akteure, darunter US-Geheimdienste, sähen den Stand des Atomprogramms weniger dramatisch.

Für Ulrich Schlie von der Universität Bonn war Israels Zeitpunkt für einen Militärschlag plausibel gewählt. Wenn der Iran Uran auf militärisches Niveau anreichern kann, sei es aus seiner Sicht nur eine Frage der Zeit, dass der Iran über Atomwaffen verfüge. "Wir wissen auch, dass Iran alles daransetzt, alle für den Bau einer Atomwaffe notwendigen Bestandteile zu entwickeln."

Autor: Nils Metzger, ZDFheuteCheck

Grünen-Chefin Franziska Brantner spricht bei einer Pressekonferenz in Berlin
Markus Söder, CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident, gibt eine Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen in Berlin.
Tino Chrupalla
Lars Klingbeil, aufgenommen am 12.06.2025 in Berlin
Berlin: Ines Schwerdtner, Parteivorsitzende der Partei Die Linke
Bundeskanzler der Bundesrepublik Deuschland Friedrich Merz.

20. Juli: Grünen-Chefin Brantner

Für die Parteivorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, ist es eine Premiere. Bei ihrem ersten Sommerinterview im ZDF trifft sie auf Hauptstadtstudioleiterin Diana Zimmermann.

Quelle: action press


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